Können ausgewählte Atemtechniken zu einem schnelleren Einschlafen und erholsamem Schlaf führen?
Die meisten Funktionen des vegetativen Nervensystems können wir nicht bewusst beeinflussen. Aber über die Atmung haben wir willentlich Einfluss auf das vegetative Nervensystem.
Durch gezielte Atemübungen können wir einen stabilisierenden Einfluss auf das gesamte vegetative Nervensystem ausüben. Wir können an der Art des Atmens Rückschlüsse auf den seelischen Zustand eines Menschen ziehen. Ebenso ist es möglich, über gezielte Atemübungen einen stabilisierenden Effekt auch auf unsere Psyche zu bewirken.
Einatmen, ausatmen, Pause - der Atem ist ein Körperrhythmus, der uns von der ersten bis zur letzten Sekunde auf der Welt begleitet und uns doch im Alltag zumeist unbewusst bleibt. Dennoch ist der Atem einer unserer Taktgeber: 12 Atemzüge pro Minute sind der Durchschnitt, mal mehr mal weniger, je nach Situation (zum Beispiel bei sportlicher Aktivität, Aufregung oder in Ruhephasen). Das sind 17.280 Atemzüge pro Tag. Indem wir uns unseres Atems also bewusstwerden, konzentrieren wir uns auf uns selbst. Dadurch fällt es leichter, störende Einflüsse auszublenden und in Entspannung zu kommen. Mit der richtigen Atemtechnik fließt zudem mehr Sauerstoff in unsere Lungen. Der Körper und alle Organe profitieren von der höheren Sauerstoffzufuhr, die Ausatmung ist länger und das macht sich schnell durch ein wohliges Gefühl im Körper bemerkbar. So können Sie Stress abbauen und der Körper entspannt sich.
Wie kann die Atmung das Einschlafen unterstützen?
Die Atmung kann das Einschlafen unterstützen, indem wir zu allererst unseren Atem bewusst wahrnehmen. Somit kommen wir mit unserem eigenen Atemrhythmus in Kontakt. Wir sind in dem Moment ganz bei uns selbst.
Atmen Sie richtig?
Zumeist wird uns zunächst nur das Ein- und ausatmen bewusst. Der ganze Atemvorgang ist aber ein Dreiklang: einatmen, ausatmen, Pause.
Auch Atmen kann man auf drei verschiedene Arten: Schlüsselbeinatmung, Brustatmung und Bauch- oder Zwerchfellatmung.
Die Schlüsselbeinatmung ist die flachste Atmung. Um dieser bewusst zu werden, legen Sie Ihre Finger auf die Schlüsselbeine. Beim (flachen) Einatmen heben sich diese leicht, beim Ausatmen senken sie sich wieder.
Die Brustatmung ist schon eher eine Kombination aus Schlüsselbein- und Brustatmung. Um sich diese Atembewegung bewusstwerden zu lassen, legen Sie nun Ihre Hände links und rechts jeweils seitlich auf den Brustkorb. Beim Einatmen dehnt sich der Brustkorb, beim Ausatmen zieht sich der Brustkorb wieder zusammen.
Die Bauch- oder Zwerchfellatmung ist die Tiefste von allen. Machen Sie sich diese Atemmethode bewusst, indem sie eine Hand etwa in Höhe des Bauchnabels auf Ihren Bauch legen. Beim Einatmen dehnt sich der Bauchraum leicht aus, beim Ausatmen sinkt die Bauchdecke leicht nach unten.
Die Schlüsselbeinatmung wird meist angewendet, wenn der Körper schnelle Atemzüge benötigt, zum Beispiel beim Rennen oder bei Stress. Die Brustatmung ist die am häufigsten verwendete Atemtechnik. Für die Bauchatmung benötigt man eine gerade Rumpfposition und nicht zu enge Kleidung. Also wird auch diese häufig nicht vollständig durchgeführt. Die Atempause ist uns meist gar nicht bewusst.
Erst die Kombination dieser drei Atemmöglichkeiten ist die sogenannte Vollatmung. Die Vollatmung ist also eine Atemtechnik, bei der alle drei Atemtechniken miteinander verbunden werden, sodass beide Lungenflügel von oben bis in die Spitzen gleichmäßig mit Luft gefüllt werden und diese ebenso gleichmäßig und vollständig wieder austritt.
Wie funktioniert die Vollatmung?
Die so genannte Zwerchfell- oder Vollatmung, das richtige Atmen in den Bauchraum, lässt sich üben: Atmen Sie in lockerer Haltung ruhig und tief durch die Nase ein und durch den Mund aus. Legen Sie dabei zur Kontrolle eine Hand auf den Bauch und eine in Rippenhöhe auf die Seite und beobachten Sie, wie sich diese beim Atmen gleichmäßig hebt und senkt. Verfolgen Sie nun Ihren Atem, wie er durch Mund und Nase in den Körper strömt, durch den Hals und die Bronchien den Brustraum erreicht und sich dadurch der Brustkorb hebt und der Bauchraum sich nach vorn wölbt.
Wenn Sie wieder ausatmen, wird Ihr Bauch flach, die Brust senkt sich und verbrauchter Atem fließt durch den Mund aus, bevor Sie den neuen Atemzug nehmen. Dann atmen Sie richtig!
Ist dies geschehen, können wir uns die bewusste Atmung zunutze machen, um in einen entspannten Zustand zu kommen. Tagsüber um den möglichen Stresslevel herunterzufahren, abends im Bett zum Einschlafen.
Sobald wir uns unseres Atems bewusst sind, versuchen wir, tiefer ein- und auszuatmen. Bei einer 12 maligen tiefen Vollatmung gelangen ca. 50 bis 75 Liter Luft pro Minute in unsere Lungen. Wer nur flach atmet, versorgt seinen Körper mit nur 7 bis 10 Litern Luft pro Minute. Das führt zu Kopfschmerzen und Verspannungen. Eine hilfreiche Übung hierzu ist es, sich Meereswellen vorzustellen. Die Tiefenatmung erfolgt in 3 Schritten und die Luft durchströmt unseren Körper wie eine Welle. Ruhige, tiefe Atemzüge signalisieren dem Körper „Entspannung“, weil sie an ruhige Situationen gekoppelt sind. Dies kann man sich gerade zum Einschlafen zunutze machen, indem man folgende Techniken ausprobiert und eine Passende regelmäßig anwendet. Der Körper kann so auf „Entspannung“ trainiert werden – und das Einschlafen geht dann fast von allein.
Atemtechniken zum Entspannen und Einschlafen
Es gibt verschiedene Atemübungen, die in der Literatur bekannt sind und zu verschiedenen Entspannungsübungen genutzt werden. Lassen Sie uns nun die verschiedenen Atemübungen, die Erklärung und den Effekt, der dadurch erreicht wird, näher betrachten:
Zählen der Atemzüge
Durch die Nase locker ein- und durch den Mund ausatmen.
Die Hand liegt dabei auf dem Bauch. Sobald wir uns auf den Atem konzentrieren und anfangen, über das Selbstverständliche nachzudenken, desto eher fühlt man sich verkrampft. Also gilt es zunächst, einfach nur zu atmen. Wenn das locker von selbst geschieht, konzentrieren wir uns darauf, dies mit Ruhe und langsam zu tun. Schon sind wir mitten in der ersten Übung. Unsere Hand auf dem Bauch wird wahrnehmen, dass sich der Bauch beim Einatmen leicht hebt und beim Ausatmen leicht senkt. Diese Übung klingt leichter, als sie für den „Anfänger“ ist. Die meisten Menschen fragen sich „ist das wirklich alles?“ oder „mache ich das richtig so?“ Solche Fragen drängen sich automatisch am Anfang auf und: ja, d a s ist alles und Sie machen das richtig so!
Denn indem Sie sich auf das Atmen und das Zählen der Atemzüge konzentrieren, ist Ihr Geist zunächst erst einmal damit beschäftigt, also abgelenkt. Ruhiges, gleichmäßiges Atmen gelingt nur in einer Situation, die von Ruhe und Entspannung geprägt ist. Aufregung dagegen lässt bekanntlich unseren Puls in die Höhe schnellen und eben auch unsere Atmung schneller – meist auch flacher – werden. Indem Sie also „einfach“ ruhig, tief und gleichmäßig atmen, signalisieren Sie Ihrem Körper „Ruhe“. Ihr Körper stellt seine Funktionen darauf ein, Sie kommen tatsächlich in einen Ruhe- und Entspannungszustand.
Für Fortgeschrittene kommt hier die zweite Übung:
Längeres Ausatmen
Die Übung beginnt wie oben beschrieben. Sobald wir in der ruhigen Atmung sind, beginnen wir nun, länger auszuatmen. Um die Übung effektiv zu gestalten, solle man ca. 6 Sekunden ein- und 12 Sekunden ausatmen. Immer aber sollte das Atem angenehm und einfach gehen. Faustregel: etwa doppelt so lange ausatmen wie vorher eingeatmet wurde.
Hier gilt es, mit der Zeit seinen eigenen Rhythmus zu erkennen und mit diesem Rhythmus die Faustregel anzuwenden.
Eine Atempause – vor allem eine längere Atempause, signalisiert auch dem Körper, dass er Pause von Bewegung, Anstrengung, möglicherweise auch von Stress hat. Wie gesagt ist ein ruhiges, tiefes gleichmäßiges Atmen bei Anspannung oder stärkerer Aktivität nicht möglich. Daher „überlisten“ wir den Geist, der die Anspannung hält, indem wir die Wirkung der Entspannung – nämlich das ruhige, tiefe Atmen, vorwegnehmen. Unser Körper „weiß“, dass diese Art der Atmung nur bei entspannten Zuständen möglich ist, und folgt durch die Entspannungsreaktion der Atmung.
Pausenatmung – oder 4 – 7 - 8
Atmen wie in der Ausgangsübung beschrieben. Gelingt dies, gehen wir nun dazu über, 4 Sekunden lang einzuatmen, dann 7 Sekunden lang die Luft anzuhalten (immer nur so lange, wie das angenehm ist) und anschließend 8 Sekunden lang auszuatmen. Beim Ausatmen die Zungenspitze hinter die vorderen Schneidezähne legen und – um die Übung zu intensivieren – die Lippen spitzen als wolle man eine Kerze auspusten. 4 – 5 Mal hintereinander durchführen.
Durch das Positionieren der Zungenspitze hinter den oberen Schneidezähnen bzw. das Spitzen der Lippen wird die Luft beim Ausatmen etwas abgebremst und links und rechts an der Zunge vorbeigeleitet. Dadurch verlangsamt – und erschwert – sich das Ausatmen. Das Ausatmen muss also mit mehr Kraft als das Einatmen durchgeführt werden.
Durch den höheren Energieaufwand beim Ausatmen tritt dann allerdings ein deutlicherer Entspannungseffekt in der Atempause ein, denn wir sind noch deutlicher als bei den anderen Übungen im „Tun“, und im Moment des Ausatmens. Sie kennen den Ausdruck vielleicht aus Achtsamkeitsübungen: wir können nicht „ auf Vorrat“ atmen, daher ist Atmen immer im „Hier und Jetzt“, in diesem Moment einatmen, im nächsten Moment ausatmen. Wir können nicht für gestern noch mal Luft holen oder für Morgen, wenn es vielleicht stressig wird, schon mal schneller atmen.
5 Finger
Beginn der Übung wie oben beschrieben: die Hände liegen auf dem Bauch in Höhe des Bauchnabels. Die Finger der Hände werden so zusammengeführt, dass sich jeweils alle 5 Finger berühren, also Daumen an Daumen, Zeigefinger an Zeigefinger und alle weiteren Finger entsprechend. Die Finger weisen dabei nach vorn, die Daumen nach oben, während die Handflächen einen kleinen Hohlraum bilden. Bei jedem Einatmen entfernen sich nun die Finger voneinander, beim Ausatmen berühren sie sich wieder. In der Position machen Sie 5 – 10 Wiederholungen.
Danach die gleiche Übung aber mit jeweils nur einem Fingerpaar. Beim Einatmen entfernen sich nun die Daumen voneinander und berühren sich bei jedem Ausatmen wieder. Dann die Zeigefingerpaare, Mittelfingerpaare usw.
Der Entspannungseffekt tritt auch hier wieder durch eine kleine List ein: indem wir mit dem Tun und dem Atmen vollauf beschäftigt sind, ist in unserem Kopf kein Platz mehr für störende oder belastende Gedanken. Wir kommen im wahrsten Wortsinn auf andere Gedanken und durch die ruhige, tiefe Atmung in einen entspannten Zustand. Von diesem Entspannungsmoment ist es dann oft nicht mehr weit bis zum Schlaf.
Eine weitere Übung für diejenigen, die schwer in Entspannung kommen:
An- und Entspannung beim Atmen
Atmen wie in der Ausgangsübung beschrieben. Sobald das gelingt und wir bewusst unseren Atem wahrnehmen und in unseren Atemrhythmus gekommen sind, beginnen wir, unsere Muskeln beim Einatmen kräftig anzuspannen, kurze Pause und beim Ausatmen alle Muskeln bewusst zu entspannen. Diese Übung 5 – 10 Mal wiederholen und anschließend verharren und nachspüren wie Wärme und Ruhe den Körper durchfluten.
Bei dieser Übung wird jeweils die Anspannung bewusst herbeigeführt und die Entspannung gerade dadurch deutlicher spürbar. Dem entspannten Zustand wird nachgespürt und dieser wird noch bewusster wahrgenommen. Dadurch „lernt“ der Körper, wie sich Entspannung anfühlt. Dieses erlernte Gefühl der Entspannung kann anschließend bewusster herbeigeführt werden und der Effekt (Entspannung und schnellerer, erholter Schlaf) kann sich leichter einstellen.
Schlafhygiene
Ebenso wichtig für einen guten Schlaf allgemein ist eine gewisse Schlafhygiene. Darunter versteht man Gewohnheiten und Umstände, die einen gesunden Schlaf fördern.
Herzschlag, Atmung, Blinzeln – unser Körper liebt Rhythmus und Wiederholung. Daher hilft es auch, sich Einschlafrituale schaffen.
Schon ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen sollte man sich eine ruhige Atmosphäre schaffen, zum Beispiel ein Buch lesen, ein entspannendes Bad oder Fußbad nehmen, eine Tasse des Lieblingstees bereithalten, kurz: den Tag ausklingen lassen.
Noch zu Erledigendes kann notiert und bei Seite gelegt werden, Ärgernisse können ebenfalls auf einem Extrazettel notiert werden. Diesen dann mit Kraft zusammenknüllen und mit einem Schwung in den Mülleimer werfen (Zettel nicht verwechseln).
Im Schlafzimmer sollte ein individuelles Wohlfühlklima geschaffen werden. Das heißt, der Raum sollte nicht zu warm und nicht zu kalt sein. Im Durchschnitt werden ca. 19 Grad Celsius von den meisten Menschen als angenehm empfunden.
Lassen Sie uns also kurz zusammenfassen: können ausgewählte Atemübungen zu schnellerem Einschlafen, zu erholsamerem Schlaf führen?
Ja, haben Sie Geduld mit sich selbst und Neugier, die Übungen für sich auszuprobieren. Und haben Sie die Ausdauer, „Ihre“ ausgesuchten Übungen regelmäßig anzuwenden. Dann kann eine der oben aufgeführten Techniken oder eine Kombination verschiedener Techniken Sie zu einem schnelleren Einschlafen und zu erholsamem Schlaf führen.
Ein schönes Bild zum Schluss: Morpheus, der geflügelte griechische Gott des Schlafes kann schnell fliegen und sich leise annähern, um dann sanft eine Mohnblume über die Augen der Menschen zu führen und sie mit Träumen zu beschenken.
In diesem Sinne: Schlafen Sie wohl!
25 Min zum Lesen von 5 Seiten Text bei ca. 12 Atemzügen pro Minute = 500 Atemzüge während Sie diesen Text gelesen haben.
Autor: Ina Grundmann, Heilpraktikerin für Psychotherapie
Thema: Gekonnte Atemtechnik führt zu schnellerem Einschlafen
Webseite: https://www.malschule-grundmann.de