Seit Tausenden von Jahren hängt die Geschichte von Menschen und Pferden zusammen.
Das Pferd kann für den Menschen Partner sein, denn es bietet die Möglichkeit einer intensiven Beziehungsaufnahme. Es ordnet sich trotz seiner Größe und Kraft dem Menschen unter, fordert aber auch Vertrauen und Dominanz. Diese Dynamiken zusammen mit der Möglichkeit des Getragenwerdens bilden die Grundlage eines therapeutischen Einsatzes des Pferdes in der Psychotherapie und Reittherapie.
Reittherapie hat als Methode im Rahmen psychotherapeutischer Behandlung sowie heilpädagogischer Behandlung und im Behindertensport in den letzten Jahren zunehmend an Popularität gewonnen. Dabei geht es im therapeutischen Reiten nicht um das Erlernen des Reitens, sondern um den heilenden und fördernden Kontakt mit dem Medium Pferd. Es gibt verschiedene Ausbildungs- und Methodenansätze, die sich nach den jeweiligen Erfordernissen des Einsatzbereiches richten.
Die in diesem Prozess erlernten Erfahrungen bieten aber auch eine gute Basis: Reiten zu erlernen.
Als Ergänzungsmethode im Bereich Psychotherapie bzw. Soziotherapie wurde von mir ein spezielles Konzept der pferdegestützten Psychotherapie entwickelt. Dieses Therapiekonzept kennzeichnet sich durch die Synthese von Psychotherapie, Körperarbeit, Heilpädagogik und Arbeit mit dem Pferd aus. Dabei ist das Therapieverfahren experimentell, das bedeutet erlebnisorientiert ausgerichtet. Im Mittelpunkt des Therapieprozesses steht somit das Erleben des Klienten, das wesentlich den Therapieverlauf bestimmt. Das Pferd ist in der experimentellen Reittherapie als Medium zu verstehen, um Therapieprozesse zu intensivieren und im Verlauf positiv zu beeinflussen. Dabei lernen die Patienten mehr auf ihr Körpergefühl zu achten und so mit sich selbst in Beziehung zu treten (Methode des Focusing). Diese Therapie hat sich besonders dort bewährt, wo Kinder und Jugendliche und auch Erwachsene mit herkömmlichen Therapieformen kaum oder nur sehr schwer Lösungsschritte erarbeiten konnten.
Sie eignet sich besonders für Klienten mit Störungen im Bereich der sozialen Kontaktaufnahme, mit Identitätsproblemen, z.B. Kinder und Jugendliche mit ADS/ADHS, emotionalen Störungen und Trennungsproblemen. Aber auch im Bereich psychischer Störungsbilder (Depressionen, Angststörungen, Borderline-Syndrom, Zwänge etc.) gibt es bereits interessante Erfahrungswerte.
Umgang mit Pferden fördert soziale Kompetenz
Reittherapie mit seinen verschiedenen Formen Hippotherapie (Krankengymnastik auf dem Pferd), Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren hat einen hohen Stellenwert in der Behandlung und Förderung verschiedener Patientengruppen.
Neben den klassischen Störungsbildern wie körperliche und geistige Behinderungen, Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörungen, Autismus und andere gibt es immer mehr Kinder und Jugendliche mit Defiziten im Bereich der Motorik und des Sozialverhaltens.
Insbesondere durch mangelnde Bewegungserfahrung, und Medienkonsum kommt es zu einer Verkümmerung unserer Sinne. Kinder haben immer weniger Möglichkeiten für eigene Erfahrungen. Sie erleben die Welt oft nur“ aus zweiter Hand“ über die Medien.
Reittherapie in all ihren Formen fördert neben der Sinneswahrnehmung auch die Entwicklung von Selbstbewusstsein und sozialen Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Team- und Konfliktfähigkeit.
Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass eine der Hauptwirkungen im Kontakt mit Tieren in der Überwindung sozialer Isolation liegt. Tiere besitzen einen hohen Aufforderungscharakter.
Wieso sind Pferde besonders geeignet, die Soziale Kompetenz des Menschen zu stärken?
Seine besonderen Eigenschaften machen es zum idealen Partner für den Menschen. Das Pferd in der freien Natur zeigt durchaus Ähnlichkeiten mit der menschlichen Gesellschaft. Es zeigt Verhaltensweisen, die es von anderen Tieren unterscheidet. Zu diesen Verhaltensweisen gehören der Aufbau einer sozialen Struktur innerhalb der Herde mit einer klaren Rangordnung, und das Phänomen, individuelle Freundschaften zu schließen oder individuell Zuwendung zu erbringen.
Die Begegnung mit dem Pferd ermöglicht fundamentale Selbst- und Beziehungserfahrungen. Menschliche – oft verletzte und abgewehrte – Grundbedürfnisse werden wachgerufen. So ist der Wunsch nach Nähe und Verbundenheit durch das Berühren des warmen Pferdekörpers wieder spürbar. Die Fähigkeit zu fühlen, sich anzulehnen, wird gefördert, und oft entsteht auf rein sinnlicher, vorsprachlicher Ebene Raum für eine Affektabstimmung, wie sie in der ganz frühen Mutter-Kind-Beziehung erlebt wird. Die entwicklungspsychologisch bedeutsame Erfahrung des Getragenwerdens ist gerade in der heutigen Zeit, in der viele Menschen unter hohem Leistungsdruck stehen, heilsam.
Neben der Wahrnehmung und Integration von oft unbewussten, regressiven Wünschen führt der Kontakt zu einem Pferd den Menschen in sein Gleichgewicht. Er fördert schon rein körperlich Aufrichtung und Balance und damit innere Voraussetzungen, um auch aggressiven Bedürfnissen adäquat Ausdruck verleihen zu können: Klare Willensäußerungen, wie Richtungsanweisungen oder räumliche Grenzsetzungen, auf die das Pferd unmittelbar, doch stets ohne Wertung reagiert. Pferde sind Flucht- und Herdentiere. Als Fluchttiere verfügen sie über eine hochdifferenzierte Wahrnehmung und registrieren kleinste Körpersignale, Stimmungsschwankungen, Änderungen im sozialen Gefüge.
Pferde nehmen den Menschen genauso an wie er ist und das völlig Wertfrei. Diese Eigenschaft ist in unserer heutigen Gesellschaft kaum noch zu finden und gerade deshalb eigenen sich Pferde besonders gut für diese Therapie. Neben Pferden werden oft auch Hunde für die Therapie eingesetzt. Was unterscheidet also das Pferd und den Hund in der Therapie? Hunde sind sehr feinfühlig und nehmen die Gefühle in der Therapie mit auf. D.h. ein Patient leidet sichtlich, so wird der Hund die Emotion zeigen und „mitleiden“ sehr anhänglich werden und die Nähe dieses Menschen suchen. Pferde hingegen spiegeln die Gefühle die Sie in den Settings wahrnehmen. D.h. ein trauriger Patient der leidet wird von einem gut ausgebildeten Therapiepferd zur Handlung aufgefordert um aus seiner Trauer zu entkommen (Pferd stupst den Menschen mit der Nase an etc...)
Autor: Karin Dreier
Thema: Psychotherapie mit Pferden
Webseite: http://psychotherapiemitPferden.com
Autorenprofil Karin Dreier:
Psychotherapie mit Pferden (HeilprGes.)
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