Als Tennisprofi Roger Federer, derzeit auf Platz 4 der Weltrangliste, als 15-Jähriger im Sportinternat seine sportlichen Ziele schriftlich fixieren sollte, schrieb der Schweizer: „In die Top Ten kommen und dann die Nummer Eins werden.“ Seine Mitschüler waren mit „Berufsspieler werden“ oder „unter die ersten 100 der Weltrangliste kommen“ deutlich bescheidener.
Aber während mancher von ihnen in der Versenkung verschwand, hatte Federer 2005, zehn Jahre später, sein Ziel erreicht. Im Interview sagte er dazu: „Das zeigt mir, dass ich mich richtig organisiert habe als Profi, dass ich mein Potential ausspiele.“ (Berliner Morgenpost, 2006).
Auch der deutsche Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn hatte zu Beginn seiner Fußballkarriere eine große Vision: „Ich wollte der beste Torhüter der Welt werden. Der beste Torhüter der Welt! Eine gewaltige Vision, gewaltig weit weg damals, ein Über-Über-Ziel. Irgendwie gar nicht nebulös, sondern sehr konkret. Ein gewaltiger Anspruch an mich selbst, den ich mir mit dieser Vision auflud.“ (Kahn, Ich. Erfolg kommt von innen, 2. Auflg., Goldmann, München, S. 55).
Zwei Ausnahmesportler, zwei Persönlichkeiten, aber eine Gemeinsamkeit: der starke Drang, an die Spitze zu gelangen und das konkret zu formulieren – ohne zurückhaltende Bescheidenheit und selbstkritische Einschränkung.
Gewinner denken groß, Verlierer zweifeln
Was erfolgreiche Menschen eint, ist ihre Art zu denken: Sie trauen sich, groß zu denken. Sie zeichnen sich durch Selbstvertrauen und Zuversicht aus, durch Mut und Disziplin, durch Zielstrebigkeit und Leidenschaft für das, was sie tun. Dabei verfügen sie über eine Kraftquelle, die jeder von uns sprudeln lassen kann: Mentale Stärke.
Wer vollen Zugang zu seinem Potenzial hat und seine Ressourcen für seine Zielerreichung nutzt, erntet eher Erfolg. Das setzt ein gutes Selbstmanagement voraus. Und dieses zeichnet sich durch mentale und emotionale Stärke aus. Mentale Stärke bedeutet, sein Leistungspotenzial ungeachtet aller Widrigkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt voll ausschöpfen zu können (Loehr, 1991).
Mentale Stärke kommt uns in nahezu allen Lebensbereichen zugute – ob im Job, im Sport oder im Familienalltag. Jeder von uns kann sich – unabhängig von Alter, Ausbildung, Herkunft oder Fähigkeiten – mental zu Leistungen motivieren, die er vorher nicht für möglich gehalten hätte. Mit Hilfe mentaler Techniken lässt sich nicht nur das Leistungsvermögen steigern, sondern auch Lebensqualität, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein.
Mit emotionaler und mentaler Stärke lassen sich Herausforderungen leichter bewältigen und Ziele konsequenter verfolgen. Es ist vor allem diese Stärke, die Federer und Kahn an die Spitze gebracht hat. Sie hielten ihr inneres Feuer, ihre Motivation, am Lodern, legten Strategien zur Zielerreichung fest und verschrieben sich ihrem Ziel – trotz Niederlagen und Rückschlägen. Denn erfolgreiche Menschen stehen immer einmal mehr auf, als sie hinfallen.
Mentale Stärke beruht auf Klarheit: Wo stehe ich, wo will ich hin, wie komme ich dahin?
Wie steht es um Ihre Ziele im Job? Haben Sie Ihre persönlichen Ziele klar definiert? Und wissen Sie, wo Sie gerade auf dem Weg dorthin stehen? Eine klare Zielsetzung ist der erste Schritt auf dem Weg zum Erfolg. Der zweite ist die Standortbestimmung. Wenn Sie Ihr Ziel kennen, aber Ihren Standort nicht, können Sie Ihren Weg zum Ziel nicht planen. Häufig machen wir uns Gedanken über unsere Ziele und die des Unternehmens, für das wir arbeiten, aber keine Gedanken zu unserem Standort.
Welche Wünsche liegen Ihren Zielen zugrunde? Haben diese Wünsche noch etwas damit zu tun, wo Sie heute stehen? Wer als Kind z.B. den Wunsch hegt, Spitzensportler zu werden, braucht nicht nur Selbstvertrauen, Fleiß und Disziplin, sondern auch ein unterstützendes Umfeld – erst dann wird aus dem Wunsch ein Ziel, weil nun mit allen Mitteln eine Strategie verfolgt wird.
Erich Fromm hat gesagt: „Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man sich sehnt, die man verwirklichen möchte, dann gibt es auch kein Motiv, sich anzustrengen.“ Und damit sind wir beim dritten Schritt, der Motivation. Je stärker Ihre innere Motivation ist bei dem, was Sie tun, desto stärker ist Ihre Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft und desto größer fällt Ihre Ernte aus. Sie sind dann am erfolgreichsten, wenn Ihre Bedürfnisse, Werte und Zielvorstellungen deckungsgleich sind mit Ihrem Handeln. Stellen Sie sich folgende Fragen:
• Wo stehe ich jetzt?
• Wo will ich hin?
• Wozu dient mir das Ziel?
• Wen oder was brauche ich noch für meine Zielerreichung?
• Was hindert mich, das Ziel jetzt schon zu erreichen?
• Welches Vorbild könnte mich anspornen?
• Wer könnte mir als Mentor zur Seite stehen?
Mentale Stärke zeigt sich im Denken und Handeln: Du bist, was du denkst
Federer und Kahn haben konsequent das verfolgt, was für sie erstrebenswert schien. Sie folgten ihren Stärken und verordneten sich dort, wo Talent fehlte, umso härteres Training. Kahn spielte als Jugendlicher häufig nur in den zweiten Mannschaften seiner Altersstufe, weil sein Talent und Können nicht für die erste Riege reichten. Hat er deshalb sein Ziel reduziert? Nein. Er erkannte vielmehr: „(…) dass neben dem Talent auch der Kopf wichtige Kriterien erfüllen muss, damit ein echter Wettkampftyp aus einem wird, jemand, der ungeachtet der Wettkampfbedingungen sein volles Potenzial entfalten kann.“ (Kahn, ebd., S. 138). Damit trifft Kahn den Nagel auf den Kopf: Genau hier, zwischen den Ohren, sitzt unsere Steuerzentrale, der Ursprung unseres Handelns und Verhaltens. Je bewusster Sie sich Ihrer inneren Haltung werden, Ihrer Glaubenssätze, Überzeugungen und Denkmuster, desto besser können Sie diese steuern und für Ihre Motivation und Zielerreichung nutzen.
Praxis-Tipp Selbstmanagement
Ihnen steht eine schwierige Verhandlung mit Geschäftspartnern oder Kunden bevor? Oder ein wichtiges Personalgespräch? Dann haben Sie trotz jener Faktoren, die Sie nicht beeinflussen können, jede Menge Möglichkeiten, sich mental optimal auf die anstehende Herausforderung vorzubereiten:
Annäherung statt Vermeidung
Wenn Sie vorab denken: „Riskiere nichts!“ oder „Erwähne bloß nichts von xy“, dann formulieren Sie sogenannte Vermeidungsanweisungen. Sie beschreiben sprachlich eine Handlung, die es zu vermeiden gilt. Solche Selbstinstruktionen sind wenig hilfreich, da sie nicht beschreiben, wie Sie sich tatsächlich verhalten sollen. Vermeidungsziele können vorhandene Unsicherheiten sogar verstärken. Bei „Riskiere nichts!“ ist der Fokus auf die Auswirkungen des Versagens gerichtet. Das erzeugt Versagensangst und damit negative Emotionen.
Instruieren Sie sich hingegen mit „Ich führe das Gespräch gelassen und konzentriert!“, dann beschreiben Sie den erstrebenswerten Zustand. Das motiviert Sie, setzt positive Gefühle frei und richtet den Fokus hin zum gewünschten Ergebnis. Solche Annäherungsziele werden auch „Hin zu…“-Ziele genannt. Die Vorstellung einer gelassenen und konzentrierten Gesprächsführung suggeriert Ihrem Gehirn den gewünschten Zustand bereits.
Das richtige Programm fürs Kopfkino
Unsere geistige Vorstellungskraft ist das mächtigste Werkzeug zum Aufbau mentaler Stärke. Unsere bewussten und unbewussten Vorstellungen haben erhebliche Konsequenzen auf Verhalten, Selbstvertrauen, Gefühle, Wohlbefinden, Handeln, innere Einstellung, Körper und Körperhaltung. Die bildhafte Vorstellung von Abläufen oder Zielen beeinflusst unser Unterbewusstsein, aktiviert Erlebnisnetzwerke im Gehirn und arbeitet nach dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung („self-fulfilling prophecy“). Je öfter wir uns etwas vorstellen, desto stärker bahnen wir die entsprechenden Verknüpfungen im Gehirn. Diese Wirkung gilt übrigens für positive wie negative Vorstellungen und Gedanken. Sie haben es in der Hand, ob Sie Ihre Vorstellungskraft zur Selbstsabotage oder zum Selbstmanagement nutzen.
Die Zielvisualisierung
Visualisieren Sie den optimalen Verlauf Ihrer Herausforderung vorab. Dafür sollten Sie sich Zeit nehmen und sich an einen ruhigen Ort zurückziehen, wo keine Störungen für Ablenkung sorgen. Wenn Sie wollen, hören Sie beruhigende Musik dazu. Machen Sie es sich bequem, schließen Sie die Augen und entspannen Sie. Atmen Sie tief in den Bauch. Dann zählen Sie in Gedanken von 1 bis 10 und entspannen mit jeder Zahl tiefer. Bei 10 lassen Sie allmählich ein Bild vor Ihrem inneren Auge entstehen, dass Sie zeigt, wie Sie das Gespräch erfolgreich gemeistert und Ihr Gegenüber von sich und Ihren Anliegen überzeugt haben. Erleben Sie möglichst intensiv mit allen Sinnen (sehen, hören, fühlen, evtl. riechen und schmecken), wie es sein wird, am Ziel zu sein. Hören Sie sich und die Stimmen der anderen, nehmen Sie die Räumlichkeiten wahr. Genießen Sie Ihren Erfolg. Freuen Sie sich, Ihr Ziel erreicht zu haben.
Das Vorwegerleben der Zielerreichung weckt Ihre Begeisterung und aktiviert Energien. Ziele, die in der Vorstellung bereits mehrfach erfolgreich erlebt wurden, stärken das Selbstvertrauen und die Willenskraft. Das wirkt sich auch auf Ihre Ausstrahlung aus, ein nicht unerheblicher Faktor in wichtigen Gesprächen. Sie können die Visualisierung so oft wiederholen, wie Sie mögen. Mit jeder Wiederholung verstärken Sie Ihre innere Motivation, das Ziel zu verwirklichen. Zweifel, Stress und Ängste reduzieren sich, positive Gefühle werden in Gang gesetzt, die Konzentration aufs Ziel steigt.
Fazit
Mentale Stärke baut sich nicht auf Knopfdruck auf. Sie ist die Summe vieler Faktoren – wie das Nutzen der geistigen Vorstellungskraft, Gedankenhygiene und Selbstinstruktionen (Affirmationen), Wahrnehmung, Selbstreflexion, Motivation, Stressmanagement und Aufmerksamkeit im Umgang mit sich und anderen. Das Bewusstsein dafür ist der erste Schritt zur persönlichen Weiterentwicklung.
Autor: Antje Heimsoeth
Thema: Mentale Stärke
Webseite: http://www.antje-heimsoeth.com
Autorenprofil Antje Heimsoeth:
Diplom-Ingenieurin (FH), Coach, ECA und DVNLP, zert. Mental Coach, Gesundheitstrainerin, ECA Sport Coach (Master Competence), zert. Entspannungspädagogin, zert. Business Coach und Top-Speakerin mit mentalem Olympiafaktor: Go for Gold! mit eigenem Institut Heimsoeth Academy, ausgezeichnet als „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ und „Deutschlands renommierteste Motivationstrainerin“ (FOCUS).
Weltweit tätig. Auftritte bei RTL Aktuell, n-tv, Sport1, hamburg1, nrw.tv, BR (Blickpunkt Sport) und Sky sowie auf Kreuzfahrtschiffen (MS Europa 2, AIDA). Bestsellerautorin, zuletzt erschienen: „Chefsache Kopf. Mit mentaler und emotionaler Stärke zu mehr Führungskompetenz“. Springer Gabler, 2015.
Infos unter: www.heimsoeth-academy.com, www.antje-heimsoeth.com
Verwendete Literatur:
Heimsoeth, Antje (2015) Chefsache Kopf. Mit mentaler und emotionaler Stärke zu mehr Führungskompetenz. Springer Gabler, Wiesbaden, S. 76, 79-82, 111.
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