Viele haben sich schon vor mehr oder weniger langem eine Sportart ausgesucht, die ihnen gut gefällt.
Meist bedeutet dies, während des Trainings oder der Aktivität eine schöne, anregende, ausgleichende und insgesamt zufriedenstellende Zeit zu erleben. Doch in manchen Fällen, und zwar nicht nur im Wettkampfgeschehen, können Leistungsdruck und Ängste die Freude daran vermindern oder sogar zerstören. Was geschieht hier? Warum lässt man es geschehen? Und was kann man dagegen tun?
Die Gründe, sich sportlich zu engagieren, sind vielfältig
Zunächst hat der Sport gesellschaftlich ein sehr gutes Image und gilt meist unhinterfragt als gesund bzw. gesundheitsfördernd. Diese Eigenschaft wird automatisch auf die sportliche Person übertragen. Auch werden viele der Leserinnen und Leser die soziale Anerkennung kennen, die man bekommt, wenn man seine Trainingsabsichten bekannt gibt.
Welche Vorteile bietet der Sport außerdem?
Durch die regelmäßige Belastung werden Muskeln entwickelt und formen sich. Der ganze Körperbau ebenso wie die Körperhaltung passen sich mit der Zeit der gewählten Sportart an. Auch die Kondition verbessert sich, so dass man sowohl im Sport als auch im Alltag leistungsfähiger wird. Der Sprint dem schon wartenden Bus hinterher fällt ebenso leichter wie das Schleppen einer vollen Wasserkiste. Die Fähigkeit zu koordinierten Bewegungen wächst ebenso wie die Körperwahrnehmung im Großen und im Feinen. Für den Alltag kann das bedeuten, dass die Bewegungen allgemein eleganter und geschickter werden. Die Schritte werden leichter und man wirft seltener ein Glas um. Und wenn, kann man es gleich wieder auffangen.
Der Sport lehrt Disziplin. Dies beginnt bei der Tagesplanung, um dem Training Zeit einzuräumen, die Ernährung und das Trinken darauf abzustimmen, die Kleidung oder Ausrüstung bereit zu halten und setzt sich fort, wenn man gemütliche Situationen oder das noch unfertige Projekt auf der Arbeit unterbrechen muss, um zur Sportstätte zu gehen.
Auch ist der Sport in der Regel mit einer mehr oder weniger großen Anstrengung verbunden. Es erfordert Disziplin, sich immer wieder aufzuraffen und die Bequemlichkeit zu überwinden, um zu beginnen und um die Leistung durchzuhalten. Belohnung mit verbesserter Stimmung bekommt man teilweise schon während der Trainingseinheit, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit danach unter der heißen Dusche oder zufrieden-müde auf dem Sofa.
Ich denke an das Schwärmen der Langläufer:in, die dabei ihren Kopf frei bekommt oder an Sportarten, die eine extrem hohe Konzentration für den Moment verlangen – ich denke hier an Reiten, Kampfkünste, Mannschafts-Ballsportarten oder ähnliches – und die einen damit sofort aus dem Alltag und seiner Stimmung herausholen.
Soviel Gutes. Warum dann Probleme?
Sport kann, wenn man an seinen eigenen Vorsätzen und Ansprüchen scheitert oder glaubt, zu scheitern, durchaus auch zu Unzufriedenheit führen. In diesem Fall hilft eine Abwägung dessen, was und warum man es erreichen will und welche Gründe einen davon abhalten.
In diesem Artikel soll es jedoch um ein anderes, starkes Gefühl gehen, das die Freude und den Benefit des Trainings einschränkt, nämlich die Angst.
Es gibt bei Turnieren oder Prüfungen das sogenannte Lampenfieber, eine Nervosität und Spannung, die der besonderen Situation geschuldet ist. Man möchte besonders gut sein und sich oder anderen dies zeigen. Bleibt die Nervosität im Rahmen, kann sie durchaus helfen, durch besondere Aufmerksamkeit besondere Leistungen abrufen zu können.
Wenn Angst lähmt
Manche Menschen erleben es jedoch, dass sie in ihrer (geliebten) Sportart plötzlich blockiert sind. Sie möchten eine Bewegung ausführen, auf das Tor schießen oder den Pfeil vom Bogen schnellen lassen und können es nicht, bzw. führen es aus, erreichen aber nicht das Niveau, das sie eigentlich beherrschen. Die Ursache dafür liegt häufig in der Angst, zu versagen.
Was geschieht hier?
Es sind bestimmte Typen von Sportler:innen, die am häufigsten davon betroffen sind:
Logischerweise kennen viele Wettkampfsportler:innen die Situation, wenn es im Wettkampf weniger um die momentane subjektive Leistung und die Harmonie in der Leistung geht, sondern um ein schlichtes Gewinnen oder Verlieren. In dieser Situation sein Können abzurufen, ist mehr eine mentale denn einer körperlich-sportliche Leistung. Wenn durch ein Versagen nicht nur die Sportler:in selber, sondern eine ganze Mannschaft betroffen ist, trägt dies zur Steigerung der Angst und damit der Hemmung bei.
Betroffen können auch sehr ehrgeizige Menschen sein, die ein hohes Niveau erreichen wollen und sich selber kaum Zeit zum Lernen oder für Fehler zugestehen. Bei ihnen spielt es keine Rolle, ob es sich um Einzel- oder Teamsportarten, im Wettkampf oder zuhause handelt. Die Gegnerin ist die eigene Leistungsfähigkeit oder eben die gefühlte Unfähigkeit, an der man zu scheitern meint.
Angst ist auch zu beobachten bei Sportler:innen mit nur kleinem Selbstvertrauen, unabhängig davon, wie gut sie tatsächlich sind. Die Annahme, dass man es „sowieso“ nicht kann, hält oft davon ab, es einfach zu tun. Die Angst vor Ungeschicktheit, Versagen, Sturz oder Verletzung kann sehr groß sein und ein einfaches Ausprobieren und Machen unterbinden.
Der Unterschied, ob die Person, die Angst erlebt, gegen sich selber, die Trainer:in oder gegen die andere Mannschaft gewinnen will, ist nach meiner Beobachtung gar nicht so groß.
Warum lassen wir es geschehen?
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Der spielerische Ansatz, sich eine Sportart anzueignen, geht oft durch Einflüsse sowohl von außen wie Trainingspläne oder Wettkämpfe als auch von innen durch die verinnerlichten Werte von „schneller, höher, weiter“ verloren.
Was können wir tun, damit uns die Angst im Sport nicht lähmt?
Im ersten Moment ist es hilfreich, aus der lähmenden Situation herauszugehen. Das ist relativ einfach umzusetzen, wenn man im Einzeltraining ist. Manchmal ist es nötig, die Bewegung abzubrechen und einen realen Schritt neben sich zu treten. Dann hilft eine Bestandsaufnahme, was man gerade tut und welche körperlichen Prozesse auftreten, die über den Sport hinausgehen wie Herzrasen, Zittern o.ä.. Im nächsten Schritt gilt es die Psyche zu erfassen, Unkonzentriertheit oder Gefühle wie Furcht. Schwierig, aber doch so wichtig ist dabei, seine Hemmnisse nicht zu verurteilen, sondern wertfrei wahrzunehmen.
Die nächste Frage kann sein, was man ändern muss, um sich wohler zu fühlen. Vielleicht sind Rahmenbedingungen nicht optimal. Hat man zu wenig gegessen und unterzuckert der Körper? Hat man Zuschauer:innen, die einen verunsichern?
Dann stellt sich die Frage, ob die Anforderungen, die man an sich stellt, angemessen sind. Vielleicht hat man Profi-Bilder im Kopf, trainiert selber aber nur ein- oder zweimal pro Woche. Ein „Versagen“ gegenüber den Bildern ist dann vorprogrammiert.
Die Frage, für wen und wie gut man sein will, klärt den eigenen Leistungsanspruch. Ein Erinnern daran, dass man sich mit Geduld, Großzügigkeit und Ausdauer besser entfaltet, hilft oft in diesen Fällen der Angst vor dem Versagen am eigenen Anspruch.
Ein Szenario, das häufig bei Sportler:innen auftritt, die früher ein hohes Leistungsniveau gehabt hatten, aber durch Unfall, Arbeit, Familie etc. für längere Zeit pausieren mussten und die mit fortgeschrittenem Alter, also vielleicht auch nicht mehr ganz so belastbar, wieder einsteigen, sieht wie folgt aus: Das Bild und Gefühl des früheren Könnens ist noch aktuell, aber die Umsetzung der neuen Anforderungen funktioniert viel mühsamer und un-eleganter. Hier gilt es, auftretende Unsicherheiten und Ängste zu nutzen, um körperliche Grenzen bereits vor einer Verletzung anzuerkennen und darüber hinaus eine positive Wahrnehmung und Wertschätzung seines (beschränkten) Tuns zu schulen.
Dies gilt generell auch für Team-Sport, wobei hier die Kommunikation mit der Gruppe entscheidend ist.
Panik im Wettkampf
Der Schütze steht vor dem Elfmeter, die Volleyballerin kann mit dem richtigen Schmetterschlag den entscheidenden Punkt machen, die Kür des Turners beginnt in einer halben Minute . Dies sind alles (kurze) Momente, in denen die Ratschläge des vorigen Abschnitts definitiv nicht praktikabel sind. Was kann die Sportler:in also im Moment der höchsten Belastung tun?
Manchen hilft es, in genau diesem Moment die innere Wahrnehmung auf die Erkenntnis „ich habe gerade Panik, ich atme ganz normal weiter und dann führe ich aus“ zu fokussieren.
Manchen hilft, sich an ihre Erdung zu erinnern. Den Boden unter den Füßen, den Glücksstein in der Hosentasche oder die aufgemalte Zeichnung am Handgelenk für einen Moment wahrzunehmen, um damit die Angstlähmung zu unterbrechen.
Manchen hilft es auch, in diesem Moment eine innere Gleichgültigkeit einziehen zu lassen nach dem Motto „mehr als daneben werde ich nicht schießen oder stürzen oder den Ablauf vergessen..“. Dies nimmt den Druck und man wird wieder handlungsfähig.
Treten die lähmenden Ängste regelmäßig auf oder verstärken sich noch durch die Angst vor der Angst, ist ein Coaching oder eine Therapie hilfreich. Die Grundmotivation ist zu klären, ob die Freude am Sport groß genug ist, um die negativen Gefühle zu kompensieren. Vielleicht ist eine tiefere Leistungsklasse besser geeignet, weil es dort einfach wieder Spaß macht. Allerdings muss an dieser Stelle die ehrliche Diskussion mit dem eigenen Ehrgeiz geführt, die Vor- und Nachteile des hohen Leistungsanspruchs geklärt werden. Konkret können Konfrontationsübungen entlasten, indem die angst-erzeugende Situation mental oder im Training solange reproduziert und mit einer zufriedenstellenden Lösung versehen wird, bis sie ihren Schrecken verliert. Die Methode der radikalen Akzeptanz, die ursprünglich aus der Trauma-Verarbeitung stammt, hilft in Momenten, die überfordern, sich aber für den Augenblick nicht ändern lassen. Dies kann und muss in entspannten Zeiten erklärt und geübt werden, damit sie in der Krise abrufbar sind. Es gilt zu klären, dass Angst kein Zeichen eines Versagens ist, sondern dass der Körper/der Geist hier eine Warnung ausspricht und quasi auffordert, die kritische Situation genau zu beleuchten.
In den meisten Fällen lassen sich Angstattacken im Sport lösen, sei es durch intensives mentales Training, durch mehr Güte und Großzügigkeit sich selber gegenüber oder durch eine Anpassung des Niveaus oder der Disziplin dorthin, wo man seine Freude an der Bewegung wieder finden kann. Der geistige Weg ist in jedem Fall spannend, fordernd und letztendlich (be)lohnend.
Autor: Viola Buggle, Diplom-Biologin - Heilpraktikerin
Thema: Angst und Angstbewältigung im Sport
Webseite: https://viola-buggle.agtcm-therapeut.de
Autorenprofil Viola Buggle:
Diplom-Biologin Viola Buggle, Heilpraktikerin, Schwerpunkt Traditionelle Chinesische Medizin und Bewegungslehre, 64319 Pfungstadt. Viola Buggle hat als Jugendliche ihre freie Zeit in einem Verkaufs- und Zuchtstall mit der Ausbildung und Turniervorstellung von Pferden verbracht. Mit Anfang 20 begann sie mit einem intensiven Training von mehreren traditionellen Kampfkünsten (Taekwondo, Escreema, Wing Tsun, Selbstverteidigung, Hapkido), in denen sie verschiedene hohe Grade erreichte. Durch Arbeit, Alter und Rückenverletzungen ist sie inzwischen zufrieden auf ihrem Weg der Heilerin und zum Tai Chi angekommen.
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