Krisenintervention am Arbeitsplatz

Krisen sind wie nie zuvor ein allzu häufiger Bestandteil unseres Alltags. Zuwanderung, Naturkatastrophen, Armut, Kriege und Konflikte, die unsere scheinbar fragiler gewordene Welt belasten, sind nicht nur ferne Botschaften aus den Abendnachrichten; sie dringen sichtbar in unser Leben ein – auch in unsere Arbeitswelt.

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Firmen wappnen sich so gut sie es können mit Compliance Maßnahmen, Risiko-Management und immer besser ausgebildeten Personalabteilungen. Dennoch sind die Folgen der turbulenten Marktwirtschaft sichtbar: psychische Probleme am Arbeitsplatz, vor allem Depressionen, Suchterkrankungen und Burnout, nehmen deutlich zu.

Wie eine Firma diese Probleme bekämpft, spielt nicht nur für ihren wirtschaftlichen Erfolg eine entscheidende Rolle, sondern vor allem für die betroffenen Mitarbeiter. In Zuge der rasanten marktwirtschaftlichen Entwicklungen der letzten 50 Jahre ist der Mensch ins Hintertreffen geraten. Die sicheren Stellen der 50er, 60er und sogar 70er Jahre sind nicht mehr vorhanden, Personal“turnover“, „Umstrukturierungen“ und durch Übernahmen verursachte Massenentlassungen sind ein ständiges Damoklesschwert über der Mehrzahl der Mitarbeiterköpfe, und die Lage der Europäischen Union verspricht keine kurzfristigen Besserungen.

Dass das im Firmenklima seine Spuren hinterlässt, ist unvermeidbar. Längere Stunden beim Arbeitsplatz werden verlangt, Multitasking gehört zum Alltag, und der Mitarbeiter muss ständig erreichbar sein – auch oft in seiner Freizeit. Um damit einigermaßen mithalten zu können, greifen Arbeitnehmer jetzt zunehmend nach Medikamenten: laut einer DAK-Studie werden Mittel wie Ritalin – normalerweise zur Bekämpfung von ADHS eingesetzt – und Betablocker oft zur Behandlung von Konzentrationsminderung, Nervosität, Bluthochdruck und Stress eingenommen. Aber psychische Probleme verursachen laut Berufsverband Deutscher Psychologen trotzdem 10,5% alle Krankheitstage. Irgendwann sagt der Körper „Stopp!“ - und dann kann tatsächlich eine Krise entstehen.

Was ist eine Krise? Nach Dr. Eva Diebel-Braune ist es „ein Zustand der Überforderung des psychischen Apparates in seinen adaptiven und integrativen Funktionen - psychoanalytisch gesprochen: eine Überforderung des Ich.“ Je nach Krise nimmt diese Überforderung unterschiedliche Gestalt an. Der ICD-10, International Classification of Diseases, schildert die folgenden Möglichkeiten:

• F43.0 – Akute Belastungsreaktion bei psychisch nicht manifest gestörten Menschen, die im allgemeinen nach Stunden oder Tagen abklingt.

• F43.2 – Anpassungsstörung nach einschneidenden Lebensereignissen und Veränderungen (z.B. Emigration, Trennung, Todesfall, Verlust des Arbeitplatzes.

• F43.8 – Sonstige Reaktionen auf schwere Belastung.

• F43.9 – Reaktionen auf schwere Belastung, nicht näher bezeichnet.

Bei Burnout können Stimmungsschwankungen, Gefühle des Versagens, Gleichgültigkeit, Konzentrationsstörungen und Widerstand gegen Veränderungen vorherrschen. Bei Depression, je nach Typus und Schweregrad, kommen Interessenlosigkeit, konstant bleibende gedrückte Stimmung, vermindertes Selbstwertgefühl und ausgeprägte Müdigkeit zum Vorschein.

Kriseninterventionsforscher unterscheiden hingegen einerseits zwischen einer traumatischen oder situativen Krise (Cullberg), die meistens durch einen abrupten Beginn gekennzeichnet ist, und andererseits einer Lebensveränderungs- oder Entwicklungskrise, die über Wochen, Monate oder Jahre zustande kommen kann. Eine traumatische Krise kann durch Schicksalsschläge ausgelöst werden, wie z.B. Tod, Arbeitsplatzverlust, Krankheit. Eine Lebensveränderungskrise entsteht normalerweise nach Ereignissen wie Trennung, Wohnortswechsel und Arbeitslosigkeit. In Situationen, wo Krisen durch Lebensveränderungen zum Vorschein kommen, verschlechtert sich die Symptomatik, bis eine Krise daraus resultiert. Oft haben die Betroffenen versucht, ihre Probleme aus eigener Kraft und durch bestehende Ressourcen zu bewältigen, geraten aber dennoch in Schwierigkeiten – die oben genannten medikamentösen „Lösungen“ am Arbeitsplatz sind nur ein Beispiel davon.

In diesem Sinne repräsentiert eine Lebensveränderungskrise ein Problem, das einfach zu lange ungelöst geblieben ist. Zu dem Zeitpunkt, an dem Krisenintervention betrieben wird, haben sich solche Zustände oft bereits chronifiziert, können dann beispielsweise in Zustände wie Burnout und/oder Depression münden, manchmal sogar mit erhöhtem Suizidrisiko. Jedoch bedeutet das Wort Krise auch „Chance“ - und genau in diese Richtung sollte eine geeignete Krisenintervention gehen. Wichtig dabei ist:

1. Akute Selbst-/Fremdgefährdung schnell einschätzen und gegebenenfalls handeln (Einweisung in Notfallstation), Sicherheit und Halt vermitteln.

2. Das Problem lösungsorientiert analysieren – frühere Lösungsversuche überprüfen – wieso haben sie nicht funktioniert? Könnten sie in der Zukunft funktionieren? Was sind die Auslöser? Das Problem definieren.

3. Einen ressourcenzentrierten Plan erstellen – welche Ressourcen hat der Betroffene? Was hat er früher in schwierigen Sitationen unternommen? Gibt es Freunde oder Angehörige, mit denen er reden könnte? Das Ziel definieren.

4. Krisenintervention/Krisenbearbeitung – Verbalisieren von Gefühlen, Gesprächsführung, mögliche krisenfördernde Glaubenssätze bewältigen, Erarbeitung von gemeinsam definierten Lösungen mit Lösungsstrategien und -techniken. Abschluss – die Ergebnisse zusammenfassen, neue Ressourcen betonen.

Was für Möglichkeiten gibt es in Firmen, wenn entweder der Betroffene selbst Hilfe sucht oder andere Kollegen oder Vorgesetzte Anzeichen einer Krise beobachten? Zum Glück sind viele größere Firmen heutzutage mit Psychologen und Mentoren ausgestattet – die natürlich an die Schweigepflicht gebunden sind; dies stellt oft eine gute Anlaufstelle für Mitarbeiter dar. Viele Manager sind auch mittlerweile in Gesprächsführung und ressourcenorientiertem Management trainiert – dies sollte im Idealfall eine verbesserte Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Managern ermöglichen. Dadurch wird der Mitarbeiter in seiner Lage wahrgenommen und ernst genommen. Und dies ist letzten Endes ein ganz wichtiger Punkt – wenn die Firmenkommunikation gut fließt und Mitarbeiter und deren Vorgesetzte regelmäßigen, qualitativ hochwertigen Kontakt haben, können Krisen schneller erkannt und angemessen bewältigt werden.

Wenn auch das Teamklima durch Transparenz und konstruktive Kommunikation geprägt ist, ist es leichter, mit problematischen Situationen umzugehen. Firmen und Abteilungen, die durch starre, „kalte“ und konfliktreiche Kommunikationsmuster geprägt sind, sind hingegen oft ein fruchtbarer Boden für schwelende Krisen und unterschwellig chronifizierende persönliche Notlagen. Hier gilt es, Mitarbeitern das Gefühl zu vermitteln, dass sie sich als wichtiger Bestandteil der Firma immer auf ein offenes Ohr für ihre Ideen, Anregungen und Probleme verlassen können. Geeignete Mittel hierfür sind regelmäßige Kontaktmöglichkeiten (Jour Fixe, Vier-Augen-Gespräche, Mitarbeitergespräche), konstruktive Kommunikationstechniken (Konfliktmanagement, Aktives Zuhören, Kooperative Kommunikation) und Strategien für Krisensituationen. Firmen, deren Mittel diesbezüglich begrenzt sind, stehen Hilfsorganisationen wie die Samariter, Notfallseelsorge, Deutsches Rotes Kreuz und im schwersten Fall Kriseninterventionsteam (KIT) zur Verfügung.

Je komplexer und globaler gesteuert unsere Arbeitswelten werden desto wichtiger ist es, dass der Mensch mit seinen Bedürfnissen nicht in Vergessenheit gerät. Und falls ein Mitarbeiter tatsächlich durch das Netz fällt, brauchen wir die Wachheit, den Willen und die Kommunikation, mithilfe derer wir ihn schnell wieder auffangen können.

Autor: Orlando Schenk
Thema: Krisenintervention am Arbeitsplatz

Webseite: http://www.voxveritas.de

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