Zwischen Leben und Abschied: Wege durch Trauer und Sterben

Ein Abschied ist Teil unseres Lebensweges – und doch scheint er in unserer modernen Gesellschaft oft unsichtbar.

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vgwortWir verdrängen das Sterben, scheuen das Wort „Tod“ und wissen nicht, wie wir mit Trauer umgehen sollen. Dabei berührt uns jeder Verlust, öffnet Räume für Fragen nach Sinn, Beziehung und Abschiednehmen.

Genau hier möchten wir das Gespräch über das Lebensende wieder ins Zentrum rücken. Wir enttabuisieren Sterben und Tod, geben Orientierung im komplexen Prozess der Trauer – damit Abschiede bewusst gestaltet werden können, Trauer als heilsamer Prozess verstanden wird und wir gemeinsam eine Kultur des würdevollen Miteinanders entwickeln.

Sterben verstehen

Sterben ist kein einzelner Moment, sondern ein vielschichtiger Übergang, der Körper und Seele gleichermaßen berührt. Biologisch zeigt sich das in einem fortschreitenden Rückgang der Lebensfunktionen: Die Atmung wird flacher, der Kreislauf langsamer, das Bewusstsein verändert sich – bis schließlich alle Systeme zur Ruhe kommen.

Parallel erleben Sterbende oft psychologische Phasen: Schock, Rückzug, innere Einkehr. Viele blicken zurück, ordnen ihr Leben, suchen Versöhnung, stellen Sinnfragen. Manche suchen Nähe, andere möchten in Stille loslassen. Diese Prozesse sind so individuell wie das Leben selbst – begleitet von Hoffnung, Resignation, Erinnerung und Schmerz.

Mit dem nahenden Tod rücken letzte Wünsche in den Fokus: Frieden schließen, Dinge ordnen, noch einmal eine Reise machen oder ein Ritual gestalten. Gleichzeitig tauchen Ängste auf – vor Schmerzen, Kontrollverlust, Alleinsein oder dem Unbekannten. Selbst gläubige Menschen ringen in dieser Zeit mit Zweifeln oder neuen spirituellen Fragen.

Eine achtsame Begleitung nimmt all das ernst: Sie hört zu, würdigt, hält aus. Sie schafft Raum, in dem Wünsche benannt, Ängste geteilt und offene Fragen gehalten werden dürfen. So wird das Sterben nicht zur bloßen Endstation, sondern zu einem bewussten Übergang – getragen von Präsenz, Würde und Menschlichkeit.

Wie Gesellschaft Abschied nimmt

Der Tod begleitet die Menschheit seit jeher und prägt Kulturen, Religionen und Rituale. Doch heute begegnen wir ihm oft mit widersprüchlichen Gefühlen: zwischen Faszination, Angst, Abwehr und Neugier. Während früher Übergangsriten und Trauerfeiern Gemeinschaft stifteten, ist der Tod im modernen Alltag meist unsichtbar geworden – ausgelagert in Institutionen und entkoppelt vom sozialen Miteinander.

Die Folge ist eine gewisse Entfremdung: Wir kennen Krankheitsstatistiken, aber kaum noch lebendige Abschiedsrituale. Gleichzeitig bieten Bestatter heute eine breite Palette an – von traditionellen Beisetzungen bis hin zu digitalen Gedenkseiten oder künstlerischen Abschiedsaktionen.

Ein Blick über kulturelle Grenzen hinweg zeigt: Der Umgang mit Tod und Trauer ist so vielfältig wie die Menschheit selbst. Während manche Kulturen den Abschied mit Stille und Einkehr gestalten, setzen andere auf lebendige Rituale des Erinnerns und Feierns. Diese Unterschiede wurzeln in Weltbildern, Traditionen und individuellen Bedürfnissen – und verdeutlichen, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt, sondern viele Formen, Endlichkeit zu würdigen.

Gerade diese Vielfalt kann uns inspirieren, eigene Ausdrucksformen zu finden. Wenn wir mit Offenheit auf andere Trauerkulturen blicken, wächst unser Verständnis für neue Rituale, kreative Abschiedsformen und gemeinsame Trauerarbeit. So gestalten wir eine Gesellschaft, in der Tod nicht verdrängt, sondern menschlich und vielfältig gelebt wird.

Trauer als natürlicher Prozess

Trauer beginnt dort, wo eine tiefe Lücke entsteht – durch den Verlust eines geliebten Menschen, den Abschied von Gewohnheiten oder das Ende eines Lebensabschnitts. Solche Erfahrungen reißen uns aus dem Alltag und stellen Gewohntes infrage. In der plötzlichen Konfrontation mit Leere und Vergänglichkeit entstehen Urängste, Schuldgefühle oder das nagende Gefühl, nicht genug gesagt oder getan zu haben. Manchmal genügt ein vertrauter Geruch, ein Lied oder die Stille im Zimmer, um eine neue Welle der Trauer auszulösen.

Trauer verläuft nicht geradlinig, sondern in Wellen. Anfangs wirkt der Verlust wie ein Schock – das Herz weigert sich zu begreifen. Es folgen Wut, Rückzug, Erinnern – und irgendwann schleicht sich Akzeptanz ein. Doch diese Phasen überschneiden sich, wiederholen sich oder verlaufen völlig anders. Jeder Mensch trauert einzigartig, so wie jede Beziehung unverwechselbar ist.

Auch körperlich zeigt sich Trauer: in Enge im Brustkorb, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit oder tiefer Erschöpfung. Seelisch schwanken wir zwischen innerer Leere und intensiver Sehnsucht. Manche weinen unaufhörlich, andere klammern sich an Erinnerungen oder verschließen sich in stillem Rückzug. All diese Reaktionen sind Teil eines lebendigen Heilungsprozesses. Wer Trauer als natürlichen Weg begreift, darf Schritt für Schritt ins Leben zurückfinden – nicht, indem er vergisst, sondern indem er den Verlust in das eigene Leben einwebt.

Wenn der Abschied plötzlich kommt

Doch nicht jeder Abschied verläuft in Stille und Vorbereitung. Manche Verluste treffen uns mit voller Wucht – plötzlich, unerwartet, traumatisch. Manchmal reißt der Tod Menschen unerwartet aus dem Leben – durch Unfall, Suizid, Gewalt oder den Verlust eines Kindes, einer Fehl- oder Totgeburt. Solche Verluste hinterlassen oft Sprachlosigkeit, Schock und tiefe seelische Wunden. Die Trauer ist nicht nur Schmerz, sondern auch Suche nach Halt inmitten des Unfassbaren. In diesen Fällen braucht es besondere Formen der Unterstützung: behutsam, stabilisierend und traumasensibel. Spezialisierte Trauerbegleiter, Notfallseelsorge oder Selbsthilfegruppen für Betroffene können helfen, erste Schritte im Chaos zu finden. Auch Rituale – etwa das Schreiben eines Briefes an das ungeborene Kind oder das Anlegen eines Erinnerungsortes – geben Halt, wo Worte fehlen. Niemand sollte mit solch einem Verlust allein bleiben. Es braucht Räume, in denen auch das Unaussprechliche Platz haben darf – ohne Bewertung, aber mit Mitgefühl.

Wege der Trauerbewältigung

Trauerbewältigung ist ein individueller Prozess, der Raum, Zeit und Zuwendung braucht. Rituale und symbolische Handlungen helfen dabei, das Unfassbare greifbar zu machen und einen bewussten Schnitt zwischen „Vorher“ und „Nachher“ zu setzen. Damit Trauer nicht bloß ein Gefühl bleibt, sondern zu einem bewusst gestalteten Weg werden kann.

Gemeinsame Trauerrituale im Familien- oder Freundeskreis stärken das Wir-Gefühl und erlauben es, Trauer nicht allein zu tragen. Wählen Sie dafür bewusst Orte, die Ihnen Geborgenheit schenken. Vielleicht möchten Sie eine Kerze anzünden, wenn Sie an Ihren Menschen denken. Ein Trauertagebuch kann helfen, Gedanken, Erinnerungen und Stimmungen zu ordnen – und das innere Erleben sichtbarer zu machen. Wenn Worte schwerfallen, ist ein Brief an den Verstorbenen eine heilsame Möglichkeit: Schreiben Sie alles auf, was Ihnen auf der Seele liegt. Verbrennen, vergraben oder bewahren Sie diesen Brief an einem für Sie bedeutsamen Ort auf.

Achtsamkeitsübungen, Meditation und Atemtechniken fördern die Selbstfürsorge, indem sie den Fokus auf den gegenwärtigen Moment lenken und das Gedankenkarussell unterbrechen. Auch körperliche Wege bieten Zugang: Ein stiller Spaziergang im Wald, sanftes Yoga oder bewusste Pausen können Körper und Geist regulieren. Ein Gedenk-Spaziergang, allein oder mit einem vertrauten Menschen, zu einem persönlich wichtigen Ort schafft Raum für bewusstes Erinnern und das leise Aussprechen dessen, was im Herzen bleibt.

Diese Methoden lassen sich einzeln oder im Zusammenspiel anwenden. Wichtig ist: Niemand muss seinem Trauerweg so folgen, wie ihn andere beschritten haben. Jeder Mensch findet seinen eigenen Rhythmus, seine eigenen Formen des Umgangs mit Verlust. Professionelle Begleitung – durch Therapeutinnen, Trauergruppen oder Sterbeammen – kann dabei Orientierung geben, wenn Schmerz und Sehnsucht überhandnehmen. Einzel- oder Gruppentherapie unterstützen darin, emotionale Muster zu erkennen und mögliche Schuld- oder Ohnmachtsgefühle zu bearbeiten. So wird aus einer scheinbar endlosen Trauerphase eine Etappe im Leben, die heilsam bewältigt und in das eigene Dasein integriert werden kann.

Die Rolle der Sterbeamme

Je achtsamer wir Menschen im Sterben zur Seite stehen, desto menschlicher wird unsere Gesellschaft. Die Sterbeamme ist dabei ein zentrales Bindeglied zwischen Psychologie, Spiritualität und Pflege. Die Sterbeamme ist eine einfühlsame Begleiterin am Lebensende – keine Ärztin, keine Seelsorgerin im klassischen Sinn, sondern eine Expertin für Nähe, Rituale und emotionale Begleitung. Ihre Ausbildung umfasst psychologische Grundlagen, Trauerarbeit, Rituale und Kommunikation sowie Achtsamkeits- und Entspannungsverfahren. Zentrales Element ist ihre Haltung: Präsenz ohne Eile, ein offenes Herz und das bewusste Annehmen aller Facetten von Angst, Schmerz und Abschiedswünschen.

Einblick in die Praxis  

Bei Familie M. war es Kerstin, die an dem Tag kam, als die Stimmung am Krankenbett angespannt und festgefahren war. Mit wenigen Fragen löste sie Spannungen: Sie bat um das Aufstellen eines Familienfotos, das alle berührte, und ließ jeden Angehörigen einen persönlichen Abschiedsbrief vorlesen. Tränen lösten sich, Worte fanden sich, und am Ende spürten alle, dass Abschiednehmen auch ein gemeinsamer Akt der Liebe sein kann. Noch Wochen später erzählten die Angehörigen, wie heilsam dieser Moment für Ihren Abschied war. Solche Momente machen die Sterbeamme zur unersetzlichen Brücke zwischen Leben, Abschied und Neubeginn. Was sie tut, bewegt- still, aber tief.

Im Alltag übernimmt die Sterbeamme viele Rollen zugleich. Sie sitzt an der Bettkante, wenn trauernde Angehörige schweigend die Hand halten wollen, und eröffnet im nächsten Moment einen Raum, in dem ungelöste Konflikte ausgesprochen werden können. Sie plant Abschiedsrituale, schafft Erinnerungsstücke oder hilft beim Festlegen von Vorsorgeverfügungen – stets mit dem Ziel, Sinn und Stabilität in einer Zeit größter Verletzlichkeit zu stiften. Gleichzeitig vermittelt sie auf Augenhöhe zwischen Pflegeteam, Ärzten und Familie, klärt Rituale mit Hospizdiensten ab und sorgt dafür, dass individuelle Wünsche nicht im Klinikbetrieb untergehen.

Gesprächsangebote und symbolische Handlungen gehören zum Kern ihrer Arbeit: Ein Ritual kann so einfach sein wie gemeinsames Kerzenanzünden oder das gemeinsame Betrachten alter Fotoalben, um Erinnerungen zu ehren und loslassen zu üben. In belasteten Familien konzipiert sie konfliktlösende Interventionen, hält Schweigeminuten oder leitet Atem- und Achtsamkeitsübungen an, die erdend und klärend wirken. Ihre stille Präsenz wirkt oft stärker als jedes Wort – und schafft Vertrauen, damit Angehörige ihre Trauer wahrnehmen und verarbeiten können.

Persönliche Wünsche am Lebensende

Der Tod lässt sich nicht planen – aber vorbereiten. Wer sich frühzeitig mit dem eigenen Lebensende auseinandersetzt, schafft Klarheit und entlastet seine Angehörigen in einer ohnehin belastenden Zeit. Selbstbestimmung bedeutet nicht nur, medizinische Entscheidungen zu treffen, sondern auch Raum für persönliche Rituale, spirituelle Fragen und biografisches Loslassen zu öffnen.

Dokumente wie Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht ermöglichen es, individuelle Wünsche festzuhalten – zu medizinischer Behandlung, zur Pflege, zur Art der Verabschiedung. Doch ebenso wichtig ist das Gespräch mit den Menschen, die uns nahestehen. Was soll bleiben? Was war wesentlich? Wer darf welche Entscheidung treffen?

Auch Sterbeammen und Trauerbegleiter können bei diesen Themen unterstützen – sei es durch Impulsfragen, durch die Gestaltung eines „Letzte-Wünsche-Buchs“ oder durch die Planung eines persönlichen Abschiedsrituals. Es geht nicht darum, den Tod zu kontrollieren, sondern ihm mit Würde und Klarheit zu begegnen.

Sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen, erfordert Mut – und ist zugleich ein Akt der Fürsorge: für sich selbst und für jene, die bleiben.

Unterstützung für Hinterbliebene  

Nach einem Verlust stehen Hinterbliebene oft vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen Trauer verarbeiten und gleichzeitig den Alltag mit all seinen organisatorischen Aufgaben bewältigen. Gesprächsangebote, Achtsamkeitsübungen oder Trauergruppen schaffen erste Räume, in denen Gefühle sortiert und Erinnerungen geteilt werden können. Professionelle Begleitung hilft, Schuld- oder Ohnmachtsgefühle besser einzuordnen.

Gleichzeitig gilt es, Formalitäten zu regeln: Todesanzeigen, Sterbeurkunden, Versicherungen, Nachlassfragen. Viele empfinden diese Aufgaben als seelenlos und belastend. Hier kann eine erfahrene Sterbeamme entlasten, Orientierung geben – damit die Bürokratie nicht zusätzlich erdrückt.

Auch im Alltag braucht Trauer Raum. Rituale wie ein wöchentlicher Spaziergang am Grab, ein Licht der Erinnerung oder ein gemeinsames Essen im Kreis vertrauter Menschen helfen, den Schmerz nicht zu verdrängen, sondern mitzutragen. Selbstfürsorge – sei es durch ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung, Bewegung oder kreative Pausen – stabilisiert Körper und Seele. So kann der Weg zurück ins Leben zu einem heilsamen Prozess werden, in dem Erinnern und Neuentdecken Hand in Hand gehen.

Kinder trauern anders

Ein wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird, ist die Trauer von Kindern – sie verläuft anders als bei Erwachsenen und braucht besondere Aufmerksamkeit:

Kinder erleben den Tod in Etappen. Ihre Trauer kommt oft sprunghaft, zwischen Spiel, Rückzug und plötzlichen Fragen. Sie begreifen den Tod altersbedingt zunächst nicht als endgültig – was für Erwachsene irritierend wirken kann. Statt tiefer Gespräche drücken Kinder ihre Gefühle häufig im Spiel, in Bildern oder Verhaltensveränderungen aus: Rückzug, Wutausbrüche, Schlafstörungen oder übermäßige Anpassung sind mögliche Zeichen innerer Not.

Umso wichtiger ist es, Kindern in ihrer Sprache zu begegnen – ehrlich, behutsam und ohne Überforderung. Rituale wie das gemeinsame Basteln eines Erinnerungskartons, das Anzünden einer Kinderkerze oder das Erzählen schöner Geschichten vom Verstorbenen können Kindern Halt geben. Auch kindgerechte Trauerliteratur oder Trauergruppen speziell für junge Menschen bieten Räume, in denen sie sich verstanden und gesehen fühlen.

Erwachsene sollten sich nicht scheuen, ihre eigene Trauer zu zeigen. Denn wer selbst weint und trauert, erlaubt auch dem Kind zu fühlen. So wird Abschied zu etwas, das gemeinsam getragen und liebevoll begleitet werden kann.

Trauerkultur schaffen

Wir stehen am Anfang einer Kultur des bewussten Abschieds, in der Trauer nicht länger versteckt, sondern als integraler Teil des Lebens anerkannt wird. In vielen Städten entstehen mittlerweile Trauercafés – geschützte Räume, in denen Menschen ihre Erfahrungen teilen, Erinnerungen lebendig halten und neue Rituale entdecken können. Sie bieten einen niedrigschwelligen Zugang zur Trauerarbeit und fördern das Gefühl: Ich bin nicht allein.

Gleichzeitig gewinnen digitale Gedenkorte an Bedeutung: OnlinePlattformen ermöglichen es, Erinnerungen filmisch, musikalisch oder textlich festzuhalten und gemeinsam virtuell zu pflegen. Doch genauso wertvoll sind analoge Rituale in der Natur – etwa gemeinschaftliche Baumpflanzungen oder „Erinnerungs-Zeiten“ auf Friedhöfen, die gesellige Begegnung und kollektive Trauerarbeit verbinden.

Jeder von uns kann diese neue Trauerkultur mitgestalten: indem wir offen über Abschied sprechen, persönliche Ritualangebote schaffen oder lokale Initiativen unterstützen. Wenn wir Abschied und Trauer wieder in unsere Mitte holen, schenken wir uns und unseren Mitmenschen Räume, die Heilung ermöglichen und das Leben ebenso bewusster wie voller Mitgefühl machen.

Die Sprache der Erinnerung

Wenn wir Abschied nehmen, fehlen oft die Worte. Und doch sind es gerade Sätze, Gedichte, Briefe oder kleine Geschichten, die uns helfen, das Unsagbare in eine Form zu bringen. Sprache kann trösten, erinnern, verbinden – sei es in einem persönlichen Ritual, in einer Trauerrede oder auf einer Gedenkkarte. Nicht jeder muss große Reden halten, oft genügt ein einziger Satz: „Ich danke dir für…“, „Du fehlst mir an jedem Morgen…“, „Ich werde nie vergessen, wie du…“ Solche Zeilen können in ein Erinnerungsbuch geschrieben oder bei einem Abschiedsritual vorgelesen werden. Auch Gedichte, Liedtexte oder selbst verfasste Verse eröffnen Räume für Gefühle, die schwer in Worte zu fassen sind.

Wer ein Abschiedsritual vorbereitet, kann bewusst Sprache einbeziehen – etwa in Form eines gesprochenen Segens, einer symbolischen Botschaft auf einem Stein oder eines handgeschriebenen Briefs, der mit ins Grab gelegt wird. Auch das gemeinsame Erzählen, das liebevolle „Weißt du noch…“, verwandelt Erinnerungen in geteilte Gegenwart. Oft ist es genau dieser sprachliche Ausdruck, der das Unsichtbare greifbar macht und Erinnerungen dauerhaft verankert. Eine beschriftete Kerze, ein gemaltes Wortbild oder ein gesprochener Wunsch verleihen der Verbindung zu einem geliebten Menschen eine neue Form. Worte können weiterleben – in Trauertagebüchern, auf Gedenkseiten oder in den Geschichten, die wir an die nächste Generation weitergeben.

An der Seite der Sterbenden

Der Tod gehört zum Berufsalltag vieler Menschen – aber nicht zur Routine. Jede Begegnung ist einzigartig und verdient Würde, Achtsamkeit und ein Gegenüber, das präsent ist. Pflegende, Ärzte und ehrenamtlich Begleitende stehen oft an vorderster Front, wenn es um Sterben, Abschied und Trauer geht. Sie halten Hände, wenn Worte fehlen, begleiten letzte Atemzüge und sind da, wenn Angehörige Halt suchen. Doch wer professionell begleitet, ist nicht automatisch geschützt vor Überforderung. Der Tod berührt – auch im Dienst.

Der tägliche Kontakt mit Leid, Verlust und existenziellen Fragen verlangt nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch innere Stabilität. Viele Fachkräfte erleben eine Gratwanderung zwischen Mitgefühl und Abgrenzung. Wer zu viel fühlt, brennt aus – wer sich zu sehr schützt, verliert die Verbindung. Deshalb braucht es Räume für Reflexion, Supervision und kollegialen Austausch, um Erlebtes zu verarbeiten und neue Kraft zu schöpfen.

Kleine Rituale im Arbeitsalltag – ein stiller Moment nach dem Tod, ein bewusstes Händewaschen, ein Blick aus dem Fenster – können helfen, das Erlebte zu integrieren. Auch eine klare innere Haltung ist entscheidend: Wer sich seiner Werte, Grenzen und Ressourcen bewusst ist, kann authentisch begleiten, ohne sich selbst zu verlieren.

Ein offener Umgang mit Tod und Trauer in Ausbildung und Teamkultur stärkt nicht nur die psychische Gesundheit der Fachkräfte, sondern auch die Qualität der Begleitung. Fortbildungen zur Trauerarbeit, zur Kommunikation am Lebensende oder zur Selbstfürsorge sind keine Kür, sondern essenziell. Denn nur wer sich selbst gut hält, kann andere halten – mit Mitgefühl, Klarheit und echter menschlicher Präsenz.

Das gilt besonders für Rettungsdienste und Pflegepersonal oder Einsatzkräfte wie Polizisten, die regelmäßig mit plötzlichem Tod, Suizid oder belastenden Szenen konfrontiert sind. Für sie sind spezielle Schulungen zur Trauer- und Krisenkommunikation, zur Selbstfürsorge und zum Umgang mit sekundärer Traumatisierung unverzichtbar – nicht nur zum Schutz der Betroffenen, sondern auch zur Stärkung der eigenen Resilienz. Denn auch im professionellen Kontext braucht es Räume, in denen Überforderung und Mitgefühl nebeneinander bestehen dürfen.

Zum Schluss

Abschied und Trauer gehören untrennbar zu unserem Lebensweg. Wer sich dem Tod nicht verschließt, gewinnt oft eine neue Wertschätzung für das Hier und Jetzt. Die Auseinandersetzung mit Endlichkeit kann uns lehren, Beziehungen achtsamer zu pflegen und Momente bewusster zu erleben.

Sterben ist ein vielstufiger Prozess, geprägt von körperlichen Veränderungen, seelischen Phasen und existenziellen Fragen. Kulturelle Rituale spenden Trost und stiften Gemeinschaft – sie dürfen neu belebt und individuell gestaltet werden. Trauer verläuft nicht linear. Jeder Mensch findet eigene Wege: durch Rituale, Gespräche, kreative oder körperliche Zugänge.

Die Sterbeamme nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Sie verbindet fachliches Wissen mit empathischer Präsenz, gestaltet Rituale und begleitet Sterbende wie Hinterbliebene durch eine Zeit großer Verletzlichkeit. Doch auch jenseits professioneller Zuwendung kann jeder von uns ein Halt sein – durch Zuhören, liebevolle Gesten oder das Teilen von Erinnerungen.

Wenn wir Abschied nicht verdrängen, sondern Räume für Trauer und Mitgefühl schaffen – im Freundeskreis, in der Familie oder durch gesellschaftliche Initiativen – gestalten wir ein Miteinander, das trägt. Denn nur, wer loslassen kann, weiß das Leben in seiner ganzen Tiefe zu feiern.

Autor: Simone Mebdouhi
Thema: Wege durch Trauer und Sterben
Webseite: https://www.red-coach.de

Autorenprofil Simone Mebdouhi:

Als Heilpraktikerin für Psychotherapie leite ich meine eigene Praxis und habe mein Fachwissen durch gezielte Zusatzausbildungen in Entspannung, Resilienz und Achtsamkeit ergänzt. Mein Studium in Gesundheitspsychologie und Medizinpädagogik ermöglicht mir fundiertes Wissen praxisnah zu vermitteln. Mit langjähriger Berufserfahrung als Gesundheits- und Krankenpflegerin im psychiatrischen Bereich und meiner Tätigkeit als Dozentin gestalte ich Seminare, Fachunterricht und Ausbildungen an unterschiedlichen Bildungseinrichtungen.

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