Versöhnung mit den Eltern

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„Ach Katrin, Deine Eltern sind so cool. Die erlauben Dir einfach alles. Bei uns gibt´s ewige Diskussionen und Erklärungen und am Ende dürfen wir doch nicht mitmachen und bleiben in der Clique mal wieder außen vor, echt ätzend. - Ja, das verstehe ich, Sabine. Meine Geschwister und ich dürfen echt eigentlich alles machen, war wir wollen und kriegen sogar meistens auch das Geld dafür. Meine Eltern sind selbst oft verreist übers Wochenende oder gehen mit Freunden aus. Eigentlich kriegen die gar nicht mit, was wir so machen und wo wir gerade unterwegs sind.“

Ein kurzes Gespräch zwischen zwei Jugendlichen, das uns einen kleinen Blick frei gibt auf die Unterschiedlichkeit, wie Menschen aufwachsen und ob sie damit zufrieden sind oder sich unwohl fühlen.

Wie war das bei Ihnen? Waren Ihre Eltern wie die von Katrin oder von Sabine? Oder ganz anders? Welche Erinnerungen tauchen hierzu auf? - mögen sie diese vielleicht festhalten, aufschreiben?

Voraussetzungen für den Start ins Leben, Bedingungen und Chancen können wirklich sehr unterschiedlich sein. Biologisch betrachtet ist jeder Einzelne von uns das Ende einer langen Erfolgsgeschichte durch seine bloße Existenz. Denn durch die Jahrtausende vor uns ist es offenbar allen unseren Vorfahren gelungen, selbst zu überleben, einen Partner zur Fortpflanzung zu finden und den Nachwuchs groß zu kriegen - sonst gäbe es uns heute nicht. Eigentlich der unwahrscheinlichste Fall und damit das Wunder des Lebens an sich. Die Gene, mit denen wir uns dann hier ausgestattet finden auf der Welt, haben einen langen Weg hinter sich, durch die unterschiedlichen Lebensumstände, Ortswechsel, Umweltveränderungen, Erfahrungen, Kommunikation über viele Generationen hinweg. Das bedingt unsere Anlagen, wie unsere Gesundheit, das Aussehen, Dispositionen, Begabungen, Neigungen und legt das Spektrum fest, wer wir sind und werden können. „Aus einem Bären wird keine Gazelle“, damit will ich ausdrücken, daß von Körperform bis Wesenseigenschaften allein schon strukturell vieles festgelegt und nicht beliebig veränderbar ist.

Notieren sie je fünf Eigenschaften, anlagen, die sie ganz besonders wertschätzen an sich, und solche, mit denen sie sich eher schwer tun.

Und nun werden wir hineingeboren in ein Elternhaus, in Umstände, die von Herkunft und Schicksalen, Standort, Umwelt über Gesellschaft, Beruf, soziale Stellung und materielle Gegebenheiten, Beziehungen der Eltern zueinander und zur Großfamilie und anderen Mitmenschen Voraussetzungen schafft und für den neuen Menschen bestimmt, ganz ungeachtet, wie förderlich oder herausfordernd sich das für ihn objektiv und für sein Empfinden darstellt. Und schließlich übernehmen die Eltern durch ihr Dasein oder Fehlen, ihr Sosein, ihren Werdegang, ihre eigenen Möglichkeiten und Grenzen und prägen das Menschenkind für sein ganzes Leben, für die Kindheit und Jugendzeit sozusagen „auf Gedeih und Verderb“.

Denn Menschen sind Säugetiere, die ohne die soziale Umwelt zunächst nicht überlebensfähig sind. Das erfordert Anpassung an diese, Zugehörigkeit egal um welchen Preis bis zu dem Moment, wo das Weiterleben aus eigener Kraft gesichert werden kann. Durch die lange Zeit von der biologischen Reife mit der Pubertät bis zur sozialen Reife mit Ende der Berufsausbildung und eigener Existenzfähigkeit in unserer Industriegesellschaft ist damit der Rahmen gesteckt für endlos lange Konflikte, im Außen wie im Innen. Denn wie harmonisch sich das Zusammenleben in der Familie gestaltet, wie einverstanden wir mit dem sein können, was wir da vorfinden und womit wir uns auseinandersetzen müssen, wie rebellisch wir mit unseren Ernährern umgehen und damit auf Ablehnung, Widerstand oder Verständnis treffen, all das ist vielfältig in seinen Formen und herausfordernd in seinen Ausprägungen. Wer könnte davon kein Lied singen, wenn er an die Stationen seiner ersten Jahrzehnte denkt. Diese Konflikte finden notwendigerweise statt, wenn nicht im Konkreten, in der Auseinandersetzung mit den Eltern, dann innerpsychisch oder in Stellvertreterkämpfen, mit anderen Mitmenschen, Autoritäten wie Lehrern, Ausbildern, Chefs, mit den Repräsentanten des Staates oder wenn gar nicht anders möglich in Form von psychosomatischen Krankheiten, wie Infektanfälligkeit, Allergien, Autoimmungeschehen etc., wie wir durch die Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie wissen.

An welche Situationen in ihrer Kindheit erinnern sie sich spontan, wo sie entweder sehr unzufrieden, ja unglücklich waren oder in denen sie sich besonders herzlich angenommen fühlten und Unterstützung erfuhren?

In Krisen Chancen entdecken

Von klein auf haben wir nun die Chance, auf unsere je eigene Art der skalierten Mitwirkung mit kritischen Situationen umzugehen und uns dabei zu erfahren. Verweigern oder entziehen wir uns, sind wir „liebe Kinder“, machen es den Eltern recht und passen uns an oder geben wir ihnen Opposition wo nur möglich, machen „Feuer in der Hütte“ und unseren Eltern und uns das Leben schwer.

kleines maedchen rebellisch mit stock

Eine Palette von Möglichkeiten, eine grosse Chance, Erfahrungen zu machen. Und das vergleichsweise risikoarm, einmalig im Leben. Denn Familie ist unauflösbar, die Eltern müssen für uns da sein, uns nähren, kleiden, Zugang zu Bildung verschaffen und gut mit uns umgehen, keine körperliche oder seelische Gewalt antun, dafür garantiert unser Rechtsstaat - zumindest in der Theorie und im Idealfall. Umgekehrt sind Eltern den Entwicklungseskapaden der Kinder ziemlich ausgeliefert, auch wenn es diesen meist zum Glück nicht so bewußt ist, daß sie am längeren Hebel sitzen.

Wie haben sie sich erlebt in kritischen Familiensituationen? Mehrheitlich ausgeliefert und als „Opfer“ ? Oder als starker „player“ mit einem Gefühl für seine macht und Wirksamkeit?

Durch Herausforderungen Kompetenzen entwickeln

So betrachtet sind Eltern die Sparringspartner ihrer Sprößlinge, die sich wechselseitig aneinander abarbeiten können - wie gefällt Ihnen diese Perspektive? Potenziell eine echte win-win-Situation, durch die Verbindlichkeit der Zugehörigkeit zum Familiensystem können alle sich erfahren, entwickeln, ausprobieren, dazulernen, reifen. Schade nur, daß sich dem nicht alle Beteiligten stellen, der Kampf zudem auch weniger konstruktiv ablaufen kann und die Elternpaare und/oder „Kontrahenten“ oft zermürbt, verhärtet, einander entfremdet. Die Scheidungsrate liegt 2021 in Deutschland bei 39,9 %, auf drei Eheschließungen kommt damit rechnerisch eine Scheidung.

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Kinder zu haben, stellt oft den Hintergrund für das Scheitern der Ehen dar. Unfreiheit in der Lebensgestaltung, materielle und räumliche Enge, Uneinigkeit in Erziehungsfragen, bis hin zum Bedauern darüber, überhaupt Kinder bekommen zu haben, Stichwort „regretting motherhood“, die oft nicht das Glück bedeuten, das man sich vorgestellt hatte. Nicht selten ist es inzwischen, dass Kinder den Kontakt zu ihrer Familie abbrechen, und sich damit selbst herausnehmen und abschneiden von weiteren Entwicklungen. Doch die innerpsychische Auseinandersetzung ist damit nicht beendet, das Blut der Ahnen fließt weiter in den Adern, die Prägungen, die wir meinen, nicht mehr ertragen zu wollen, entdecken wir in uns fortwährend in Form von unliebsamen Eigenschaften, verinnerlichten Imperativen und entgehen den elterlichen Vorgaben auch dann nicht, wenn wir ab jetzt alles „ganz anders“ machen als die Eltern: denn damit bleiben wir gerade im von ihnen gesteckten Rahmen, verhindern wir Ablösung und Selbstannahme und bleiben auf ungesunde, ja potenziell krankmachende Weise an die Eltern gebunden, erschweren unser Erwachsenwerden.

Mit welchen Personen hatten sie einen ganz besonderen schlagabtausch? Aus welchen Auseinandersetzungen haben sie etwas mitgenommen für ihr leben?

Aus Problemen Lösungen gestalten

Ungelöste Konflikte belasten das vegetative Nervensystem, können uns so den Schlaf rauben, bringen negative Emotionen hervor, erzeugen Spannungen, etwa bei der Begegnung mit den Eltern oder in Gedanken. Sie belasten unmittelbar die Gesundheit, nicht nur durch Streß und psychosomatische Erkrankungen, sie bereiten mehr noch im Sinne der „silent inflammation“ mittel- und langfristig den Boden für organische Krankheiten. Versöhnung mit den Eltern ist jede Mühe wert, selbst dann, wenn sie nicht mehr am Leben sind und die Versöhnung mit ihnen nicht (mehr) direkt möglich ist.

mutter und tochter gehen im alter spazieren

Moderne Formen von Therapie und Coaching bieten hierbei Unterstützung, ohne jahrelanges Wühlen im Gewesenen und wecken Lebensenergie, bieten einen geschützten Raum zum Erkunden von neuen Herangehens- und Verhaltensweisen. Als Lohn fürs Dranbleiben, für das sich den Problemen stellen, für das Lösen der Probleme, für das Durchleiden aller Gefühle von Verzweiflung über Wut und Trauer, die zu diesem Prozeß gehören, winkt am Ende ein großartiges Geschenk: das JA - zuallererst zu sich selbst, zum Geschenk des Lebens als solchem, zum eigenen So-(geworden-)Sein. Die bedingungslose Akzeptanz seiner selbst, eine wertschätzende Beziehung zu sich selbst. Dies beinhaltet die Annahme der eigenen Eltern, des Lebens, das sie uns geschenkt haben, das Überleben, das sie uns ermöglicht haben und spendet tiefen Frieden, ein mit sich und der Welt im Reinen sein, eine entspannte Grundlage für eine selbstgewählte Lebensführung. Frei von Belastungen der Vergangenheit, frei für die Freuden der Gegenwart und die Optionen der Zukunft. Und wirkt auch auf die Eltern und Großeltern beglückend zurück, denn das größte Geschenk für alle Mühen und Entbehrungen ist es, zu erleben wenn die Kinder erwachsen werden und ihr Leben gestalten und genießen können, zur Erfüllung bringen, ganz nach ihren eigenen Vorstellungen.

Gibt es etwas, das sie gerne ungeschehen machen würden - was ihnen widerfahren ist oder was sie selbst anderen angetan haben? Zögern sie nicht, sich Unterstützung für Lösungen im heute zu suchen.

25 Jahre später treffen sich die beiden Mädchen von damals beim Klassentreffen

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„Weißt Du noch, Katrin, wie sehr wir Euch damals beneidet haben und wie wir als Kinder gelitten haben unter unserer strengen Eltern? Und jetzt, wo wir selbst Kinder haben, wägen auch wir vieles ab und es gibt immer wieder lange Diskussionen, weil die Heranwachsenden eben ihre eigene Meinung haben und uns mit ihren Argumenten herausfordern. So wirklich reibungslos, wie das bei Euch war, läuft es bei uns eben auch nicht. - Ja, reibungslos ist ein guter Begriff, Sabine. Klar fanden wir das toll damals und haben viel erlebt. Aber ganz ehrlich: unsere Eltern haben es sich oft auch sehr einfach gemacht und sich selbst ein schönes Leben. Heute vermisse ich manchmal Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, fehlt mir bei unseren Kindern oft die Orientierung und ich quäle mich mit den Entscheidungen. Denn so alles abnicken, wie meine Eltern, da fühle ich mich nicht wohl, das stimmt für mich nicht. Es scheint alles zwei Seiten zu haben - und richtig machen kann man es als Eltern wohl nie.“

Autor: Anna Verena Post
Thema: Versöhnung mit den Eltern
Webseite: https://annaverenapost.de

Autorenprofil Anna Verena Post:

Anna Verena Post kümmert sich um Ihr Gesundwerden und -bleiben. Als Systemischer Coach baut sie mit Ihnen Ihren Kompass fürs Leben und führt Sie zu Ihren Zielen, damit Sie werden, wer Sie sind und sein können.

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