Warum wir beim genauen Hinsehen alle intolerant sind
Toleranz, kaum ein Wort wird so gern im Munde geführt. Jeder will tolerant sein, jeder möchte so wahrgenommen werden.

Kaum ein Politiker, ein Influencer oder ein Unternehmen verzichtet darauf, sich als „offen“, „weltoffen“ oder „tolerant“ zu präsentieren. Aber was bedeutet Toleranz wirklich? Und vor allem: Gibt es sie überhaupt?
Toleranz heißt nicht „Ich finde das gut“.
In unserer Gesellschaft hat sich ein merkwürdiger Kurzschluss eingeschlichen:
- „Ich finde Regenbogen toll – also bin ich tolerant.“
- „Ich mag die Kultur von XY – also bin ich tolerant.“
Doch das ist keine Toleranz. Das ist Zustimmung.
Echte Toleranz beginnt erst dort, wo wir etwas ablehnen, und es trotzdem ertragen.
Das Wort kommt aus dem Lateinischen „tolerare“ - ertragen, dulden, aushalten. Toleranz heißt nicht feiern, sondern zulassen.
Der blinde Fleck der Selbstwahrnehmung
Die meisten Menschen verwechseln Toleranz mit der Bestätigung ihrer eigenen Werte. Man toleriert, was einem ohnehin gefällt.
Das ist so, als würde ein Vegetarier sagen: „Ich bin tolerant, weil ich Gemüse esse.“
Die echte Prüfung beginnt, wenn etwas gegen die eigene Überzeugung geht:
- Wenn jemand Werte vertritt, die dich wütend machen.
- Wenn jemand etwas lebt, das du innerlich ablehnst.
- Wenn du die Freiheit des anderen respektierst, obwohl sie deine Meinung verletzt.
Hier zeigt sich, ob du tolerant bist oder nur zustimmst.
Der Test der Toleranz
Stell dir vor, jemand äußert eine politische Meinung, die deinem kompletten Weltbild widerspricht.
Kannst du sagen: „Ich stimme nicht zu, aber du darfst es sagen“?
Oder gehst du in den Angriffsmodus, meldest Beiträge, boykottierst Personen, brichst Freundschaften ab?
Toleranz ist nicht, wenn wir Menschen lieben, die wir mögen.
Toleranz ist, wenn wir Menschen aushalten, deren Ansichten wir verachten, solange sie nicht in unsere Rechte eingreifen.
Vielleicht gibt es Toleranz gar nicht
Wenn man Toleranz nach dieser Definition misst, bleibt nicht viel übrig. Auch bei denen, die sie sich groß auf die Fahne schreiben, bröckelt das Bild schnell:
- Wer ruft nach Vielfalt, wenn die Vielfalt die eigenen Werte infrage stellt?
- Wer predigt Offenheit, wenn das Gegenüber eine unbequeme Wahrheit ausspricht?
Vielleicht ist Toleranz nur ein Etikett, mit dem wir uns schmücken, solange es nicht ernst wird. Vielleicht ist sie eine Illusion.
Toleranz als Schwäche?
Manche sehen Toleranz sogar als Zeichen von Schwäche.
„Wer alles erträgt, hat keine Haltung.“
Und tatsächlich: Wenn wir alles dulden, wo ziehen wir dann Grenzen? Toleranz darf nicht bedeuten, dass wir jede Überzeugung gleichwertig behandeln, sonst verlieren wir Orientierung.
Wollen wir wirklich tolerant sein?
Toleranz ist kein bequemes Sofa, auf dem wir uns ausruhen können. Sie ist ein unbequemer Stuhl, auf dem man sitzen bleibt, obwohl man lieber aufspringen und widersprechen würde und genau deshalb ist sie so selten.
Die Frage bleibt: Wollen wir wirklich tolerant sein oder nur als tolerant gelten?
Thema: Gibt es Toleranz überhaupt?
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