Die verborgene Macht unseres Unterbewusstseins
Wenn ich die Menschen betrachte, die meine Praxis für Psychotherapie in Fellbach aufsuchen, sehe ich manchmal Individuen, die sich bemühen, ihren Alltag mithilfe von Bewältigungsstrategien zu meistern. Erfolg in diesem Bereich führt jedoch nicht zwangsläufig zu einem gesünderen oder glücklicheren Leben. Glück definiert sich nicht allein durch die Abwesenheit von Krisen oder von Symptome wie Depressionen, Schlafstörungen, Angst oder Panikattacken. Oftmals werden Personen mit besonders effektiven Bewältigungsstrategien in unserer Gesellschaft besonders belohnt. Diejenigen, die beispielsweise in der Arbeitswelt außerordentliche Leistungen erbringen, werden mit Doktortiteln, Anerkennung und hohen Gehältern belohnt. Doch oft übersehen wir, dass einige von ihnen diese Leistungen nur erbringen, um endlich geliebt zu werden. Diese unterbewusste Motivation wird oft nicht erkannt, da die äußeren Belohnungen die inneren Bedürfnisse überdecken.
Die Zeitkapsel des Unterbewusstseins: Überlebensstrategien aus vergangenen Zeiten
Unser Unterbewusstsein ist ein äußerst mächtiges und intelligentes Wesen. Wenn unbewusste Anteile feststellen, dass die Überlebenschance steigt, wenn wir geliebt werden, lenken sie uns in diese Richtung. Wir mögen uns dessen nicht bewusst sein, aber wir werden zum Teil von Anteilen gesteuert, die in einer früheren Zeit entstanden sind und immer noch auf vergangene Gegebenheiten und Umstände reagieren. Diese unbewussten Anteile sind gewissermaßen in der Zeit gefangen und funktionieren weiterhin wie auf Autopilot. Was früher als funktionale und intelligente Bewältigungsstrategie diente, kann später dysfunktional werden, wenn sich die Umstände ändern.
Die Rolle der Elternliebe: Kindheitserfahrungen und unbewusste Schutzmechanismen
Wenn etwa Kinder um die Liebe ihrer Eltern kämpfen müssen, aber diese Liebe nie erhalten, fühlen sie sich nie wirklich sicher. Das Fehlen von Fürsorge und Aufmerksamkeit von Bezugspersonen lässt ein Kind verletzlich zurück. In solchen Situationen springt unser Unterbewusstsein ein, um uns zu schützen. Es entwickelt Strategien, um das zu bekommen, was wir brauchen, um Sicherheit zu finden. Wenn etwa Eltern viel arbeiten und gestresst nach Hause kommen, erhalten ihre Kinder möglicherweise nicht genug Aufmerksamkeit, was unser Unterbewusstsein als Unsicherheit wahrnimmt. Unser Unterbewusstsein ist stets darauf bedacht, uns am Leben zu erhalten, gesund zu halten und Sicherheit zu gewährleisten. Es erfüllt seine Aufgabe so gewissenhaft, dass es selbst dann, wenn sich die Umstände bereits geändert haben und wir als Erwachsene einen gewissen Weg einschlagen wollen, blockiert werden.
Die Dynamik von Bewusstsein und Unterbewusstsein: Ein Reiter und sein Mammut
Unser Bewusstsein ist wie ein Reiter, während unser Unterbewusstsein wie ein Mammut ist, auf dem der Reiter reitet. Idealerweise unterstützt das Mammut den Reiter auf seinem Weg. Doch wenn das Mammut Gefahr wittert, blockiert es den Reiter, ungeachtet dessen, ob dies für den Reiter verständlich ist oder nicht. Die Priorität des Mammuts liegt nicht darin, die Wünsche des Reiters zu erfüllen, sondern vielmehr für Sicherheit und Schutz zu sorgen. Unser Unterbewusstsein basiert vor allem auf früheren Erfahrungen. Wenn eine heiße Herdplatte Schmerz verursacht hat, vermeiden wir beim nächsten Mal den Kontakt damit. Solche Lernerfahrungen sind sinnvoll und müssen gespeichert werden, um sie später automatisch abzurufen, ohne bewusstes Zutun. Wir wollen nicht jedes Mal neu lernen, wie man ein Auto bedient, wenn wir es benutzen. Solche Lernprozesse müssen automatisiert werden, damit sie effizient ablaufen können.
Die Macht der Automatisierung: Kindliche Ängste und ihre Auswirkungen auf das Erwachsenenleben
Wenn wir also gelernt haben, dass wir durch Fleiß und gute schulische Leistungen die Aufmerksamkeit und Fürsorge unserer Eltern erhalten können, wird diese Erfahrung gespeichert und später automatisiert. Unser Unterbewusstsein erkennt eine Möglichkeit, mehr Sicherheit zu erlangen, und handelt dementsprechend. Oftmals sind wir uns nicht bewusst, dass unsere Handlungen von tief sitzenden Ängsten geleitet werden. In solchen Fällen handelt eine Person immer noch aus kindlichen Ängsten heraus, ohne ihre wirklichen Bedürfnisse zu erkennen. Je belastender die frühen Erfahrungen sind, desto weiter können die Wünsche des Reiters und des Mammuts auseinandergehen. Dies kann für den Reiter zunehmend problematisch werden und zu psychischen Beschwerden und Krankheiten führen.
Von der kognitiven Erkenntnis zur emotionalen Integration: Ein ganzheitlicher Ansatz in der Psychotherapie
Psychotherapie, insbesondere Traumatherapie, kann helfen, automatisierte Verhaltensweisen zu erkennen und wieder zu integrieren. Jedoch reicht es oft nicht aus, diese Anteile rein kognitiv zu erkennen. Um sie zu aktualisieren und weniger auf vergangene Umstände zu fixieren, müssen wir in die emotionale Welt dieser Anteile eintauchen. Wir können emotionale Probleme nicht allein auf rationaler Ebene lösen. Hier kommen therapeutische Werkzeuge wie EMDR, Innere Kindarbeit und die Aktivierung innerer Ressourcen zum Einsatz. Wenn es gelingt, Mitgefühl zwischen Reiter und Mammut zu fördern, kann dies ein entscheidender Schritt zur Heilung sein.
Die Rolle des Therapeuten als Geburtshelfer für unterdrückte Gefühle
Wenn ein Gefühl wie Angst im Nachhinein vollständig erlebt wird, kann es sich endlich verändern. Gefühle sind im Fluss, wenn sie gefühlt werden, stagnieren aber, wenn sie unterdrückt werden. Je länger und stärker die Unterdrückung erfolgt, desto schwerwiegender können die Folgen sein. Wenn ein starkes Gefühl über Jahre hinweg unterdrückt wird, kann dies erhebliche Auswirkungen auf das Leben einer Person haben und zu psychischen Beschwerden wie Depressionen, Panikattacken, Schlafstörungen etc. führen. Oft bemerken wir diese Unterdrückung nicht, da wir in unserer früheren Umgebung bemerkt haben, dass es unsicher oder unerwünscht ist, dieses Gefühl zu fühlen. Krisen oder Symptome zeigen uns schließlich, dass diese alten Gefühle nach Erlösung streben. In solchen Momenten agieren Therapeuten oft als Hebammen, die einen sicheren Raum schaffen, indem das Unterdrückte endlich ans Licht kommen kann, um ein neues Leben zu beginnen.
Geborgenheit und Sicherheit: Die Integration innerer Schutzmechanismen
Ein Problem bei diesem Geburtsprozess kann sein, dass unser Unterbewusstsein starke innere Wächter aufgestellt hat, die um jeden Preis diese Geburt verhindern wollen, weil sie dann das schlimmste fürchten würden. Wenn wir in einer Umgebung aufgewachsen sind, wo es nicht erlaubt war, Gefühle zu fühlen, dann beziehen sich diese inneren Wächter noch immer auf diese damals gültige Wahrheit. In solchen Fällen kann es Sinn machen, zunächst eine gute Beziehung zu diesen Wächtern herzustellen. Dankbarkeit und Wertschätzung für ihre gut gemeinte Schutzfunktion, die damals auch total berechtigt war, sorgt häufig dafür, dass sich diese Wächter ein wenig entspannen. Wenn wir diesen Wächtern klarmachen, dass sie beim Thema Sicherheit auf jeden Fall weiterhin auf dem Chefsessel sitzen werden, entspannen sie sich noch ein wenig mehr. Wenn wir ihnen dann erklären, dass wir ihnen nur dabei helfen wollen, ebenfalls für Schutz und Sicherheit zu sorgen, dann fangen sie eventuell langsam an Interesse zu zeigen. Wenn wir in der Therapiesitzung dann auch noch konkrete Maßnahmen durchführen, um für ein Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und Schutz im Körper zu sorgen, dann gehen wir langsam ein Bündnis mit ihnen ein. Sobald wir das Mammut mehr auf unserer Seite haben, haben wir einen starken Verbündeten. Und sobald sich das Mammut wieder sicher und beschützt fühlt, können wir anfangen, ihm die wertvollen Updates zu geben, sodass es sich weniger und weniger auf die damaligen Umstände bezieht und sich mehr und mehr auf die heutigen Ziele und Wünsche des Reiters stürzen kann.
Autor: Andreas von Knobelsdorff, Heilpraktiker für Psychotherapie
Thema: Die Rolle von Mitgefühl und Selbstreflexion in der Psychotherapie
Webseite: https://www.knobelsdorff-therapie.de
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