Was macht ein Gespräch gut? Was macht eine Beziehung gut? Dabei spielt es keine so große Rolle, ob es um eine Paarbeziehung geht, um die Beziehung zwischen Kindern und Eltern, unter Nachbarn, unter Arbeitskollegen oder um die mit dem Chef.
Ein Kernpunkt ist die Kommunikation. Und je mehr wir uns an das Gegenüber gebunden fühlen, sei es der Chef, sei es der Lebenspartner, desto mehr trifft es uns, falsch verstanden zu werden. Je mehr Hilflosigkeit und Ohnmacht wir gegenüber dem Partner empfinden, desto mehr verlieren wir an Selbstachtung und werden anfällig gegenüber allen möglichen Krankheiten, weil sich durch die negative Beeinflussung Stresshormone wie beispielsweise Kortisol in unserem Körper ausbreiten. Diese schwächen unser Immunsystem und wir klagen über häufige Erkältungen bis hin zu psychosomatischen Krankheiten wie beispielsweise Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Verdauungsproblemen, Hauterkrankungen und Herzproblemen bis hin zu Krebs.
Bleiben wir bei einem Kernpunkt, bleiben wir bei der Kommunikation. Wie eine Kommunikation geführt wird, lässt viele Rückschlüsse über Respekt oder eben auch über mangelnde Wertschätzung in einer Beziehung zu. Der Einfachheit halber bleibe ich bei der männlichen Form, auch wenn selbstverständlich sowohl der Mann als auch die Frau gemeint sind. Zudem bleibe ich bei meinen Erläuterungen vordergründig in einer Ehe oder Paarbeziehung, auch wenn diese meistens auch auf geschäftliche, nachbarschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen ausgedehnt werden können.
„Man kann nicht nicht kommunizieren“, sagt Paul Watzlawik.
Damit meint er, dass nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch die Körperhaltung, das Nonverbale, eine entscheidende Rolle spielt.
Lesen Sie doch einmal folgenden Satz laut vor: „Mein lieber Freund!“ In welcher Stimmung sind Sie gerade? Merken Sie, dass die Aussage des Satzes so oder so verstanden werden kann? Sind Sie gerade gutmütig und gutgelaunt, bedeutet der Satz etwas Liebevolles. Ärgern Sie sich gerade oder wollen sarkastisch sein, gewinnt dieser Satz eine ganz andere Bedeutung. Was glauben Sie, ist der prozentuale Anteil zwischen Inhalt, Körpersprache und Intonation, also der Sprachmelodie?
Es ist nur 7 Prozent Inhalt, der beim Gegenüber hängenbleibt, 38 Prozent ist die Intonation und 55 % Körpersprache. Wenn Sie breitbeinig mit aufgestellten Armen in den Hüften vor Ihrem Gegenüber stehen, vielleicht noch mit erhobenem Zeigefinger, weiß er genau, was Sie ausdrücken wollen, auch wenn Sie noch so freundlich „mein lieber Freund“ säuseln.
Zudem ist es wichtig, seine Wertschätzung dem Gegenüber auszudrücken, indem Sie sich Gedanken darüber machen, auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt Sie mit Ihrem Partner sprechen. Meinen Sie, Sie kommen weit, wenn Ihr Partner gerade das Fußball-WM-Endspiel schaut und Sie mit wichtigen Themen ankommen und die Meinung Ihres Partners dazu hören wollen?
Warum stellen Sie keine Frage, anstatt mit der Tür ins Haus zu fallen? Möchten Sie gestört werden, wenn Sie gerade ein Buch lesen oder mit Ihrer Freundin telefonieren? Können Sie nicht einfach sagen: „Du, ich habe etwas Wichtiges mit Dir zu besprechen. Wann passt es Dir?“
Halten wir fest:
Erster Punkt: Zeitpunkt
Wie fühlen Sie sich, wenn Ihr Partner mit dem Rücken zu Ihnen steht und bügelt, während Sie etwas zu ihm sagen? Wie viel schöner wäre es, wenn er Sie dabei anschaut? Oder wie fühlen Sie sich, wenn er beim gemeinsamen Essen telefoniert?
Zweiter Punkt: Geben Sie Zuwendung, wenden Sie sich dem anderen zu, schenken Sie sich einen Augenblick, also schauen Sie sich an, wenn Sie miteinander sprechen.
Wie finden Sie es, mit „Mauskes“ oder „Schatzi“ betitelt zu werden? Wenn einem Gespräch eine liebevolle Anrede vorausgeht, ein Lächeln und eine sanfte Stimme?
Dritter Punkt: Anrede mit dem Kosenamen
Was macht es mit Ihnen, wenn Ihr Partner sich selbst erhöht und Sie niedermacht? Oder wenn er guten Freunden Ehegeheimnisse bekannt gibt und Sie herunterzieht?
Vierter Punkt: Gespräch auf Augenhöhe, kein Herunterziehen oder Schlechtmachen, erst recht nicht vor Dritten.
Was ist, wenn er ausfallend wird? Ist da ein Gespräch überhaupt noch möglich oder gehen Sie in den Widerstand und beißen zurück? Schaukelt sich da etwas hoch? Wenn Sie feststellen, dass die Situation eskaliert, bitten Sie um eine Unterbrechung mit einem definierten Zeitpunkt, wann das Gespräch wieder fortgesetzt werden soll.
Fünfter Punkt: Beleidigungen sind ein No-go! Falls doch, brechen Sie das Gespräch sofort ab und vereinbaren Sie einen Zeitpunkt, wenn sich die Gemüter wieder abgekühlt haben.
Lassen Sie Ihr Gegenüber ausreden? Fallen Sie ihm ins Wort? Wie fühlt sich das für Sie an, wenn Sie ständig unterbrochen werden? Lassen Sie Ihrem Partner die Möglichkeit der Nachfrage. Überschütten Sie ihn nicht mit Informationen, denken Sie daran, nur 7 Prozent vom Inhalt bleiben im Gedächtnis. Lassen Sie ihn Ihr Gesagtes mit seinen Worten zusammenfassen. Dies könnte so aussehen: „Habe ich dich richtig verstanden, meintest du …“
Sechster Punkt: Lassen Sie sich ausreden! Und: Führen Sie keine Monologe!
Fragen Sie Ihren Partner, was er will, was Sie tun sollen. Manchmal will er keine Lösung seines Problems, sondern einfach nur darüber reden und Ballast abwerfen. Seien Sie vorsichtig mit gut gemeinten Ratschlägen, sie werden nicht immer gewünscht. Oft reicht es schon zu signalisieren: „Ja, das hätte mich auch sauer gemacht“.
Siebter Punkt: Signalisieren Sie Verständnis und Mitgefühl.
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie eine Verabredung mit einem zweiten Paar haben und sich auf ein Treffen zu viert freuen und Ihr Partner Ihnen fünf Minuten vorher kundtut, dass er lieber ein Schaumbad nehmen möchte und Sie alleine losziehen sollen?
Achter Punkt: Verlässlichkeit. Stehen Sie zu dem, was Sie zusagen, sonst sagen Sie nicht zu! und gleich dazu
neunter Punkt: Achten Sie darauf, dass die Bedürfnisse des Partners ausgewogen gewertschätzt werden und nicht immer nur Ihre eigenen Wünsche im Vordergrund stehen.
Was sind Meinungsverschiedenheiten für Sie? Ein Streit, ein Machtkampf? Schreien Sie gleich los oder verlassen Sie gekränkt den Raum und gehen jedem weiteren Gespräch aus dem Weg? Eine Meinungsverschiedenheit ist erst einmal nichts anderes als eine verschiedene Meinung, eine unterschiedliche Sicht auf etwas. Im besten Fall erweitert dies Ihren eigenen Horizont. Manchmal wird aus einem Schwarz und einem Weiß ein Kompromiss, ein Grau, manchmal muss man unterschiedliche Sichtweisen einfach im Raum stehen lassen. Da gilt es abzuwägen, wie wichtig etwas gerade für die Beziehung ist.
Eine Beziehung ist das, was Sie als Paar verbindet, aber jeder ist nach wie vor ein Individuum mit eigenen Sichtweisen und eigener Persönlichkeit. Die Beziehung ist sozusagen das Tüpfelchen auf dem „I“. Ein älteres Ehepaar sagte einmal: „Wir sind lieber zu zweit glücklich als allein und immer Recht zu haben.“ Also: Inwieweit lassen sich Kompromisse finden? Und inwieweit betrifft es die Beziehung oder doch nur den Einzelnen? Eine Erd- oder Feuerbestattung ist ein individueller Wunsch, jeder kann so denken, wie er es für richtig hält. Dies hat nichts mit einer gemeinsamen Schnittmenge, sprich mit der Beziehung zu tun.
Zehnter Punkt: Signalisieren Sie Verständnis für die Sichtweise des anderen und wägen Sie ab, was die gemeinsame Beziehung betrifft und was für jeden allein gilt.
Und daraus ergibt sich gleich
elfter Punkt: Respekt bedeutet nicht, das Verhalten des anderen gutzuheißen! Man kann durchaus unterschiedlicher Ansicht sein. Respekt bedeutet, die Meinung des anderen als dessen Meinung anzuerkennen, ohne zwangsläufig derselben Ansicht zu sein.
Lassen Sie den anderen leben, ohne eifersüchtig zu sein, ohne zu kontrollieren. Jemand, der immer zu Ihnen auf freiwilliger Basis zurückkommt, ist jemand, der Sie liebt. Wenn Sie dem anderen gar drohen, nur damit er bei Ihnen bleibt, ist das keine gute Voraussetzung für ein Zusammenleben.
Zwölfter Punkt: keine Eifersucht, sondern Vertrauen!
Wie ehrlich können Sie sein? Wie viel Vertrauen haben Sie in Ihre Beziehung? Können Sie sich Dinge sagen, ohne dass Sie befürchten müssen, niedergemacht zu werden, dass Geheimnisse ausgeplaudert werden oder dass Sie dies in hundert Jahren noch aufs Brot geschmiert kriegen?
Dreizehnter Punkt: Ehrlichkeit, Vertrauen
und gleich
vierzehnter Punkt: keine Verallgemeinerungen wie immer, nie, du bist wie …
Können Sie sich und dem anderen Fehler eingestehen, sagen, dass Sie etwas verbockt haben und sich dafür bei dem anderen entschuldigen, ohne dafür Repressalien zu fürchten? Können Sie verzeihen ohne hämische Kommentare wie „Siehste wohl, hab ich doch gleich gesagt!“? Wie machen Sie das mit Ihrem Kind, wenn es Bockmist gemacht hat? Lassen Sie es abends wieder im Kinderzimmer schlafen oder unter der Brücke? Stellen Sie gleich die ganze Person infrage oder nur das Verhalten?
Fünfzehnter Punkt: Entschuldigen Sie sich! Verzeihen Sie!
Wie sieht Ihr Benehmen aus? Welche Kinderstube hatten Sie? Benehmen Sie sich unflätig in Bezug auf Geräusche, Wortwahl und Gerüche? Wie kleiden Sie sich? Wie pflegen Sie sich? Und: Lassen Sie hinter sich alles stehen und liegen, oder unterstützen Sie Ihren Partner?
Sechzehnter Punkt: Achtsamkeit: Benehmen, Hygiene, Ordnung
Sagen Sie Ihrem Schatz, dass Sie ihn lieben? Loben Sie ihn, wenn er Ihnen gut tut? Fünfmal am Tag mehr loben als tadeln, das wäre doch eine gute Ausgewogenheit, oder?
Denken Sie doch einmal an „Dornröschen“! Der König lud zur Feier der Geburt seiner Tochter Dornröschen dreizehn Feen ein, von denen er eine wieder auslud, weil er nicht genug goldenes Geschirr hatte. Als nun bei der Feier jede Fee einen Segenswunsch für das Kind aussprach, tauchte die dreizehnte Fee unverhofft auf und schleuderte Dornröschen einen Fluch entgegen, bevor die zwölfte und letzte Fee ihren Segen geben konnte. Der Fluch sah so aus, dass Dornröschen sich an ihrem fünfzehnten Geburtstag an einer Spindel stechen und danach tot umfallen solle. Ein gesprochenes Wort ist wie ein Fluch, man kann es nicht rückgängig machen. Man kann es nur abmildern. Und so sprach die zwölfte Fee einen Segenswunsch, nämlich dass Dornröschen in einen hundertjährigen Schlaf fallen solle anstatt zu sterben.
Siebzehnter Punkt: Seien Sie vorsichtig mit bösen Worten, es bleibt immer etwas hängen und zerstört die Beziehung Stück für Stück, bis irgendwann ein böses Wort zu viel ausgesprochen wurde.
Sagen Sie, was Sie denken und was Sie fühlen. Sagen Sie, was Sie sich wünschen, wie etwas sein soll. Seien Sie dabei achtsam und liebevoll und hören Sie gut zu, was Ihr Gegenüber darüber denkt.
Achtzehnter Punkt: Achten Sie auf Ihre Wortwahl und Höflichkeit, seien Sie respektvoll und wertschätzend!
All dies ist die Grundlage für eine respektvolle Beziehung.
Gehen wir noch einmal tiefer in die Kommunikation. Kennen Sie das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun?
Dieses basiert auf der Art und Weise, wie der Sender bzw. der Empfänger eine Nachricht mitteilt bzw. aufnimmt. Dies geschieht leider nicht immer auf dieselbe Weise und kann daher zu riesigen Missverständnissen führen.
Nehmen wir zur Vereinfachung einmal Ernie und Bert auf dem Sofa. Sie sitzen abends vor dem Fernseher und futtern zusammen eine Tüte Chips.
Ernie sagt: „Das Bier ist alle.“
Was antwortet wohl Bert?
„Oh! Das Bier ist alle.“
„Wieso muss ich in den Keller und Bier hochholen?“
„Kannst Du nicht mal vernünftig mitdenken?“
„Ich schreibe mir immer einen Einkaufszettel.“
Das Vier-Ohren-Modell basiert auf vier unterschiedlichen Möglichkeiten, eine Nachricht zu vermitteln bzw. aufzunehmen.
Im ersten Fall nimmt Bert Ernies Information sachlich auf. Es ist eine Feststellung, eine Information, sonst nichts.
Im zweiten Fall empfindet er die Information als Appell und fühlt sich berufen, in den Keller zu gehen. Er interpretiert, dass Ernie etwas von ihm will.
Im dritten Fall geht er auf die Beziehungsebene und macht einen Vorwurf. Es zeigt, wie Ernie zu Bert steht. Auf dieser Ebene kann sich Bert verachtet oder kritisiert fühlen, aber auch respektiert und wertgeschätzt, je nachdem, wie Ernie sich ausdrückt.
Und im vierten Fall macht Ernie eine so genannte Selbstkundgabe, d. h. er berichtet von sich, er gibt etwas von sich preis.
Wie Ernie seinen Satz „Das Bier ist alle.“ gemeint hat, lässt sich nur durch Nachfragen herausfinden, nicht durch Interpretationen. Klar, manchmal hört man am Tonfall und erkennt an der Gestik, was Ernie sagen wollte, aber Bert kann die Stimmung des ganzen Abends kaputt machen, wenn er Ernie falsch interpretiert. Daher ist es allemal besser, man macht sich bewusst, dass es eben vier verschiedene Ebenen gibt, auf denen Nachrichten gesagt und verstanden werden können und diese nicht unbedingt identisch sind. So könnte Ernie versöhnlich sagen: „Hey, das ist eine sachliche Aussage, trinken wir eben Wein.“ Und der Abend wäre gerettet, sollte Bert über genau diese Kenntnisse auch verfügen.
Es hat etwas mit Respekt zu tun, sich in den anderen hineindenken und hineinfühlen zu wollen, seinen Standpunkt verstehen zu wollen.
Noch etwas anderes:
Kennen Sie die Situation, dass Sie einen Termin haben, zu dem Sie unbedingt pünktlich erscheinen wollen und Sie Ihren Schatz mitnehmen möchten? Nehmen wir einmal an, Sie verabreden sich um 09.30 Uhr am Morgen und schicken im Vorfeld eine Whatsapp, dass Sie in zehn Minuten da sein werden, um ihn abzuholen. Sie erwarten, dass Ihr Partner gestiefelt und gespornt am vereinbarten Treffpunkt auf Sie wartet, damit Sie zusammen Ihren Termin einhalten können. Aber als Sie dort ankommen, ist Ihr Partner nicht fertig, im Gegenteil, er sitzt noch gemütlich kauend am Frühstückstisch, der Kaffeebecher ist voll bis zum Rand und ein schnelles Weiterfahren ist nicht in Sicht. Merken Sie etwas? Sie haben unterschiedliche Werte, in diesem Falle die unterschiedliche Sicht auf die Pünktlichkeit. Gehen Sie einmal in sich und stellen Ihre sechs wichtigsten Werte fest, jeder für sich. Sind sie identisch oder wenigstens kompatibel? Was ist, wenn Ihr wichtigster Wert immerzu angekratzt wird? Früher oder später wird es zu einem großen Knall kommen. Respekt bedeutet, die Werte des anderen zu akzeptieren und zu schätzen. Entscheiden Sie, ob ein Zusammenleben mit unterschiedlichen Wertvorstellungen möglich ist oder wie viel Kompromissbereitschaft tragbar ist. Werden die wichtigsten Werte dauerhaft mit Füßen getreten, wird Ihr Zusammenleben unter keinem guten Stern stehen.
Auch die Glaubenssätze, die jeder als Kind mit auf den Lebensweg bekommen haben, spielen eine große Rolle. Die Älteren unter uns kennen wahrscheinlich den Satz „So lange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, hast du dich nach mir zu richten!“ nur zu gut, die Jüngeren hoffentlich nicht mehr! Dafür gibt es andere Sätze, die unser Denken und Fühlen geprägt haben, so wie beispielsweise „Du kannst das ja sowieso nicht“ oder andere. Leider stecken solche Aussprüche sehr tief in uns und es bedarf eines Bewusstmachens dieser Sätze und einer positiven Formulierung, die wir uns immer wieder laut zu Gemüte führen müssen, damit sie ihre Wirkung verlieren. Denken Sie an das Dornröschen, wie ich weiter oben beschrieben habe. Dies alles spielt eine große Rolle in der Kommunikation, denn daraus resultiert Antreiberverhalten wie beispielsweise das Erbringenwollen von übertriebener Leistung oder großem Misstrauen gegenüber anderen Menschen oder everybody‘s Darling sein zu wollen.
All diese Dinge sind nur die Spitze des Eisberges. Ein Leben in Toleranz und Wertschätzung, in Respekt und Achtsamkeit zu leben, bedarf Arbeit. Man bedarf einer großen Bereitschaft, sich und den anderen zu reflektieren.
Was ist aber mit respektlosen Beziehungen? Manche Menschen schaffen es, den anderen einzulullen und zu umgarnen, bis sie ihn in den Fingern haben, um dann den anderen wie einen Vampir auszusaugen. Dies sind so genannte toxische Beziehungen, giftige Beziehungen, die den anderen ausbeuten, um eigene Vorteile zu genießen.
Diese Beziehungen fangen gut an, Sie haben das Gefühl, dass Sie Ihren Partner lieben, und dieser behauptet dies von sich auch. Doch irgendwann fängt er an zu sticheln, erst mit kleinen Worten, doch dann steigern sich diese bis zu Demütigungen und Schuldzuweisungen. Dies hat zur Folge, dass Sie sich immer kleiner fühlen und alles tun, was Ihr Partner von Ihnen verlangt. Oft halten Sie daran fest, dass Sie Ihren Partner lieben, obwohl Sie immer unglücklicher werden, weil Sie die Schuld bei sich suchen und nicht bei dem, wo sie hingehört.
Irgendwann wird aus unflätigen Äußerungen, die mal so leichthin in einem Streit gesagt werden, Gewohnheit. Irgendwann werden diese unflätigen Äußerungen Beleidigungen, die nur eins zum Ziel haben: Ihren Selbstwert zu zerstören und Sie gefügig zu machen, damit Sie die Wünsche Ihres Partner erfüllen und vor allem, von ihm noch mehr abhängig werden.
Die nächste Steigerung könnte sogar ein Angriff auf körperlicher Ebene sein. Zuerst erhebt Ihr Partner nur die Hand, um Sie einzuschüchtern. Irgendwann packt er Sie am Arm oder erteilt Ihnen einen leichten Schlag. In der nächsten Stufe wird der Schlag härter, vielleicht werden Sie auch gewürgt oder geohrfeigt. Alles in allem sollen Sie zur Überzeugung gelangen, dass Sie dies alles verdienen.
Eine weitere Stufe ist, dass der Partner beginnt, Sie von Ihrer Familie oder Freunden zu isolieren. Somit können Sie von ihnen auch keine Hilfe erwarten, weil niemand Kenntnis über Ihre Situation hat. Ziel des Partners ist es, dass er oder sie nach und nach die ganze Kontrolle über Sie erlangt. Da Sie Ihrem Partner nichts entgegenzusetzen haben, wird er oder sie Sie launisch behandeln, extreme Stimmungsschwankungen sind an der Tagesordnung. Er kann freundlich, romantisch oder gut gelaunt sein und dies kann binnen Sekunden in das ganze Gegenteil umschlagen. Er wird Sie beschuldigen, irgendwelche Fehler gemacht zu haben, er wird Sie anschreien oder wie ein kleines Kind behandeln, weil Sie ihm nichts entgegensetzen können. Falls Sie es doch tun, wird er oder sie Sie klein machen, sodass Sie es nicht mehr wagen, Widerworte oder Richtigstellungen zu kommunizieren.
Es wird Schuldzuweisungen hageln, Vorwürfe für alles, was im Leben Ihres Partners schief läuft, für alles werden Sie zur Verantwortung gezogen. Irgendwann hat er Sie so weit, dass Sie komplett an sich selbst zweifeln und daher das Verhalten Ihres Partners entschuldigen werden. Dabei werden diese Gefühlsausbrüche immer unter vier Augen stattfinden, niemals vor anderen. Ihr Partner ist berechnend und achtsam, wenn es darum geht, seine oder ihre Vorteile zu nutzen.
Ich gebe ein Beispiel für eine toxische Beziehung, in der sich beide Partner auf giftige Weise hochschaukeln: Ein junges Ehepaar hat zwei Kleinkinder und der Mann geht fremd. Die Frau weiß das und ist tief verletzt. Sie hat ein schwaches Selbstwertgefühl, sucht die Schuld bei sich, indem sie sich einredet, dass sie ja einige Kilo zugenommen hat und daher nicht mehr so attraktiv für ihren Mann ist. Sie sucht die Schuld bei sich und nicht bei ihrem Mann. Sie wagt nicht, ihren Mann darauf anzusprechen, weil sie die Auseinandersetzung befürchtet und zudem sehr große Angst hat, dass die Beziehung und damit die Familie zerstört wird, obwohl sie es ja bereits schon ist.
Die Ursache für das schlechte Selbstwertgefühl der Frau könnte in den Glaubenssätzen liegen, die sie als Kind gehört hat. „Jeder bekommt das, was er verdient.“ Sie selbst wird auf eine Art behandelt, die sie unglücklich macht, folglich verdient sie es, unglücklich zu sein. Somit muss sie diese negative Beziehung akzeptieren, weil sie weder eine bessere verdient hat noch erwarten kann. Dadurch verstärkt sich ihre Hilflosigkeit und die Selbstachtung schwindet weiter. Durch diesen Mangel an Selbstvertrauen geht auch die Motivation verloren, die eigene Situation zu verbessern. Die Frau entwickelt psychosomatische Beschwerden. Was könnte noch passieren? Die Frau verweigert sich ihrem Mann, wird zynisch und depressiv. Dies nimmt der Mann zum Anlass, sein Fremdgehen vor sich selbst zu entschuldigen: „Dies ist ja nur die Konsequenz, was bleibt einem Mann dann anderes übrig?“
Die Frau stellt Fragen, wo und wie lange er irgendwo gewesen sei, wird immer misstrauischer. Dies jedoch beflügelt den Mann nun noch mehr, sein Verhalten gutzuheißen. „Fragen wird sie so oder so, glauben tut sie mir so oder so nicht, dann kann ich ebenso gut auch fremdgehen.“
Es gibt unzählige Beispiele für respektlose Beziehungen. Alles in allem liegt die Ursache im mangelnden Selbstbewusstsein nicht zuletzt durch die Glaubenssätze, die wir als Kind gehört und verinnerlicht haben und in der mangelnden Kommunikation, die Menschen zu Opfern und wiederum zu Tätern machen.
Autor: Magdalena von Hagenburg, Heilpraktikerin für Psychotherapie
Thema: Respektlosigkeit in der Beziehung
Webseite: http://www.magdalena-von-hagenburg.de
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