Ja, ich denke – eine „Trennung trotz Liebe“ kommt viel häufiger vor, als manche Menschen es selber wahrnehmen oder wahrhaben wollen.
Ganz pragmatisch kann „Trennung trotz Liebe“ einfach ihre Sinnhaftigkeit als klare Entscheidung bei unterschiedlichen Herzensinteressen, Lebenswünschen und Plänen haben. Damit meine ich z.B. konträre Vorstellungen bei den Wünschen nach Familienplanung - dem Lebensmittelpunkt - beruflichen Plänen, die Gemeinsamkeit kaum möglich machen oder auch stark abweichenden Wertesystemen. Der Umgang mit hohen Erwartungshaltungen, Perfektionismus, Süchten sowie psychischen Erkrankungen kann schwer lebbar sein und zu einer „Trennung trotz Liebe“ führen, um Entwicklung zu ermöglichen. Zudem kann eine „Trennung trotz empfundener Liebe“ natürlich auch zum eigenen Schutz vor schadhaften Übergriffen Not-wendend sein.
Darüber hinaus gibt es allerdings deutlich komplexere Beziehungsmuster, die eine „Trennung trotz Liebe“ nicht so offensichtlich erkennen lassen. Dabei erscheint mir sehr bedeutsam, den Begriff „Liebe“ infrage zu stellen. Was ist wirklich Liebe? Gibt es wirkliche Liebe? Oder gibt es mannigfaltige Erlebnisarten oder Ausdrucksformen von Liebe?
Da bestehen ganz sicherlich sehr unterschiedliche Bedürfnisse, um Liebe überhaupt zu spüren und unterschiedlichste Ausdrucksformen, die beim Empfänger (obwohl vom Sender liebevoll gemeint) unter Umständen in keiner Weise als „Liebe“ ankommen.
Als Liebe bezeichnete Umgangsformen in der Kindheit spielen ebenso eine große Rolle, in der Prägung von Liebesempfindungen. Permanente Streit- und Versöhnungsmuster, wobei Versöhnung ggf. ein „unter den Teppich kehren“ von unflätigen Umgangsweisen bedeutet hat, kann im Erwachsenenalter genau dieses Muster als Liebesempfindung deklarieren. Auch kann es zu Sehnsüchten nach einem friedfertigen Umgang führen, der dennoch nicht als Liebe empfunden wird...
Also kurzum – Es lohnt sich meines Erachtens immer, sehr genau zu betrachten, was u.U. das Empfinden von Liebe und deren Ausdrucksweisen ausmacht. Unsere Gedanken können uns dabei meines Erachtens sehr täuschen – genau wie sie uns auch aus unerträglichen Situationen befreien können, wenn wir ins Handeln kommen.
Ein Kollege von mir trennt daher die Probleme auf der Beziehungsebene von der Bindung, die u.U. bei einem Paar weiterhin als sehr tief empfunden wird. Ebenso lassen sich insbesondere im Bereich der Beziehungsgestaltung so viele kleinere und größere Dinge verändern, dass die „Liebe“ wieder neu und anders empfunden werden kann,
wenn beide Partner eine Bereitschaft dafür aufbringen. Themen wie fehlerhafte Überzeugungen und Prägungen aus der Kindheit wie auch übermäßiger Stress (vielleicht auch nur aufgrund fehlender Stressbewältigungskompetenzen) und vieles mehr können, wenn sie erfasst - verstanden und bearbeitet werden, wieder den Blick auf das Gute und Liebenswerte in der Beziehung eröffnen. Wenn dies alles versperrt ist und nicht mehr gespürt wird, ist es gut möglich, dass eine „Trennung trotz Liebe“ eine fatale Lebensentscheidung war.
Damit meine ich, dass unsere Gedanken uns u.U. getäuscht haben und auf der Gefühlsebene so viel Echtes und Wahrhaftiges spürbar bleibt, wofür es sich gelohnt hätte, an der Beziehung zu arbeiten. Vielleicht begegnen uns unsere Beziehungsaufgaben dann auch nur mit einem anderen Gesicht beim nächsten Partner wieder. Wer weiß...
Autor: Henrietta Meindorf, Heilpraktikerin für Psychotherapie
Thema: Trennung trotz Liebe
Webseite: https://www.meindorf-beratung.de
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