Schon wieder die Brille verlegt, schon wieder ein Name, der nicht einfallen will, schon wieder einen Termin vergessen!
Ist das schon Demenz? Oder ist das normal, nach dem Motto: Jeder vergisst doch mal etwas – und im Alter sowieso?
Mein Anliegen ist es, Menschen, die an Demenz erkrankt sind, besser zu verstehen.
Neben den Symptomen der Erkrankung ist es wichtig, den Menschen und sein Empfinden, seine Wahrnehmung, seine Realität und seine Welt, die in seiner Wahrnehmung real ist, die ihm vertraut ist und in die er sich zurückgezogen hat, zu verstehen und zu akzeptieren und entsprechend auf ihn zu reagieren.
Unter dem Oberbegriff Demenz gibt es zahlreiche Krankheitsformen, die oft schleichend beginnen und fortschreitend zum Abbau wichtiger Gehirnfunktionen führen. Demenz tritt meist im höheren Lebensalter auf, ist aber keineswegs eine zwingende Alterserscheinung. Bislang sind Demenzerkrankungen nicht heilbar, aber Betroffene können in den ersten Phasen der Erkrankung immer noch eine gute Lebensqualität haben.
Formen von Demenz
Die häufigsten Demenzformen sind:
- Alzheimer-Demenz
- vaskuläre Demenz
- frontotemporale Demenz
- Lewy-Körperchen-Demenz.
Alzheimer ist statistisch die häufigste Form der Demenz, zwei Drittel der an Demenz Erkrankten sind von ihr betroffen. Die meisten Alzheimer-Erkrankungen treten bei Menschen über 60 Jahren auf.
Zum Krankheitsbild gehören Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Diese Störungen sind bei den Betroffenen unterschiedlich stark ausgeprägt und nehmen im Verlauf der Erkrankung zu. Sie machen die Bewältigung des normalen Alltagslebens zunehmend schwieriger.
Ursachen von Demenz
Ursachen für die Alzheimer-Demenz sind Eiweißablagerungen im Gehirn, deren Rückstände die Informationen zwischen den Gehirnzellen blockieren und das Denken, Erinnern und Orientierten einschränken.
Symptome einer Demenz
Die häufigsten Symptome sind Gedächtnis- und Orientierungsschwierigkeiten. Diese können sich auf unterschiedliche Weise manifestieren:
Alltägliche Vergesslichkeiten inklusive Suchaktionen treten auf. Es wird z. B. nach der Brille gesucht, für das unerklärliche Verschwinden werden oftmals andere verantwortlich gemacht und beschuldigt.
Situationen werden falsch eingeschätzt, das Verhalten ist entsprechend unangemessen. Die erkrankte Person zieht im Winter Sommerkleidung an, weil in der geheizten Wohnung kein Bedürfnis nach warmer Kleidung besteht und der Hinweis auf die Minusgrade draußen kognitiv nicht verarbeitet wird. Oftmals ist es dann an der frischen Luft der gefühlte Kältereiz auf der Haut, der den Wunsch nach warmer Kleidung auslöst – zumindest in den noch moderaten Phasen der Demenzerkrankung.
Auch bislang vertraute Personen werden nicht mehr erkannt und als Fremde bezeichnet (z. B. die eigene Tochter oder die Ehefrau).
Zeitliche Dimensionen verrutschen (Tag, Nacht, Uhrzeit, Jahreszeit und Jahr), der 80jährige Erkrankte befindet sich gefühlt in seinem Lebensabschnitt als Jugendlicher.
Orte werden nicht mehr erkannt oder nicht mehr gefunden. Der Demenzkranke kann sich nicht merken, dass er jetzt im Pflegeheim lebt. Er wird sich weder die Adresse noch den Namen noch den Weg zur Einrichtung einprägen können, weil das Kurzzeitgedächtnis demenzbedingt neue Informationen schlecht oder gar nicht abspeichern und abrufen kann. Allerdings werden Orte, die aus der Vergangenheit bekannt sind, in der Regel noch gefunden, weil das Langzeitgedächtnis noch funktioniert.
Beispiel:
Die 87-jährige Bewohnerin einer stationären Pflegeeinrichtung war meistens einmal pro Woche fest entschlossen, sich von Berlin aus auf den Weg in ihre alte Heimat Potsdam zu machen. Mit Hut, Mantel, Handtasche, Handschuhen und Pumps bekleidet verabschiedete sie sich bei den Pflegekräften mit den Worten: „Meine Mutter wartet mit dem Mittagessen auf mich, da muss ich pünktlich sein“. Mit unendlicher Geduld bemühten sich die Pflegekräfte, die Dame von ihrem Vorhaben abzubringen, z. B. mit dem logischen Argument, dass die Mutter längst verstorben und sie selber ja bereits über 80 Jahre alt sei.
Doch alle Logik half nichts, die Dame war überzeugt, dass die Mutter in Potsdam auf sie warte. Das führte dazu, dass sie mit sanfter Gewalt festgehalten und am Verlassen des Hauses gehindert wurde. Sie reagierte entsprechend verzweifelt mit Schimpfen und Gegenwehr.
In der professionellen Betreuung von Demenzerkrankten wäre aufgefallen, dass der Wunsch, nach Potsdam zur Mutter zum Essen zu fahren, immer dann geweckt wurde, wenn es in der stationären Einrichtung zur Mittagszeit nach Eintopf duftete.
Dieser Duft löste über das Sinnesorgan Nase die Erinnerung an die Mutter und damit Sehnsucht nach ihr aus. Aufgrund ihrer Demenzerkrankung konnte die Dame diese Sehnsucht nur durch den Wunsch, zu ihr zu fahren, zum Ausdruck bringen.
Der Kampf der Pflegekräfte wurde in keiner Weise dem wirklichen Gefühl und Bedürfnis der Dame gerecht.
In der professionellen Betreuung von Demenzerkrankten geht es darum, das hinter der Aktion liegende Gefühl und Bedürfnis des Erkrankten in Erfahrung zu bringen und ihm die Möglichkeit zu geben, darüber zu reden – in diesem Fall über die Sehnsucht nach der Mutter. Dabei helfen besonders offene W-Fragen: Was vermissen Sie am meisten, wenn Sie an Ihre Mutter denken? Was konnte Ihre Mutter besonders gut kochen?
Nachlassendes Erinnerungs- und Orientierungsvermögen führt häufig dazu, dass die Betroffenen Abläufe und Tätigkeiten ständig wiederholen und immer wieder dieselben Fragen stellen, z. B. nach dem aktuellen Wochentag. Sie fragen immer wieder nach, weil sie sich die Antwort nicht mehr merken können und zu viele Erinnerungshilfen in Form von Zetteln verwirren.
Sinnvoll ist, die Frage immer wieder geduldig in einem kurzen Satz zu beantworten, ohne den vorwurfsvollen Hinweis „Das habe ich doch jetzt schon fünfmal gesagt!“.
Einschränkungen in der Kommunikation manifestieren sich in Form von Sprachstörungen. Das kann den Verlust bezüglich Wortfindung und Wortbedeutung betreffen und flüssiges Sprechen erschweren. Besonders zu Beginn einer Demenzerkrankung kaschieren Betroffene die Symptome durch den Gebrauch von Floskeln und Umschreibungen, um die Fassade aufrechtzuerhalten.
Beispiel:
Exemplarisch ist die Geschichte von Herrn M., 67 Jahre alt, Ingenieur im Ruhestand, alleinstehend, keine Angehörigen.
Auf Anraten seines Hausarztes und auf Veranlassung seines gesetzlichen Betreuers zog Herr M. in eine stationäre Pflegeeinrichtung, nachdem er sich in seinem Wohnumfeld nicht mehr zurechtfand und seinen Alltag nicht mehr alleine bewältigen konnte.
In der Pflegeeinrichtung traf er in sehr gut gepflegtem Allgemeinzustand ein. Er war gut gekleidet mit Anzug und Krawatte und hatte ein ausgesprochen freundliches Auftreten. Den anderen Heimbewohnern und den Pflegekräften begegnete er höflich und vornehm: „Sehr erfreut, gnädige Frau!“, „Bitte nach Ihnen!“, „Sehr liebenswürdig von Ihnen!“, „Wie es Ihnen beliebt!“, „Ich bin so frei“. Alle waren überaus angetan von seinen Umgangsformen und seinem gepflegten Äußeren.
Etwa 14 Tage nach seinem Einzug war er eines Abends verschwunden. Die Suchaktion in der Einrichtung und in der Umgebung blieb erfolglos. Daraufhin meldete ihn die Heimleitung bei der Polizei als vermisst.
Gegen 23 Uhr traf ein Anruf von einem sehr vornehmen Restaurant am Kurfürstendamm ein. Das Restaurant war an diesem Abend gut besucht, und Herr M. unterschied sich nicht von den anderen Gästen. Er war gepflegt gekleidet und fragte den Kellner höflich nach den Speisen und einem passenden Wein. Seine Tischmanieren waren perfekt. Bis dahin schien alles ganz normal zu sein.
Als sich das Restaurant zu vorgerückter Stunde leerte, fragte der Kellner, ob Herr M. noch Wünsche habe. Herr M. antwortete wie immer mit freundlichen Floskeln: „Nein danke, es war vorzüglich, ich bin gut gesättigt“. Erst als er keine Anstalten machte zu bezahlen, wurden die Mitarbeiter stutzig.
Der Geschäftsführer fragte ihn, ob er die Rechnung wünsche, und Herr M. reagierte wie immer freundlich: „Na freilich, selbstverständlich!“. Die diskret vorgelegte Rechnung rührte er allerdings nicht an, die Aufforderung, die Rechnung zu begleichen, kommentierte er gleichbleibend freundlich.
Nun wurde dem Restaurantteam klar, dass mit dem freundlichen Gast etwas nicht stimmte. Einer der Kellner glaubte Herrn M. aus vergangenen Jahren zu kennen. Nur eines war anders als früher: Üblicherweise hatte Herr M. die Rechnung immer sofort beglichen, zuzüglich eines großzügigen Trinkgeldes.
Der Geschäftsführer entdeckte nun am Handgelenk von Herrn M. ein Armband, auf dem sein Name und die Kontaktdaten des Pflegeheims vermerkt waren. Er benachrichtigte die Einrichtung, und es wurde vereinbart, dass ein Taxi Herrn M. zurückbringt.
Die Frage, wie Herr M. von der Einrichtung in das Restaurant, das etwa eine Stunde entfernt liegt, gekommen war, konnte nie beantwortet werden. Als ihn die Pflegekräfte am nächsten Morgen nach seinem Abenteuer vom Vortag befragten, konnte er sich „Alzheimer-typisch“ an nichts Konkretes erinnern.
Der Restaurantbesuch von Herrn M. zeigt eindrucksvoll, wie Menschen in einem relativ frühen Demenzstadium agieren und reagieren. Sie erhalten die Fassade aufrecht und verwenden intuitiv eingeübte Umgangsformen, Verhaltensweisen, Redewendungen und Automatismen.
Um weitere Abenteuer dieser Art zu verhindern – und auch aus Sorge, dass ein Bewohner zu Schaden kommt –, hat die Einrichtung Maßnahmen perfektioniert, die das unbeaufsichtigte und unbemerkte Verlassen des Hauses erschweren, z. B.
Ausgangstüren, die nur mit einem Code geöffnet werden können, was Demenzkranke kognitiv nicht leisten können.
Betreuung von Demenzkranken
In der professionellen Betreuung Demenzerkrankter geht es in der Regel eher ums Ermöglichen statt ums Verhindern: Welche Optionen gibt es, um Herrn M. in den frühen Phasen seiner Erkrankung weiterhin genussvolle Momente in seinem Lieblingsrestaurant zu ermöglichen?
Denkbar wäre eine Vereinbarung mit dem Geschäftsführer des Restaurants, dass die Rechnung an die Einrichtungsleitung geschickt wird – solange sich seine Bestellungen im gewohnten moderaten Rahmen bewegen –, oder dass eine zusätzliche, eventuell ehrenamtliche Betreuungskraft für ihn engagiert wird, die mit ihm ab und zu das Restaurant besucht und dann die Begleichung der Rechnung regelt. Es gibt sicherlich noch weitere kreative Ideen, das Bedürfnis von Herrn M. nach einem gepflegten Restaurantbesuch so lange wie möglich zu erfüllen.
Wenn das Denk- und Urteilsvermögen beeinträchtigt ist, fallen komplexe Aufgaben und strukturierte Abläufe zunehmend schwer, können aber mit Unterstützung noch über einen längeren Zeitraum bewältigt werden.
Inhaltlich und zeitlich überschaubare, begrenzte Abläufe und vor allem vertraute Tätigkeiten sind in der Regel noch lange möglich, besonders wenn sie haptisch, visuell oder durch eine Aufforderung zum Mitmachen initiiert werden. So weiß eine erfahrene Hausfrau, die an Demenz erkrankt ist, in der Regel sofort, was zu tun ist, wenn sie ein Kartoffelschälmesser sieht oder wenn sie gebeten wird, beim Schälen zu helfen.
Motorische Einschränkungen und veränderte Bewegungsabläufe können sowohl zu erhöhtem Verlangen nach Bewegung führen als auch zu nachlassender Aktivität.
Das Verlangen nach Aktivität ist oftmals störend und herausfordernd für das soziale Umfeld, hilft aber dem Demenzerkrankten, Stress abzubauen. Der tägliche Stress durch Misserfolgserlebnisse – weil schon wieder etwas falsch gelaufen ist oder etwas vergessen wurde – wird dann in Bewegung umgesetzt, sofern die motorischen Fähigkeiten dazu vorhanden sind.
In der professionellen Betreuung Demenzerkrankter wird dem Rechnung getragen durch entsprechende Endloswege im Garten und im Haus und durch Angebote, die die Sinnesorgane triggern, z. B. sogenannte Snoezel-Räume. Diese Art von Infrastruktur und Angeboten erleichtert es den Erkrankten, sich in der Einrichtung wohlzufühlen, und verringert den Wunsch, das Haus zu verlassen.
Veränderungen der Persönlichkeit und Stimmungsschwankungen führen häufig zu aggressiv anmutendem, eifersüchtigen, ängstlichen Verhalten, aber auch zu einem gesteigerten Bedürfnis nach Nähe und Harmonie.
Angehörige erleben den Erkrankten häufig als undankbar, störrisch und aggressiv, wenn er aufgefordert wird, Dinge zu tun, die notwendig sind, wie zu duschen oder zu essen.
Oftmals lehnt er es ab, der Aufforderung zu folgen, weil er die Notwendigkeit kognitiv nicht nachvollziehen kann, weil er in diesem Moment gefühlsmäßig und gedanklich gerade in einem eigenen „Hirn-Kino“ war, weil eine Aufforderung in dieser Form so gar nicht zu seinen biografisch gewachsenen Gewohnheiten passt, oder weil er die Bedeutung der Aufforderung nicht versteht.
Wenn dann versucht wird, den Erkrankten mit allen Mitteln zu überzeugen, fühlt er sich unverstanden, hilflos und in die Ecke getrieben und greift zu den Abwehrmitteln, die ihm in seiner Verzweiflung zur Verfügung stehen, z. B. treten oder beißen.
In der professionellen Betreuung Demenzerkrankter werden das „Nein“ des Erkrankten und seine Abwehr ernst genommen, indem ihm Alternativen angeboten werden, z. B. zu baden, statt zu duschen, oder die Körperpflege an einem anderen Tag bzw. einer anderen Uhrzeit zu erledigen. Vielleicht war der Erkrankte es gewohnt, immer am Sonntagabend zu baden. In der professionellen Betreuung wird dem Erkrankten Körperpflege so angeboten, wie er es früher gewohnt war.
In der Regel ist die Demenzentwicklung ein schleichend beginnender Prozess, der in verschiedenen Stadien verläuft. Die Symptome können unterschiedlich stark ausgeprägt sein, sich im Laufe der Demenz verändern, und es können weitere Symptome hinzukommen.
Noch einmal zurück zu dem 80-Jährigen, der sich gefühlt in seinem Lebensabschnitt als Jugendlicher befindet. Dieser inneren Wahrnehmung folgend, verhält er sich auch so und ordnet Begebenheiten und auch Personen entsprechend ein. Damals war er gerade frisch verliebt in eine junge Frau, die er später geheiratet hat. Es kann passieren, dass er als nun 80-jähriger Demenzerkrankter seine Frau als Fremde bezeichnet, weil auch sie um 60 Jahre gealtert ist und er sie deshalb nicht mehr als seine Jugendliebe erkennt.
Er ist gedanklich und gefühlsmäßig auf einer Zeitreise in die Vergangenheit, die er als Realität im Hier und Jetzt wahrnimmt. Diese Zeitreise ist ein intrinsischer, unbewusster Verarbeitungsprozess, sowohl von positiven als auch von negativen Erlebnissen, Erfahrungen und Erinnerungen in jener Lebensphase. Ein 80-Jähriger, der sich verhält wie ein 20-Jähriger und die eigene Frau als Fremde bezeichnet, wirkt auf alle Umstehenden verstörend.
Angehörige sind in der Regel bemüht, diese zeitliche Desorientierung zu korrigieren und ihn damit zu konfrontieren, um ihn in die Realität der Gegenwart zu holen. Dies sollte jedoch unbedingt vermieden werden. Bringen sie ihm stattdessen Akzeptanz, Verständnis, Empathie, Wertschätzung und ehrliches Interesse entgegen, indem sie ihn ermutigen, von diesem zurückliegenden Lebensabschnitt zu erzählen. Am besten stellen Sie wie erwähnt offene W-Fragen: wer, wann, wo, wie, was, wie oft, wohin, woher. Vermeiden sie aber die Warum-Frage. Damit fordern Sie den Erkrankten auf, sich zu rechtfertigen – und das überfordert ihn kognitiv hoffnungslos.
Keine Sorge, die Erzählung wird meistens nur wenig Zeit in Anspruch nehmen, da im Zusammenhang mit einer Demenzerkrankung Konzentration und Aufmerksamkeit begrenzt sind. Die erfolglose kognitive Auseinandersetzung mit dem Erkrankten über seine Verwirrtheit und Desorientierung kostet viel mehr Zeit und Energie und endet für alle Beteiligten in einem Gefühlschaos.
Wie wird eine Demenz festgestellt?
Grundsätzlich ist eine diagnostische Abklärung sinnvoll. Allerdings können die notwendigen Untersuchungen für die Betroffenen wie für die Angehörigen körperlich und emotional belastend und herausfordernd sein. Ansprechpartner sind u. a. Hausärzte, Neurologen und Experten in Gedächtnissprechstunden oder -ambulanzen.
In einem ausführlichen Arztgespräch mit Betroffenen und Angehörigen geht es zunächst darum, festzustellen, welche Verhaltensveränderungen, Auffälligkeiten und Symptome wann und wie oft auftreten. Anschließend ist es wichtig, eine Differential-Diagnostik inklusive Labor-Diagnostik durchzuführen, um andere behandelbare Erkrankungen als Ursache ausschließen zu können.
Testpsychologische Untersuchungen (Minimental-Status-Test, Uhren-Test) geben Auskunft über räumliches Denkvermögen und über Merk-, Konzentrations- und Verbalisierungsfähigkeiten. Bildgebende Verfahren (MRT, CT des Kopfes) und die Messung von Hirnströmen können demenztypische Veränderungen des Gehirns sichtbar machen.
Können andere behandelbare Erkrankungen auf diese Weise ausgeschlossen werden, erhärtet sich die Diagnose Demenz. Die Auseinandersetzung mit der Diagnose hilft den Betroffenen und den Angehörigen, Stadium, Symptome und Verlauf der Erkrankung besser einzuschätzen und einzuordnen. Gleichzeitig müssen Vorstellungen und Ideen entwickelt werden über die zukünftige Alltagsgestaltung, Kommunikation und Organisation im Zusammenleben mit dem erkrankten Angehörigen.
Solange die betroffene Person in der Lage ist zu kommunizieren, ist es wichtig, mit ihr im Gespräch zu bleiben. Bei der Zukunftsplanung hilft es, mit Ängsten und Gefühlen offen umzugehen, Wünsche und Bedürfnisse zu erfragen, aber auch zu akzeptieren, dass der Betroffene Vorschläge ablehnt.
Es ist wichtig, die Erkrankung weder zu bagatellisieren noch zu dramatisieren. Sinnvoll ist stattdessen, so viel Normalität wie möglich im Alltag zuzulassen. Für das Selbstbewusstsein des Erkrankten ist es förderlich, seine vorhandenen Ressourcen in den Mittelpunkt der Beziehung zu stellen und so viel Quality Time wie möglich miteinander zu verbringen – mit gemeinsamen Unternehmungen und schönen Erlebnissen, mit vertrauten Ritualen, ohne zu überfordern, aber auch ohne zu bevormunden, und ohne die Erkrankung ins Zentrum der Beziehung zu stellen bzw. den Erkrankten auf seine Erkrankung zu reduzieren. Professionelle Unterstützung in diesem Prozess bieten zahlreiche Beratungsstellen u. a. die Deutsche Alzheimer Gesellschaft.
Zusätzlich sollten auch formelle rechtliche Angelegenheiten wie Vollmachten, Verfügungen und gesetzliche Betreuung geklärt werden.
Angehörige sollten trotz aller Sorge und Fürsorge das eigene Leben im Blick behalten, sich Auszeiten gönnen, Energie tanken und ihre Resilienz stärken, um die Herausforderungen in der Beziehung mit einem Demenzkranken bewältigen zu können.
Pflegestützpunkte und Pflegeberater informieren über Unterstützungsleistungen der Pflege- und Krankenkassen und bieten Hilfe bei den notwendigen Anträgen und Formalitäten.
Demenz ist zwar nicht heilbar, aber es gibt zahlreiche Therapieformen, um das Wohlbefinden von Erkrankten zu fördern und positiv zu beeinflussen, z. B.
medikamentöse Unterstützung zur Symptomlinderung bei starker Unruhe, Angst, Sinnestäuschungen, Halluzinationen und Depressionen. Verschreibung und Einnahme folgen einem dem Stadium der Demenz angepassten ärztlichen Behandlungsplan.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von nicht-medikamentösen Demenztherapien, die je nach individuellem Krankheitsverlauf und aktuellem Stadium eine weitestgehend selbständige Alltagsbewältigung ermöglichen und unterstützen. Bewährt haben sich u. a. Musiktherapie, Physiotherapie/Körperübungen, tiergestützte Therapie, Beschäftigungsangebote im Rahmen von Biografie- und Erinnerungstherapie, das Antriggern der Sinnesorgane und die Validation.
Übrigens: Singen ist ein Königsweg im Umgang mit Demenzerkrankten!
Bei der Validation steht die Akzeptanz der Gefühle des Erkrankten im Vordergrund. Validation bedeutet empathisch, einfühlsam und urteilsfrei mit dem Erkrankten zu kommunizieren und zu erkennen, dass jedes Verhalten auf eine individuelle Ursache und ein individuelles Gefühl zurückgeführt werden kann.
Validierender Umgang heißt, sich ehrlich und selbstkongruent auf die Welt des Erkrankten einzulassen, Empathie zu zeigen und die Gefühle des Erkrankten zu akzeptieren, statt ihm zu widersprechen und ihn mit der Realität zu konfrontieren. Der Leitfaden für einen validierenden Umgang mit Demenzerkrankten sind die Bedürfnisse und die Gefühle, die sie nonverbal signalisieren.
Aus diesem Grund ist es auch sinnlos, den Demenzerkrankten zu korrigieren und zu konfrontieren, wenn mal wieder etwas schiefgelaufen ist. Einer Diskussion darüber, ob etwas falsch oder richtig ist, oder ob er recht oder unrecht hat, ist ein an Demenz Erkrankter nicht gewachsen. In solchen Auseinandersetzungen ist er kognitiv von vornherein unterlegen.
Gespräche mit dem Erkrankten sollten face to face, auf Augenhöhe, ruhig, klar und wertschätzend geführt werden. Dabei gilt der Grundsatz „Mehr fragen, als sagen“.
In späteren Demenzstadien sind geschlossene Fragen sinnvoll, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Bei sehr weit fortgeschrittenem Krankheitsverlauf findet Kommunikation dann oftmals eher nonverbal über Berührung statt, sofern der Erkrankte dies zulässt.
Im Gespräch mit dem Demenzkranken sollten Zeitdruck und komplexe Schachtelsätze vermieden werden. Damit er die Chance hat zu verstehen, braucht er Zeit und kurze, einfache Sätze mit lediglich einer Mitteilung. Nonverbale Kommunikation, die das Gesagte mit Gestik, Mimik und Tonfall unterstützt, erhöht die Chance, dass er dem Gespräch folgen kann. Dabei ist es wichtig, ehrlich zu sein und nicht zu lügen oder zu schauspielern. Ein Demenzkranker hat ein Gespür für Gespieltes und Vorgetäuschtes. Das verunsichert ihn, da er damit rational nicht umgehen kann.
Naomi Feil, die Begründerin der Validation, beschreibt aufgrund von körperlichen und emotionalen Kriterien vier Stadien im Verlauf einer Demenzerkrankung mit den entsprechenden Veränderungen von Hirnarealen, die sich in Beeinträchtigungen und Einschränkungen und letztendlich im Verlust von physischen, psychischen und kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten manifestieren.
Je nach aktuellem Stadium der Erkrankung verändern sich auch die Bedürfnisse des Erkrankten. Pflege und Betreuung müssen entsprechend angepasst werden, da der Demenzerkrankte selbst keine Anpassungsleistungen erbringen kann.
Wenn Sie mehr über den praktischen Einsatz der validierenden Kommunikation erfahren und lernen möchten,
dann können Sie sich gerne an mich wenden - https://www.cassiers-coaching.de/
oder an die Alzheimer Gesellschaft https://www.deutsche-alzheimer.de/
Und an die Alzheimer-Angehörigen-Initiative https://alzheimer-angehoerigen-initiative.de/
Autor: Dagmar Cassiers - Diplom-Pädagogin, HP für Psychotherapie
Thema: Demenz - Anzeichen und Verlauf
Webseite: https://www.cassiers-coaching.de
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