Wenn Menschen früher mit emotionalen Blockaden, Mangel an Motivation oder Stress zu mir zum Coaching kamen, begann manchmal ein langer, zäher Weg, mit dem auch ich als Coach nicht zufrieden war.
Ich wollte effektiver und vor allem schneller helfen können! Also machte ich mich auf die Suche nach Methoden, die meinen bereits recht umfangreichen „Werkzeugkasten“ noch ergänzen könnten.
Mit EMDR fand ich dann genau das Tool, das mir fehlte: ein hoch effektives Kurzzeit-Coaching, das wissenschaftlich gut erforscht und psychologisch fundiert ist. EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing (deutsch: Desensibilisierung und Neuverarbeitung durch Augenbewegungen) und ist eine Methode, die ursprünglich aus der Traumatherapie stammt, deren Nutzen mittlerweile aber auch für viele Themen im Coaching belegt ist – insbesondere, wenn es um emotionale Blockaden geht. Und das Beste ist: Man kann es auch im Selbstcoaching einsetzen, wie ich hier zeigen werde.
Schnelle Fortschritte dank EMDR
Seit ich EMDR einsetze, gehören Erfahrungen wie diese zu meinem Alltag als Coach:
Die Mitarbeiterin eines Forschungsinstituts erlebte allein beim Gedanken an das nächste Teamtreffen maximalen Stress. Ihr wurde übel, sie konnte nicht mehr klar denken, fühlte sich hilflos und ausgeliefert. Beim EMDR-Coaching erinnerte sie sich plötzlich an eine Szene aus der Schule.
Der Geschäftsführer einer gemeinnützigen Bildungseinrichtung z.B. erzählte von den Ängsten und Sorgen, die sich einstellten, wenn er daran dachte, dass die Fördermittel in drei Jahren ausliefen. „Dann stehst du auf der Straße“, war der beherrschende Gedanke. Die Panik, die damit verbunden war, spürte er deutlich im Nacken. Nach einem insgesamt 45-minütigen Coaching- Termin mit EMDR nahm er eine erste Linderung wahr. Beim nächsten Treffen berichtete er: „Ich kann es mir nicht erklären und ich bin völlig verblüfft, aber die Angst ist weg. Ich habe ja noch so viel Zeit, das kann ich gelassen angehen und neue Fördermittel beantragen.“
Die gute Nachricht ist: Auch Sie können Ähnliches erleben, wenn es darum geht, Blockaden und Ängste aufzulösen, Stress zu lindern und neue Motivation zu gewinnen. Einen Coach zu haben, ist sehr oft ideal, doch nicht immer finanzierbar und auch nicht immer nötig. Sie können EMDR nämlich auch im Selbstcoaching anwenden.
Ich stelle Ihnen hier ein Lernprogramm vor, das Sie idealerweise konsequent durcharbeiten und in dem ich Sie durch den kompletten EMDR-Prozess führe. Sie lernen die Hintergründe der Methode kennen sowie den Grundprozess, der bei den meisten Themen anwendbar ist. Und schließlich erfahren Sie noch, wie Sie mit EMDR neue Ressourcen aufbauen und Ängste und Stress reduzieren können.
Schritt 1: Emotionale Blockaden identifizieren
Blockaden können äußerst vielfältig sein: mangelnde Selbstmotivation, Lernblockaden, Prüfungs- oder Auftrittsangst, aber auch die Angst vor einer Zahnbehandlung oder einem Flug. Hier kann EMDR entlasten.
Der Ansatz kann Ihnen auch helfen, wenn Sie Ihre Kreativität steigern möchten. Oder wenn Sie sich nach einer schwierigen Situation „entstressen“ wollen, zum Beispiel nach einem Streit oder nach einem anstrengenden Kundengespräch.
Manche Menschen leiden unter Heißhunger auf bestimmte Süßigkeiten oder haben Probleme mit ihrem Selbstbild und planen vielleicht schon eine Schönheitsoperation. Sogar bei solchen Themen können sich Ihre Blockaden lösen.
Überlegen sie sich, für welche Themen Sie Lösungen finden wollen. Erstellen Sie sich eine Liste der Blockaden, an denen Sie gerne mit EMDR arbeiten wollen.
Probleme lösen im Schlaf
Innere Blockaden, Ängste und emotionaler Stress entstehen im Gehirn. In manchen Situationen, die uns stressen, ist unser Emotionszentrum überfordert. Gefühle werden dann nur unvollständig verarbeitet. Im Schlaf kann dies nachgeholt werden.
Die unvollständige Verarbeitung von Emotionen kann man sich in etwa so vorstellen: Sie kommen gerade mit vielen Tüten bepackt vom Einkaufen nach Hause und ausgerechnet in diesem Moment klingelt das Telefon. Sie stellen vermutlich alle Tüten einfach irgendwo am Boden ab und beantworten den Anruf. Später können Sie dann in Ruhe die Tüten auspacken und den Inhalt an den richtigen Ort räumen – in den Kühlschrank, in die Vorratskammer, in den Schrank.
Nach Stresssituationen kann es passieren, dass – bildhaft gesprochen – die Einkaufstüten auf dem Boden liegen bleiben. Sie stehen im Weg, man stolpert immer wieder darüber, manchmal fängt der Inhalt an zu schimmeln und zu faulen und entwickelt unangenehme Gerüche.
So eine „unaufgeräumte Situation“ erlebt man als innere Blockade. Man kann sich nicht mehr anders verhalten. Das Tückische daran: Man weiß meist gar nicht mehr, woher sie kommt. Sie schränkt ein, aber man sieht nur die Auswirkungen. Und vor allem läuft die Blockade automatisch ab – man kann sich nicht dagegen wehren.
Welche Reaktionen laufen bei Ihnen automatisch ab?
Emotionale Blockaden entstehen im Gehirn
Emotionaler Stress und die damit verbundenen inneren Blockaden entstehen im limbischen System. Das ist die Funktionseinheit im Inneren des Gehirns, die vor allem das Verarbeiten von Emotionen und das Triebverhalten steuert – also automatisch ablaufende Prozesse. Außerdem werden im limbischen System Endorphine erzeugt, die Prozesse wie Angst und Hunger steuern und Emotionen beeinflussen.
Besonders an Blockaden beteiligt ist die Amygdala, die wegen ihrer Form auch Mandelkern genannt wird. Sie übernimmt im Gehirn die Rolle eines Alarms. Immer wenn uns Gefahr droht, schrillt der Alarm. In der Regel reagiert man dann automatisch mit bestimmten Verhaltensmustern. Diese Warnreaktion ist extrem schnell und läuft automatisch ab, also nicht über das relativ langsame bewusste Denken.
Um bei zukünftigen Situationen noch schneller zu sein, ist die Amygdala lernfähig. Leider ist sie nicht immer allzu schlau. Es kann passieren, dass die Alarmmeldung, die in einer bestimmten Situation sinnvoll war, auf andere, unpassende Situationen verallgemeinert wird. Angst vor einem bissigen Hund oder einem abwertenden Lehrer zu haben und ihm aus dem Weg zu gehen, war sinnvoll. Doch plötzlich hat man vor allen Hunden Angst oder spürt immer Auftrittsangst, wenn man vor vielen Menschen steht. Erst wenn die ursprüngliche Angsterfahrung aus dem Alarmspeicher gelöscht ist, verschwindet die Angst oder Blockade.
Welche Gefühle könnten hinter Ihren Blockaden stecken? Was würden Sie stattdessen lieber fühlen?
So löst unser Körper selbst innere Blockaden
Der natürlichste und effektivste Stressbewältigungsmechanismus, der uns wieder ins Lot bringt, ist der Schlaf. Viele Probleme oder innere Blockaden verschwinden von selbst oder werden zumindest kleiner, wenn man eine Nacht darüber geschlafen hat. Genauer gesagt: Wenn man die mit einer Situation verbundenen negativen Emotionen im Traum verarbeitet hat.
Im Traum treten so genannte REM-Phasen auf. REM steht für Rapid Eye Movement, das heißt schnelle Bewegungen mit den Augen. Neurowissenschaftler vermuten, dass es während der REM-Phasen zu einer abwechselnden Stimulation der beiden Hirnhälften kommt. Im Fachjargon bilaterale Hemisphärenstimulation genannt. Man „scannt“ das Gehirn nach hilfreichen vergleichbaren Situationen ab. Durch die Einbeziehung von beiden Gehirnhälften kommt es zu einer besseren Verarbeitung von schwierigen Erlebnissen.
Doch dieser Prozess bleibt manchmal unvollständig. Zum Beispiel, wenn eine Situation zu problematisch ist, um sie zu bewältigen. Das kann bei sehr herausfordernden Erfahrungen der Fall sein. Alpträume sind in der Regel nichts anderes als der erneute Versuch des Gehirns, eine noch nicht bewältigte Situation zu verarbeiten. Oft werden solche Erfahrungen auch abgekapselt und führen in uns ein Eigenleben, das man nur punktuell und oft überraschend an unwillkürlich auftretenden Ängsten und Blockaden erkennt.
Mit EMDR kann im Coaching oder Selbstcoaching dieser unvollständige oder misslungene Verarbeitungsprozess nachgeholt werden. Dazu werden bei EMDR unter anderem Augenbewegungen eingesetzt, wie sie auch im Traum vorkommen.
Überlegen Sie einmal: Wann haben Sie zuletzt erlebt, dass „eine Nacht drüber schlafen“ Ihnen sehr geholfen hat? Was veränderte sich? Guter Schlaf ist heilsam.
Den inneren Blockaden mit EMDR begegnen
Hat der Körper – etwa in der Wirbelsäule – eine Blockade, ist die Beweglichkeit eingeschränkt. Häufig vermeiden Patienten dann bestimmte Bewegungen, um die oft schmerzende Stelle nicht zu berühren. Mit seelischen Blockaden ist es ähnlich. Hat man einmal negative Erfahrungen gemacht – z.B. bei einer Präsentation –, geht man weiteren öffentlichen Auftritten oft aus dem Weg. Das Positive an diesem Verhalten: Man schützt sich. Das Negative: Das Leben wird so immer mehr eingeschränkt.
Egal ob klein oder groß – jede Art von Blockade schränkt die innere Beweglichkeit, Leichtigkeit und Freiheit ein. Man wird wie fremdgesteuert und wagt sich an manches nicht mehr heran. Allein durch Willenskraft und Appelle wie „Jetzt reiß dich doch mal zusammen!“ sind Blockaden nicht aufzulösen. Man wird nicht gelassen und ruhig, nur weil einem jemand anderes oder man sich selbst befiehlt: „Mach dich mal locker!“
Kennen Sie das von sich, dass Sie nicht Sie selbst sind, sondern wie fremdgesteuert reagieren?
Mit EMDR erfolgreich emotionale Blockaden lösen
EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing (deutsch: Desensibilisierung und Neuverarbeitung durch Augenbewegungen). EMDR ist eine klinische Trauma-Therapie, welche die Psychologin Francine Shapiro begründete. Sie kam zu dem Schluss, dass der Verarbeitungsprozess, der nachts in den REM-Phasen stattfindet, in denen sich die Augen schnell hin und her bewegen, auch tagsüber greift.
Sie setzte das in ihrer therapeutischen Arbeit ein: Patienten erinnerten sich aktiv an die traumatische Situation. Gleichzeitig folgten sie mit den Augen der Hand von Frau Shapiro, die sie vor ihren Augen schnell hin und her bewegte. Das Ergebnis: Traumata konnten weit schneller und vor allem nachhaltiger bewältigt werden als bei anderen Therapiemethoden. EMDR wurde für den klinischen Bereich sehr gut erforscht und gilt hier als wirksame und nachhaltige Therapiemethode. Mittlerweile wird EMDR im Coaching auch für Situationen genutzt, in denen man weiterkommen will, ohne dass notwendigerweise ein therapeutisches Problem besteht.
Der Kerngedanke von EMDR liegt darin, REM-Phasen im Wachzustand auszulösen. Das geschieht meist dadurch, dass der Coach etwa 30 Sekunden lang seine Finger von rechts nach links und zurück vor den Augen einer Person hin und her bewegt. Die Person folgt der Bewegung mit den Augen. Dieses Vorgehen führt zu einer bilateralen Hemisphärenstimulation und unterstützt die Verarbeitung von Blockaden. Während der Augenbewegungen konzentriert sich die Person auf die negativen Gefühle und Gedanken, die mit einer bestimmten Situation zusammenhängen.
Häufig zeigen sich schon wenige Wink- Durchgänge, so genannte Sets, als wirksam. Der Klient erlebt den verblüffenden Effekt, dass er tief auf- und durchatmet, negative Erinnerungen verblassen und belastende Gefühle sich auflösen.
Weil jede Rechts-links-Aktivierung den Lösungsprozess fördert, kann man auch eigens komponierte Musik nutzen, die über Kopfhörer abwechselnd rechts und links das Gehirn stimuliert. Oder sanftes Klopfen auf Beine oder den Rücken. Im Selbstcoaching kommt auch die Butterfly-Technik zum Einsatz, in der man sich abwechselnd auf die Schultern klopft.
Mit EMDR in 5 Schritten innere Blockaden lösen
Hier lernen alle Schritte von EMDR für das praktische Vorgehen, so dass Sie den ganzen Prozess für Ihr erstes Anliegen komplett alleine durchführen können. Beginnen wir dazu mit den vorbereitenden Schritten 1 bis 3.
Schritt 1: Ihr Thema
Im ersten Schritt des Selbstcoachings legen Sie Ihr Thema fest. Wenn Sie noch nicht so viel Erfahrung mit EMDR oder Selbstcoaching haben, empfehle ich Ihnen, ein Thema auszuwählen, das Sie nicht allzu sehr belastet. Das wird Ihr Übungsthema für den ersten Versuch.
Wichtig: Das Gehirn denkt in Bildern. Es genügt also nicht, nur ein abstraktes Thema – etwa Flugangst – zu finden. Es braucht eine damit verbundene Schlüsselsituation, z. B. Sicherheitskontrolle, Enge, Gepäck verstauen, Turbulenzen etc.
Eine Frau bei mir im Coaching dachte an eine längst vergangene Szene aus ihrer Kindheit, als sie an ihrer Auftrittsangst arbeiten wollte. Ein Lehrer hatte sie an der Tafel bloßgestellt. Der Schlüssel muss aber nicht in der Kindheit liegen. Oft findet sich der unangenehmste Moment, mit dem man in den Prozess einsteigt, in der jüngeren Vergangenheit. Manchmal liegt die stressauslösende Situation nur wenige Stunden oder Tage zurück.
Formulieren Sie nun Ihr Übungsthema. Was ist der unangenehmste Moment dabei? Welches Bild ist damit verbunden?
Schritt 2: Das Gefühl
Was für den einen Menschen schlimm ist, ist für einen anderen kein Problem und umgekehrt. Deshalb ist das Wichtige nicht die Situation an sich, sondern die damit verbundenen Emotionen. Vergegenwärtigen Sie sich also Ihr Thema, die dazugehörige unangenehmste Situation und das dabei auftauchende innere Bild. Fragen Sie sich: Welches Gefühl spüren Sie am intensivsten?
Manchen Menschen fällt es nicht leicht, das zentrale Gefühl zu benennen. Die folgende unvollständige Liste kann Ihnen in diesem Fall vielleicht helfen: Angst, Panik, Wut, Ärger, Trauer, Traurigkeit, Ekel, Scham, Nicht-Empfinden/ Taubheit, Empörung, Genervt-Sein, Verlustschmerz, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Schock, Überraschung, Verwirrung, Schuld, Gekränkt-Sein, Neid, Ablehnung, Hass, Abscheu, Müdigkeit, Schmerz oder Erschöpfung.
Wenn Sie die negative Emotion, die mit Ihrem Thema verbunden ist, entdeckt und benannt haben, dann bestimmen Sie noch die persönliche Intensität. Nutzen die dafür eine Skala, die von -10 (das stärkste vorstellbare Unbehagen) über null (neutral) bis zu +10 (das stärkste angenehme Gefühl, das Sie sich vorstellen können) reicht.
Schritt 3: Body-Scan
Körper und Psyche sind untrennbar verbunden. Die Beziehung zwischen beiden lässt sich am besten als Wechselwirkung beschreiben: Der Körper beeinflusst die Psyche und die Psyche beeinflusst den Körper.
Auch der Körper hat eine Gedächtnisfunktion: Jede Erfahrung, jedes Erlebnis ist auch mit einer Körperwahrnehmung verbunden und wird entsprechend abgespeichert. Unser Gedächtnis merkt sich Situationen nämlich nicht abstrakt, sondern ganz konkret: Was habe ich in dieser Situation gesehen? Gerochen? Gefühlt? Geschmeckt? Gehört? Welche Haltung habe ich eingenommen? Wie hat mein Körper reagiert?
Eine Frau z.B. reagierte immer mit Anspannung, wenn eine Person aus der Verwandtschaft sie am Arm berührte. Andere Berührungen waren okay. Später wurde ihr klar, dass diese Person sie Jahre zuvor einmal schmerzhaft festgehalten hatte – am Arm. Der Körper hatte sich das gemerkt.
Körperwahrnehmungen werden bei EMDR genutzt, um die Erinnerung an eine belastende Situation, die hinter einer Blockade steckt, im Gehirn zu aktivieren und später aufzulösen. Weil man dabei in den Körper hineinhorcht, ihn „abtastet“, wird dieser Schritt als Body- Scan bezeichnet.
Wenn Sie sich die unangenehmste Situation bewusst machen und das damit verbundene Gefühl: Wo spüren Sie es im Körper? Ist es ein Kloß im Hals? Ein Knoten im Bauch? Eine Spannung im Nacken? Nehmen Sie genau wahr, wo Sie etwas spüren. Wie fühlt sich das genau an? Vielleicht möchten Sie Ihr Körpergefühl auch in einer Strichmännchen-Skizze festhalten.
Schritt 4: Die Intervention
Unter „Intervention“ versteht man das Vorgehen, mit dem negative Emotionen und innere Blockaden aufgelöst werden. Oder positive gestärkt. Bei EMDR mit einem Coach geschieht das meist durch vom Coach geführte Augenbewegungen. Dadurch werden die Gehirnhälften abwechselnd aktiviert und der Lösungsprozess in Gang gesetzt. Im Selbstcoaching kann man die so genannte Schmetterlings- oder Butterfly- Technik anwenden, die ähnliche Effekte hat. Gehen sie folgendermaßen vor:
- Setzen Sie sich bequem auf einen Stuhl, ohne die Beine zu überkreuzen. Alternativ können Sie aber auch liegen oder stehen.
- Überkreuzen Sie die Unterarme vor der Brust und legen Sie die Hände auf die Schultern. Die rechte Hand ruht jetzt auf der linken Schulter, die linke Hand auf der rechten Schulter.
- Klopfen Sie abwechselnd mit den Handflächen leicht auf Ihre Schultern – pro Sekunde einmal links und einmal rechts. Ein Durchgang („Set“) dauert dabei etwa 30 bis 40 Sekunden. Atmen Sie nach jedem Set tief ein und aus.
„Das soll alles sein?“, fragen Klienten ab und zu. Ja, das ist alles. Der Effekt der Butterfly-Technik ist überraschend und entlastend. Das Staunen liegt vermutlich daran, dass wir in der Psychologie vor allem verbale Methoden kennen. Eine Intervention, die mehr oder weniger ohne Worte funktioniert, weil sie auf der neurobiologischen Ebene abläuft, ist für die meisten Menschen ungewohnt.
Probieren Sie die Butterfly-Technik gleich einmal aus. Zu Übungszwecken vergegenwärtigen Sie sich noch nicht „Ihre“ Situation, sondern denken erst einmal an etwas Angenehmes. Spüren Sie nach, was in Ihnen dabei passiert.
Die Butterfly-Intervention wird – mit kurzen Pausen – mehrmals hintereinander durchgeführt. So lange bis beim Gedanken an das Thema und die unangenehmste Situation keine negativen „Restempfindungen“ mehr auftauchen. Der Zustand wird zwischendurch immer wieder mit einem kurzen Body-Scan überprüft. Im Prozess tauchen oft weitere Körpergefühle auf. Das ist okay.
Schritt 5: Die Verankerung
Wenn alle Blockaden und negativen Gefühle gelöst sind, geht es darum, das stärkende Ergebnis zu verankern und in die Zukunft mitzunehmen. Dabei gehen Sie so vor: Formulieren Sie einen Satz über Sie selbst, der beschreibt, wie Sie sich nun selbst sehen, wenn Sie an Ihr Thema denken. Dieser Satz sollte positiv oder zumindest neutral-zuversichtlich sein. Er könnte beispielsweise lauten: „Ich bin in Ordnung, so wie ich bin.“ Oder: „Ich kann mir selbst vertrauen.“ Oder: „Ich kann damit umgehen.“ Ist ein neutral-positiver Satz noch nicht stimmig? Dann haben Sie eventuell zu früh aufgehört. Machen sie noch einige Sets.
Wenn Sie den Satz haben, konzentrieren Sie sich auf das ursprüngliche Bild zu Ihrem Thema. Denken Sie gleichzeitig an den positiven Satz über sich selbst. Dann wenden Sie die Butterfly-Technik etwa zehnmal an. Denken Sie abschließend an eine zukünftige Situation zu Ihrem Thema und überprüfen Sie die Gefühle, die das auslöst. Wenn noch negative Gefühle mitschwingen, dann stellen Sie sich die Situation möglichst konkret vor und führen Sie dazu einige Sets durch.
Zusammenfassung der Schritte: Alles auf einen Blick
Um an einem Thema zu arbeiten, werden alle 5 Schritte des EMDR direkt nacheinander „auf einen Rutsch“ durchgeführt. Suchen Sie sich dafür einen Raum, wo Sie ungestört sind und nehmen Sie sich mindestens eine halbe Stunde Zeit, besser mehr.
Die 5 Schritte:
- Thema: Was ist Ihr Thema? Was ist der unangenehmste Moment dabei? Welches Bild ist damit verbunden?
- Gefühl: Um welches Gefühl geht es? Wie schlimm ist das Gefühl auf einer Skala von -10 über 0 bis +10, wenn Sie jetzt daran denken?
- Body-Scan: Wo spüren Sie die negative Emotion im Körper? Wie fühlt sich das an?
- Intervention: Führen Sie mehrmals hintereinander die Butterfly-Intervention durch (je Set 30 bis 40 Sekunden), bis beim Gedanken an das Thema und die unangenehmste Situation keine negativen „Restempfindungen“ mehr auftauchen. Überprüfen Sie den Stand zwischendurch immer wieder mit einem kurzen Body-Scan.
- Verankerung: Finden Sie einen positiven Satz, der beschreibt, wie Sie sich jetzt selbst sehen, wenn Sie an Ihr Thema denken. Konzentrieren Sie sich auf die negative Ausgangssituation und denken Sie gleichzeitig an den positiven Satz. Führen Sie dann circa zehn Sets mit der Butterfly-Technik durch. Prüfen Sie abschließend, welche Gefühle der Gedanke an eine zukünftige Situation zu Ihrem Thema bei Ihnen auslöst.
Probieren Sie es aus. Was genau ist jetzt anders als vor Ihrem ersten Selbstcoaching mit EMDR? Sammeln Sie noch mehr Erfahrung, indem Sie den Prozess auf weitere „einfache“ Themen anwenden.
EMDR mit Musik
Die zentrale Wirkung von EMDR besteht in der bilateralen Hemisphärenstimulation – also der Aktivierung beider Gehirnhälften. Das kann durch Augenbewegungen oder durch abwechselndes Klopfen auf die Schultern erreicht werden.
Gerade aber wenn es um Themen geht, bei denen Entspannung wünschenswert ist, bietet sich noch eine andere Alternative an: die schon erwähnte EMDR-Musik.
Diese Musik wirkt neben ihren ausgleichenden Melodien vor allem durch einen Links-rechts-Takt, der abwechselnd die beiden Gehirnhälften auditiv berührt. Das führt zu einer optimalen Zusammenarbeit aller Hirnareale. So wird Stress reduziert und es werden kreative Prozesse angeregt. Damit der Rechts-links-Effekt wirkt, muss die Musik allerdings mit Kopfhörern angehört werden.
Der Rhythmus des Taktes ist „andante“ – so wie der Herzschlag im Ruhezustand. Das senkt messbar die Pulsrate. Der Takt beruhigt das Erregungsniveau des Nervensystems, lässt Stress abfließen, steigert das Wohlgefühl und öffnet den Weitwinkel für lösungsorientiertes Wahrnehmen und Denken.
Statt Butterfly können Sie im Selbstcoaching auch die Musik einsetzen. Sie können die Musik auch beim Spazierengehen oder Ausruhen an einem Stück hören – ohne spezielles Thema.
Überlegen Sie für sich, bei welchen Themen die EMDR-Musik für Sie besser geeignet sein könnte als Butterfly. Probieren Sie es aus.
EMDR-Musik finden Sie auf meiner Homepage unter www.christophschalk.com/stressfrei-mit-mozart. Speziell für das 100. Mozartfest in Würzburg (2021) habe ich die „Kleine Nachtmusik“ von Wolfgang Amadé Mozart mit dem EMDR-Rhythmus kombiniert.
Ängste bewältigen mit EMDR
Sie können mit EMDR Ängste bewältigen, beispielsweise Flugangst, Angst vor einer Zahnbehandlung, Prüfungsangst oder Auftrittsangst vor Publikum.
Dafür ist es sinnvoll, spezielle Stressfaktoren und Angstauslöser zu beachten. Es ist oft nicht die Gesamtsituation, sondern ein Teilaspekt, der die Ängste auslöst. Bei Auftrittsangst können u.a. folgende Auslöser eine Rolle spielen: Publikumsgröße, die Angst vor Zittern oder Versprechern, die Raumgestaltung, die Reaktionen der Zuhörer, die eigene Kleidung oder die Notizen für den Vortrag. Bei Zahnbehandlungsangst können der Geruch der Praxis, das Aufgerufen-Werden, die Vorbereitung der Spritze oder das Geräusch des Bohrers Auslöser sein. Bei Flugangst kommen die Anfahrt, der Check-In, das Schlange-Stehen, die Enge, die Flughöhe und vieles mehr in Frage.
Um Ihre Angstauslöser zu konkretisieren, stellen Sie sich die Angstsituation genau vor und notieren Sie sich alle Momente, die ein flaues Gefühl oder Angst auslösen. Achten Sie dabei genau auf Ihre Reaktionen.
Ich stelle Ihnen das Vorgehen stellvertretend für alle anderen Ängste am Beispiel der Auftrittsangst vor. Sie können den Ablauf aber leicht für Prüfungsangst, Flugangst, Zahnbehandlungsangst und alle anderen Ängste, die sich auf konkrete Situationen beziehen, anpassen.
- Thema: Denken Sie möglichst lebhaft und konkret an den anstehenden Auftritt. Malen Sie sich die Situation in Ihrer Vorstellung detailliert aus und konzentrieren Sie sich insbesondere auf die Auslöser, die Sie entdeckt haben.
- Gefühl: Achten Sie auf die negativen Gefühle, die währenddessen auftauchen, und benennen Sie sie. Ist es einfach nur Angst? Oder vielleicht Scham, Hilflosigkeit, Ärger…? Wie schlimm ist dieses Gefühl für Sie auf der Skala?
- Body-Scan: Spüren sie in Ihren Körper hinein. Wo genau im Körper nehmen Sie dieses Gefühl wahr? Wie fühlt es sich an? Wie reagiert Ihr Körper auf den Auftrittsstress?
- Intervention: Führen Sie mehrmals hintereinander die erlernte Intervention durch: Nutzen Sie Butterfly oder Musik (je Set 30-40 Sekunden), bis Ihr Gefühl bei Gedanken an den Auftritt auf der Skala mindestens zwei Punkte höher liegt. Zwischendurch überprüfen Sie das Gefühl, das Sie gerade im Blick haben, immer wieder mit einem kurzen Body-Scan. Wo spüren Sie es, wie fühlt es sich gerade an?
- Verankerung: Stellen Sie sich jetzt konkret vor, wie Sie Ihren Auftritt erfolgreich bewältigt haben. Spüren Sie dem guten Gefühl dabei nach und verstärken Sie es durch einige Minuten Butterfly oder EMDR-Musik.
Überlegen Sie sich: Was soll nach dem nächsten Auftritt anders sein? Wie können Sie die Wirkung dieses Selbstcoachings überprüfen? Falls Sie an einer anderen Angst gearbeitet haben: Was soll das nächste Mal, wenn diese Situation eintritt, anders sein? Wie können Sie den Erfolg überprüfen?
In manchen Fällen empfiehlt es sich, einen ausgebildeten EMDR-Coach aufzusuchen. Doch auch bei Ängsten kann Selbstcoaching sinnvoll sein: Sei es als Vertiefung des Prozesses, den Sie mit einem Coach begonnen haben, oder sei es für die Arbeit an Ängsten, deren Auslöser Sie kennen.
Stress begegnen mit EMDR
Sie können EMDR nutzen, um sich in stressigen Situationen gezielt zu „entstressen“.
Immer wieder kommt es im Lauf des Tages zu stressigen Situationen: Vielleicht hatten Sie ein stressiges Gespräch mit einem Kunden, der sich beschwert hat. Oder es gibt einen Konflikt mit Ihren Eltern oder Ihrem Partner. Oder Ihr Chef hat Ihnen Stress gemacht und fordert mehr, als Sie leisten können. Oder eines Ihrer Kinder kommt weinend aus der Schule und fordert Ihr Aufmerksamkeit in einem ungünstigen Moment. Eine hohe Rechnung liegt unerwartet im Briefkasten – und das Konto ist leer. Oder der ganze Tag ist einfach nur anstrengend und Sie fühlen sich völlig ausgepowert.
Auch in solchen Situationen kann Ihnen EMDR im Selbstcoaching helfen. Sie können den Prozess wie eine persönliche Wellnessbehandlung nutzen, um wieder aufzutanken, ausgeglichen zu werden und sich gut zu fühlen.
Im Grunde tun Sie dabei nichts anderes, als aktiv hervorzurufen, was der Körper im Schlaf von selbst macht: Negative und belastende Gedanken und Gefühle verschwinden oder rücken in den Hintergrund, angenehme Gefühle und neue Energie entstehen. Sie können den im Folgenden vorgestellten Prozess deshalb auch beim Spazierengehen, auf dem Sofa oder im Bett durchführen.
Am besten eignet sich zu diesem Zweck die EMDR-Musik. Die Butterfly-Technik können Sie zwar verwenden, aber der Entspannungseffekt ist dann nicht so hoch ausgeprägt. Für kurze Entlastung, etwa nach einem schwierigen Gespräch, ist Butterfly jedoch optimal.
Suchen Sie sich den geeigneten Ort und Zeitpunkt, um sich mit EMDR zu entstressen. Sofa, Bett, Spaziergang…? Oft reichen schon 10 Minuten.
- Thema: Was stresst Sie gerade?
- Body-Scan: Spüren Sie in Ihren Körper hinein und nehmen Sie bewusst wahr, in welchem Bereich Sie sich verspannt, gestresst oder einfach nur unbehaglich fühlen. Beschreiben Sie dieses Körpergefühl mit Worten. Ist es zum Beispiel drückend? Spüren Sie eine Last? Ist es dumpf, kreisend oder stechend?
- Metapher: Entwickeln Sie aus dieser Wahrnehmung und Ihrer Beschreibung ein Bild oder eine Metapher. Das könnte beispielsweise lauten: „Es fühlt sich an wie ein Sack voll Sand auf meinen Schultern.“ Oder: „Wie der Schleudergang einer Waschmaschine in meinem Bauch.“
- Intervention: Hören Sie sich die EMDR-Musik über Kopfhörer an. Spüren Sie dabei Ihrer Körperempfindung nach und denken Sie an Ihre Metapher. Achten Sie darauf, dass Ihr Atem nicht flach wird. Wenn Sie Veränderungen wahrnehmen, fassen Sie sie innerlich gleich in Worte: „Der Sack rutscht von den Schultern runter.“ Oder: „Die Anspannung im Bauch löst sich auf.“ Oder: „Der Druck auf der Brust schwindet.“ Wenn Sie zwischendurch abgelenkt sind und an etwas anderes denken, kommen Sie einfach wieder zu Ihren Gefühlen und inneren Wahrnehmungen zurück und nehmen Sie den Rhythmus der Musik wahr.
- Abschluss: Wenn Sie die ersten angenehmen Gefühle wahrnehmen, fassen Sie sie in Worte: Finden Sie auch für sie eine Metapher. Nehmen Sie die positiven Wörter, Gefühle und Metaphern so lange zur Musik wahr, bis keine weitere Verbesserung eintritt.
Woran merken Sie jetzt, dass es Ihnen besser geht? Experimentieren Sie mit diesem Entstressungsprozess über eine längere Zeit mit verschiedenen Stresssituationen.
Die im Artikel erwähnte „EMDR-Nachtmusik“ (EMDR-Rhythmus mit der Kleinen Nachtmusik von Mozart finden Sie hier:
Autor: Christoph Schalk
Thema: Emotionale Blockaden und Stress auflösen
Webseite: https://www.christophschalk.com
Autorenprofil Christoph Schalk:
Ich bin Christoph Schalk aus Würzburg und helfe Menschen leidenschaftlich gerne, Veränderungen so anzupacken, dass es auch wirklich klappt. Deshalb unterstütze ich meine Kunden als Coach, Trainer und Autor seit über 25 Jahren dabei, ihre ganz individuellen Ziele zu erreichen, egal ob beruflich oder privat. Als Diplom-Psychologe, Master Coach EASC und Senior Coach BDP im Berufsverband Deutscher Psychologen sorge ich dafür, dass unsere Angebote wissenschaftlichen Standards entsprechen und auch tatsächlich hilfreich sind. Außerdem bin ich zertifizierter Ausbilder von Coaches und Leiter der Würzburger Akademie für Empowerment-Coaching.
Mehr unter www.christophschalk.com und www.wuerzburger-coach-akademie.de
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