Nach der Trennung von einem Narzissten – bewusst agieren statt reagieren

Man findet zahlreiche Ratgeber im Internet, wie man sich nach einer Trennung von einem Narzissten[1] verhalten sollte.

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Die Ratschläge werden von Psychologen, Heilpraktikern, Selbsthilfegruppen, getrennten Müttern/Vätern usw. erteilt. TikTok, Facebook oder Instagram sind übersäht mit Anleitungen, wie man einen Narzissten „austricksen“ könnte, welche Worte einen Narzissten ärgern, was ein Narzisst machen würde oder nicht machen würde.

Am Anfang der Trennung ist man verständlicherweise „hungrig“, wissen zu wollen, wie man die Situation positiv gestaltet, um sich selbst zu schützen. Man betreibt regelrecht wissenschaftliche Recherche auf allen möglichen Portalen zu Subtypen des Narzissmus, Verhaltensmustern und Ursachen und immer in der Hoffnung etwas zu finden, was einem hilft.

Es ist sicher wichtig in Erfahrung zu bringen, was eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ausmacht. Die Ratgeber sind für die Betroffene dennoch mit Vorsicht zu genießen. So wie die Vielfalt der Menschen, ist auch eine narzisstische Störung in ihrer Ausprägung, Schwere, Symptomatik und Verhaltensweise divers zu beurteilen. Es gibt keine Trennungsanleitung zum Narzissten, die man Schritt für Schritt befolgen könnte, um zum subjektiv Sollzustand zu gelangen. Nicht alle Narzissten reagieren musterartig nach einer Trennung. Daher ist es nicht das Erforschen der Tiefen der Wesensstruktur eines Narzissten in den Fokus zu legen, sondern die Minimierung des eigenen emotionalen Leidensdrucks.

Was ist Narzissmus?

In der wissenschaftlichen Literatur werden nach DSM-IV/V folgende Kriterien für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung herangezogen: Die Betroffenen haben ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit, verlangen nach übermäßiger Bewunderung, idealisieren sich selbst und sind stark von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht oder Schönheit eingenommen. Sie glauben von sich, besonders einzigartig zu sein und nur von anderen außergewöhnlichen Personen verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können. Darüber hinaus zeigen sie ein offensives Anspruchsdenken und erwarten bevorzugt behandelt zu werden. In zwischenmenschlichen Beziehungen sind sie ausbeuterisch und ziehen oft Nutzen aus anderen Personen, um eigene Ziele zu erreichen. Ihnen mangelt es an Empathie. Sie sind nicht willens oder fähig, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren. Sie sind häufig neidisch auf andere oder glauben, andere seien neidisch auf sie. Im Umgang mit anderen geben sie sich überheblich. (Vgl. Ärzteblatt, Dezember 2014, S. 567).

Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung beschrieben in dem Diagnostischen Manual für Psychiatrische Störungen, ist aus neun verschiedenen Kriterien zusammengesetzt – von welchen das Vorhandensein von fünf der neun Kriterien die Diagnose rechtfertigt. Das erlaubt allein schon 126 Kombinationen! Aktuelle Forschungsbefunde legen nahe, dass die narzisstische Persönlichkeitsstörung noch weitere Facetten als die aufgeführten in sich bergen. Wichtig ist zu wissen, dass eine narzisstische Persönlichkeitsstörung oft kombiniert mit weiteren Störungsbildern einhergeht, so dass Narzissten nicht immer das typisch erwartete narzisstische Musterverhalten aufweisen.

1. Akzeptanz

Nach diesem kurzen Ausflug in das „Reich des Narzissmus“ wird einem schnell klar, dass sogar die erfahrensten Psychologen an ihre Grenzen gelangen und es den Betroffenen nicht darum gehen soll, diese therapeutisch herausfordernde Störung bis aufs Detail zu studieren, sondern den Fokus auf sich selbst und das eigene Verhalten zu verlagern. So hart wie es klingt, die Situation und „die Raffinessen“ des Narzissten müssen zunächst akzeptiert werden. Das klingt hart. Ja, Narzissten sind oft gescheit, selbstbewusst, dreist und bringen einen an den Rand des logischen Denkens. Nie weiß man, was sie sich als Nächstes ausdenken und womit sie einen konfrontieren könnten. Ihr Verhalten scheint unvorhersehbar zu sein. Solche Fragen wie „Wie kann er das machen…“ bringen Betroffene kein Stück weiter, sondern können, wie ein Gedankenkarussell, den ganzen Alltag einnehmen. Ein Narzisst wird dich nie verstehen, und du wirst ihn nie verstehen.

2. Fokus

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Eigene innere Stärke + starkes Selbstbewusstsein = Schutzschild vor einem Narzissten

Hervorragend klingende Zauberformel, oder? Aber wie füllt man diese Begriffe praktisch aus? Als innere Stärke bezeichnet man die psychische Widerstandsfähigkeit, schwierige Situationen, Lebenskrisen und Belastungsphasen zu meistern. Der Fachbegriff dafür ist Resilienz. Diese innere Stärke wird durch die Trennung von einem Narzissten auf die Probe gestellt. Belastend kommt hinzu, dass man entweder in einer sehr offenen – manchmal auch subtilen Art – von einem Narzissten entwertet wird. Der Narzisst ist unschuldig – aus seiner Sicht. Aus seiner Sicht trifft ihn keine Schuld an der Trennung. Ja, das denkt er und das vermittelt er: Der Grund der Trennung war der Partner/die Partnerin. Gerade bei Trennungen zeigen sich die egoistischen Verhaltensweisen des Narzissten und seine Unfähigkeit, rücksichtsvoll mit anderen Menschen umzugehen. Er wird jedes Mittel wählen, um den Ex-Partner/in zu destabilisieren und ihn/sie an sich selbst zweifeln zu lassen. Mit einem negativen Selbstbild hat man das Gefühl gegen die Macht der negativen Gedanken kaum ankämpfen zu können.

Der Liebeskummer nach der Trennung kann unfassbar schmerzhaft sein. Der Gedanke des Verlustes nach einer Trennung, so als wäre ein großer Teil von einem Selbst nicht mehr da, ist nachvollziehbar. Eine Trennung von einem Narzissten ist aber anders als jedes andere Beziehungsende. Diese hat eine eigene Dynamik. Deswegen ist es wichtig, besonders achtsam mit sich selbst zu sein. Schlage jetzt einen anderen Weg ein. Sieh in dich hinein, verlagere den Fokus auf dich. Frage dich, wer du bist, was macht dich aus und welche Grenzen hast du. Warum bist du ein guter Partner/Partnerin? Was kannst du gut? Gehe deinen Hobbys nach, stärke deine sozialen Kontakte, zapfe alle positiven inneren und äußeren Ressourcen an. Falls die Gedankenspirale nicht aufhört und du der Situation nicht gewachsen fühlst, such dir professionelle Unterstützung.

3. Verhalten

Wie soll man sich nach der Trennung von einem Narzissten verhalten? „Nach der Trennung von einem Narzissten ist ein konsequenter Kontaktabbruch erforderlich.“ „Ein Kontaktabbruch ist dafür die beste Lösung.“ „Kein-Kontakt-Regel“ ist zweifelsfrei der richtige Ansatz, um zu einem gesunden Verhältnis zu sich selbst zurückzufinden.

Das sind aber die wenigsten Fälle, wo die „Kein-Kontakt-Regel“ eingehalten werden kann. Manchmal kann ein Beziehungsende nicht sofort umgesetzt werden oder man hat eine gemeinsame Firma oder gemeinsames Eigentum und der schwierigste Fall ist, wenn man gemeinsame (minderjährige) Kinder hat. Der optimale Fall wäre, dass er eine neue Partnerin/einen Partner hat, damit er einen neuen “narcisstic supply” hat. Aber auch das garantiert nicht, dass der Narzisst von dir loslässt.

An dieser Stelle ist ein dynamisches und flexibles Verhalten gegenüber dem Narzissten für deine emotionale Stabilität von großem Wert. Dazu gehört die Wahrnehmung einer Situation, das Durchspielen verschiedener Handlungsmöglichkeiten in Gedanken, die Ausführung einer Handlung sowie das Erinnern an ähnliche Konstellationen und das Lernen aus Erfolgen und Misserfolgen. Tu genau das, was dich stärkt, um dein Ziel zu erreichen. Mal ist es kurze Kommunikation, mal gewisse Verhandlungen und mal der defensive Ansatz. Manchmal bringt ein defensiver und zurückhaltender Ansatz mehr. Nicht zu reagieren und stattdessen bewusst zu agieren, ist nicht leicht, aber machbar. Nach gewisser Zeit wirst du das für dich richtige Verhalten gegenüber dem Narzissten automatisch abrufen können, um dein gewünschtes Ziel zu erreichen.

4. Fazit

Die Trennung von einem Narzissten ist eine Mammutaufgabe. Richte den Fokus wieder auf dich selbst und passe dein Verhalten gegenüber dem Narzissten situationsabhängig an, immer  mit dem Ziel sich selbst zu stärken. Insbesondere das zurückhaltende Verhalten braucht Zeit und Geduld. Und nein, ein solches Verhalten beruht in diesem Fall nicht auf Ängsten und Befürchtungen, sondern auf dem bewussten Agieren. Und ja, das klingt leichter als es ist. Aber es ist möglich. Eine professionelle Begleitung durch eine außenstehende Person kann von Nutzen sein. Ein guter Coach oder psychologischer Berater kann dich dabei unterstützen, wie du bewusst agierst, um handlungsfähig und emotional stabil zu bleiben.

[1] Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Artikel verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.

Autor: Dr. Renate Rabensdorf
Thema: Nach der Trennung von einem Narzissten
Webseite: https://krisencoaching-falkensee.de

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