Wie kann man Konflikte in der Familie lösen?

„Andere wollen auch mal ins Bad“, „Nie denkst du dran, den Müll rauszubringen.“, „ Oh, toll! Noch mehr Schuhe…“, „Fußball, Fußball, Fußball! Du hast auch noch eine Familie.“

silhuette konflikt familie

Jeder kennt solche oder ähnliche Konfliktthemen. Entweder aus seiner Kindheit oder auch von seiner eigenen Familie. Konflikte entstehen ganz automatisch, wenn zwei oder mehr Personen zusammen leben. In einer Partnerschaft ohne Kinder kann man sich das Leben vielleicht noch so gestalten, dass Konflikte ausgespart werden. In dem Fall kann man aber kaum noch von einer Partnerschaft sprechen. Spätestens dann, wenn Kinder ins Spiel kommen, kommt man um Konflikte nicht herum.

Denn Kinder stellen vom Tag ihrer Geburt an Anforderungen an ihre Eltern, beziehungsweise die Erwachsenen in der Familie: sie haben Hunger, sie wollen gewickelt werden und sie brauchen Liebe. Und sie brauchen alles sofort. Da gibt es kein Verhandeln, das Wort „gleich“ ist für das Kind noch ohne Bedeutung Mit zunehmendem Alter vermehren sich die Bedürfnisse des Kindes und häufig ist die einzige Konstante in der Entwicklung der Wunsch nach sofortiger Bedürfnisbefriedigung.

Aber was ist mit uns Erwachsenen? Schließlich haben wir uns doch gerade erst mehr oder weniger von unseren eigenen Eltern abgenabelt, sind finanziell unabhängig und können endlich alles das tun, was wir möchten. Und schon sollen wir wieder zurückstecken? Nicht wenig Elternteile müssen mit diesem inneren Konfliktpotential jonglieren.

In den allermeisten Fällen besteht im Normalfall jedoch eine feine Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und dem bewussten Verzicht auf deren Erfüllung aus Liebe zum Kind. Analog zum Spruch „kleine Kinder - kleine Sorgen, große Kinder - große Sorgen“ kann man sagen, dass diese Balance mit zunehmendem Alter des Kindes immer instabiler wird. Die Ansprüche des Kindes steigen. Statt „Essen“, „Windel“, „Liebe“ heißt es, ehe man es sich versieht, „Handy“, Playstation“, „Führerschein“. Auch wenn der Sprung nicht so groß ist, wie oben dargestellt, so ist es doch eine ständige Herausforderung an die Eltern, den Bedürfnissen der Kinder angemessen zu folgen.

Mit steigenden Wünschen und Ansprüchen sind die Eltern immer öfter gefordert, Grenzen zu setzen und konsequent zu sein. Und „mehr Grenzen“ bedeutet, dass die Gefahr eines Konflikts steigt. Kinder beobachten sehr genau, wer mehr darf oder mehr bekommt als sie. Und es ist nur natürlich, dass sie es für sich auch versuchen einzufordern:

„Peter hat auch das neuste Handy. Wenn ich das nicht habe, mag mich keiner mehr. Und ihr seid schuld!“

„Ihr seid echt doofe Eltern! Alle dürfen auf die Party, und ich bin mal wieder der Außenseiter.“

Hier heißt es, auf der einen Seite standhaft zu bleiben, dem Kind auf der anderen Seite aber nicht das Gefühl zu geben, mit seinen sozialen Befürchtungen alleine dazustehen.

Umgang mit Konflikten

Je älter das Kind also wird, desto häufiger müssen wir Grenzen setzen und desto weniger lässt das Kind etwas „einfach so“ mit sich machen. Ist es uns als Säugling noch hilflos ausgeliefert, so merkt ein Dreijähriger, der sich im Supermarkt schreiend und zeternd auf den Fußboden wirft, weil er keinen Schokoriegel bekommt, bereits, welche Macht er ausüben kann.

Genau genommen die Macht, uns an die Grenzen unseres Erwachsenen–Ichs zu bringen. Da stehen der Idee, wie souverän wir als Eltern eigentlich agieren sollten auf einmal unsere eigenen Gefühle von Hilflosigkeit oder Wut gegenüber. Und weil kein Mensch, und wir uns als Eltern erst recht nicht, sich so fühlen möchten, verhalten wir uns unsouverän. Entweder verhalten wir uns selber wie ein Kind und fangen an rumzuschreien und emotional zu erpressen oder werden – In der bewussten Hoffnung, souverän zu wirken – strenger, als wir sein müssten.

Der äußere Konflikt mit unserem Kind spricht also einen inneren Konflikt bei uns an. Unser Kind hat uns unsere eigene innere Begrenztheit aufgezeigt. Beziehungsweise hat es uns gezeigt, dass wir nicht immer die coolen Eltern sind, die wir gerne wären. Ohne es zu wissen hat unser Kind uns gezeigt, wo wir noch unbearbeitete Themen haben.

Vorbild sein

Um in Bezug auf Konflikte und Konfliktverhalten ein Vorbild sein zu können, ist es sinnvoll, die eigenen inneren Konflikt-Themen zu kennen und möglichst viele davon bereits befriedet zu haben.

Karl Valentin wird der folgende Satz zugeschrieben: „Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach“.

In diesem Satz steckt sehr viel Wahrheit, denn Wasser predigen und Wein trinken funktioniert in Familien besonders schlecht. Denn gerade Kinder haben sehr feine Antennen für Authentizität, Integrität und Wahrhaftigkeit. Wie oben schon beschrieben, haben Kinder die Fähigkeit, uns an unsere eigenen Grenzen zu bringen. Ob wir das gut finden oder nicht: es wird zwangsläufig passieren. Die Frage, die wir Eltern uns stellen müssen, ist: wie wollen wir damit umgehen?

Wollen wir unsere Kinder bestrafen, weil sie uns dazu bringen, unsere Komfortzone zu erweitern? Oder wollen wir die Chance lieber nutzen, um uns weiter zu entwickeln? Viele Menschen dachten in ihre Kindheit, wenn man erwachsen ist, ist man als Mensch „fertig“. Doch nach meiner Beobachtung ist man dann nicht „fertig“, man wird häufig einfach nur träge.

Komfortzone oder Leben?

Wie ich es oben im Falle der Beziehung beschrieben habe, in der sich die Partner nicht mehr „belästigen“ – also eine unerfüllte Beziehung führen – so ist man auch in der Lage, sich selbst nicht mehr „ auf die Füße zu treten“. Das ist dann das Leben in der Komfortzone: Es ist zwar risikoarm, aber gleichzeitig auch arm an Spannung, Herausforderung, Erfolgen und vielem mehr.

Wenn uns ein Kind in unsere Grenzen bringt, und wir dieses Kind deswegen abwehren oder ablehnen, dann sagen wir nicht nur „nein“ zum Kind, sondern auch „nein“ zu uns selbst. Denn wir verhindern sowohl eine wahrhaftige Verbindung zu uns selbst, als auch eine wahrhaftige Verbindung zum Kind. Damit wir in unserer Komfortzonen-Rolle bleiben können, muss das Kind in seiner dazu passenden Rolle verharren. Das mag bis zu einem gewissen Alter funktionieren, spätestens in der Pubertät zeigt sich aber, wie nachhaltig die familiäre Stabilität ist.

Kinder sind nie schuld

Einer der prägendsten Sätze, dich in meinen Aus- und Weiterbildungen gehört habe, ist: Kinder sind nie schuld. Der ein oder andere mag diesen Satz jetzt vielleicht skeptisch durchdenken, konsequent zu Ende gedacht bleibt aber keine andere Möglichkeit, als ihm zuzustimmen: Denn Kinder sind geprägt durch ihre Eltern oder andere nahestehende erwachsene Personen.

Und da alle Kinder Ihren Bezugspersonen gefallen möchten, aus Gründen der eigenen Versorgungssicherheit sogar gefallen müssen, übernehmen sie elementare Verhaltensweisen der Erwachsenen. Dazu zählen unter anderem Kommunikations- und Konfliktverhalten. Wird das Kind auch im Konflikt wertschätzend behandelt? Oder wird seine Persönlichkeit, seine Identität angegriffen und in Frage gestellt?

Konfliktlösung

Es gibt mehrere Möglichkeiten, einen Konflikt zu beenden:

  • ignorieren
  • totschweigen
  • unter den Teppich kehren
  • in sich reinfressen

Es gibt meiner Meinung nach jedoch nur eine Möglichkeit, einen Konflikt wirklich zu lösen, und das ist Kommunikation. Das bedeutet aber nicht, das Spiel der gegenseitigen Vorwürfe erneut zu beginnen. Ich meine eine Kommunikation, die sich selbst und das Gegenüber wertschätzt. Eine Kommunikation, in der alle Beteiligten den Mut aufbringen, von eigenen Verletzungen und den eigenen Gefühlen zu erzählen.

Wut und Angriff sind nämlich fast immer Reaktion auf unsere eigene Schwäche. Wenn wir es schaffen, unsere Schwäche zu fühlen und sie anderen mitzuteilen, dann können wir unserem Gegenüber auf einer ganz anderen Ebene begegnen. Auf einer Ebene, auf der es nicht mehr darauf ankommt, etwas darzustellen, sondern auf der es möglich ist, sich als Mensch zu begegnen.

Viele Konflikte – ob in Familien oder woanders – sind also Konflikte mit uns selbst und in uns selbst. Konflikte, weil wir merken, dass wir nicht so sind, wie wir gerne wären. Auch wir haben Schwächen und Unzulänglichkeiten. Damit Frieden zu schließen bedeutet, sich unangreifbar zu machen.

Autor: Jan Göritz, Heilpraktiker für Psychotherapie
Thema: Wie kann man Konflikte in der Familie lösen?
Webseite: https://www.jangoeritz.de

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