Wie gehe ich mit einem schwierigen Kollegen um?

Wir kennen das alle. Acht Stunden jedes Tages sind wir beschäftigt, im Büro, im Betrieb. Die Arbeit macht überwiegend Freude, ist ein wichtiger Teil unseres Lebens, füllt uns aus.

buero-team-freundschaft

Dazu kommen Kontakte mit Kolleg*innen, der gemeinsame Morgenkaffee, der Gedankenaustausch, so dass aus Kollegen vielfach Frollegen werden, eine gesunde Mischung aus Kollegen und Freunden, die auch einen Platz im Privaten einnehmen können, allerdings nicht immer ohne Risiko, denn wenn Rivalitäten entstehen, wenn der eine erfolgreicher im Job ist oder sich auf eine begehrte Stelle bewirbt – das Gift des Vergleichens! - dann können aus Frollegen leicht Frenemies werden, die zugleich Freund und Feind sind.

Wenn nun aber das wohltuende Betriebsklima durch schwierige Kollleg*innen gestört wird, dann kann sich jede Freude an der Arbeit mit Lichtgeschwindigkeit auflösen, dann wird möglicherweise jeder Tag zur Qual und die Missstimmung frisst sich hinein in das Privatleben.

Viele werden dies kennen, jene Horrorkollegen, die nerven, die jede gute Arbeitsatmosphäre stören und die Arbeitsmotivation der Einzelnen erheblich belasten.

mann streckt frau die zunge raus arbeit

Der renommierte Organisationspsychologe Robert Sutton von der Stanford University, Kalifornien, bringt es mit seinem Bestseller auf den Punkt „Überleben unter Arschlöchern. Wie Sie mit Leuten klarkommen, die andere wie Dreck behandeln“. Und mit augenzwinkernder Ernsthaftigkeit warnt er davor, anderere vorschnell abzustempeln. Stattdessen frage sich jede*r selbst, ob er/ sie nicht möglicherweise selbst dazugehört.

In meiner Beratungspraxis tauchen diese Fragen häufig auf.

„Meine Firma war immer mein zweites Zuhause. Aber nun ist alles Vertrauen dahin. Meine eigene Selbstsicherheit ist verloren gegangen und täglich wird jeder Gang zur Arbeit zu einem Angang. Ich werde krank. Angstzustände, Panikattacken, eine tiefe Traurigkeit. Meine Partnerschaft geht kaputt. Ich wollte mich in meinem guten Beruf mit all meinen Talenten weiterentwickeln. Aber nun ist es wie ein Gefängnis, ein Laufen im Hamsterrad. Und ich möchte nur noch raus aus dem Betrieb. Nur noch weg! Aber wohin? ...“

Und die Schäden in einem Arbeitsverhältnis mit schwierigen Kollegen sind unübersehbar. Wer beleidigt, übersehen, missachtet wird, ist kaum noch in der Lage, die von ihn erwartete Leistung zu erbringen. Seine Freude und die Fähigkeit zur Mitgestaltung, die kreativen Impulse fehlen und damit die Attraktivität als Kollegin oder Kollege. Das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl sind stark eingeschränkt und die körperliche, seelische und geistige Gesundheit nimmt Schaden. Die Folge davon sind Lustlosigkeit, Vereinsamung, Schlafprobleme, Angststörungen und Depressionen, Beziehungsstörungen – und dies in einer Zeit der politischen und gesellschaftlichen Krisen, die die Menschen ohnehin schon stark belasten.

Was sind das nun für Menschen, die uns in unserer Arebeit so einengen können?

Da sind diejenigen, die schon mit einem muffligen Morgengesicht in den Betrieb kommen, herummeckern und aus jeder Mücke einen Elefanten machen.

frau grimmig auf der arbeit

Da sind diejenigen, die durch nervende Lautstärke im Gespräch, beim Telefonieren, durch leises Singen oder Summen, durch Klopfen auf die Tischplatte oder auch durch ständige Präsenz im Verschicken belangloser E-Mails auf sich aufmerksam machen wollen und andere dabei rücksichtslos in der eigenen Arbeit stören.

Da sind die Unzuverlässigen, die sich nicht an Absprachen halten, stets Gründe finden, dass sie zu spät dran sind und somit den ganzen Arbeitsprozess verlangsamen und schnell ein Dorn im Auge aller anderen Mitglieder des Teams sind.

Da sind diejenigen, die immer alles besser wissen, akribisch nach Fehlern suchen, andere Arbeitsbereiche, mit denen sie eigentlich nichts zu tun haben, rigoros einbeziehen,

durch abwertende Anmerkungen besserwisserisch auftreten, ohne dabei aber eigene konstruktive Vorschläge einzubringen. Respektlosigkeiten und fragwürdige Verhaltensweisen, die immer nur den eigenen Vorteil im Blick haben und sich damit bei Vorgesetzten einschleimen wollen, sind keineswegs ausgeschlossen.

Und diejenigen mit ständigen Stimmungsschwankungen, die Choleriker, die nichts im Griff haben, sich aber über alles aufregen, diejenigen, die Grenzen und Abstände von anderen nicht einhalten, die sich für nichts zuständig fühlen, keine Verantwortung für ihren Bereich und das Ganze übernehmen und alles bei anderen abladen.

Und dann sind da noch die ganz schwierigen Fälle, Mitarbeitende mit zwanghaften oder narzisstischen Störungen, mit ritualisierten Verhaltensweisen und Handlungen, und solche, die geschätzt und bewundert werden wegen ihres charmanten Verhaltens, aber zugleich den Wunsch haben, dass sich alle nach ihnen richten und die sich schnell in Konkurrenz zu anderen befinden, um ihre eigenen Motive und Werthaltungen zu verteidigen. Ein überaus weites Feld!

Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, eigene Verhaltensweisen, gewiss. Die zentrale Frage aber ist die nach dem eigenen Überleben, der eigenen Balance im Arbeitsprozess. Und das Überleben unter schwierigen Zeitgenossen ist und bleibt eine Kunst zwischen Entschiedenheit und Taktgefühl.

arbeiter balancieren

Michelle Obama, sagt: „Wenn jemand gemein ist oder wie ein Fiesling handelt, so dürfen wir uns nicht auf dessen Niveau herablassen. Unser Motto lautet: Wenn die anderen sich nicht benehmen können so antworten wir darauf mit Anstand und Stil.“ Obama formulierte dies in Hinblick auf hasserfüllte Kommentare gegen sie und ihre Familie. Aber die Aussage gilt überall dort, wo wir Menschen begegnen, eben auch in jedem Büro, in jedem Betrieb.

Jeder Mensch ist gekennzeichnet durch Einmaligkeit und Einzigartigkeit und verdient als Person Respekt und Achtung, auch wenn es die Not gebietet, sein Verhalten klar und entschieden zurückzuweisen. Denn wenn wir andere, so Robert Sutton, „wie Dreck behandeln, richten wir Schaden an und werden am Ende als Mensch immer der Verlierer sein“.

Aber wehren müssen wir uns, denn Untersuchungen belegen, dass dort, wo Mitarbeitende ohne Gegenwehr über längere Zeit Fieslingen ausgesetzt sind, sie sich in ihrem Verhalten verändern und selbst zu Fieslingen werden können.

Im Umgang mit schwierigen Kolleg*innen ist Ehrlichkeit erwünscht, uns gegenüber und dem Kollegen gegenüber. So sollten wir deutlich machen, was wir nicht akzeptieren können, was nervt, was die Zusammenarbeit erschwert. Dabei soll die Wertschätzung dem anderen gegenüber durchaus erhalten bleiben; und meist werden wir ja auch später mit ihm noch zusammenarbeiten. Deshalb sollten wir „dem anderen die Wahrheit hinhalten wie einen Mantel, dass er hineinschlüpfen kann, und sie ihm nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren schlagen“ (Max Frisch). Gute Gespräche gelingen vor allem, wenn Menschen Achtung voreinander haben. Wer klug ist, wird weniger an das denken, worüber er sprechen möchte, was ihn belastet, sondern zunächst vor allem an den, mit dem er spricht (Schopenhauer).

  • Vorbereitend kann es eine Hilfe sein, die innere Spannung abzubauen durch vertiefte Atmung, durch Anwendung entspannender Verfahren (progressive Muskelentspannung nach Jacobsen u.ä).

  • Zunächst können wir auch das Positive benennen, das wir an dem Kontrahenten schätzen. Irgendetwas wird da sein; denn niemand wird als Fiesling geboren. Und es erleichtert den Gesprächseinstieg, ohne die kritischen Bemerkungen zu schmälern.

  • Und beginnen wir nicht mit Vorwürfen, sondern benutzen wir Ich-Botschaften. Statt: „Sie haben sich auf meine Anfrage nicht gemeldet. So geht das nicht!“ formuliere ich besser:

    „Ich kam mit meiner Arbeit nicht recht voran und habe auf eine schnelle Antwort von Ihnen gewartetet. Aber nun sind wir ja im Gespräch.“

  • Und manchmal ist es hilfreich, eine Aussage nicht allzu persönlich zu nehmen, sondern sie umzudeuten um eine bessere Ausgangsposition für ein Gespräch zu entwickeln. („Ich habe dies nicht als persönlichen Angriff verstanden. Mir war deutlich, unter welcher großen Arbeitsbelastung Sie in letzter Zeit standen.“). Solche Aussagen können hoffnungsvolle Räume öffnen und unter Umständen zu einem gänzlich verbesserten Arbeitsklima führen.

  • Halten wir Distanz zu der anderen Person und geben wir nur das Nötigste von uns preis. Denn je näher wir einer Person kommen, umso mitteilsamer wird sie und umso offener und zugleich risikoreicher gestaltet sich auch die Kommunikation

  • Beschränken wir die Kontakte auf das Mindestmögliche und schränken wir zugleich ihre Häufigkeit ein. Ignorieren wir Widersacher und machen uns für einen gewissen Zeitraum unsichtbar. Dies gilt in besonderer Weise auch für Mails, WhatsApp-Mitteilungen u.ä. Legen wir Pausen ein! Das Zauberwort heißt: Entschleunigung. Dagegen wird der Widerspruch nicht ausbleiben. Dann ist konsequentes Dabeibleiben erforderlich. Und eine Änderung im Verhalten der anderen wird sich im Laufe der Zeit einstellen.

  • Suchen wir uns Rückzugsorte, in denen wir in Ruhe arbeiten, den Kontakt zu Störenfrieden minimieren können, um nur nach Absprache zu ihnen zurückkehren zu müssen. Einige haben sich auch Auszeiten gewählt, Termine innerhalb der Woche, in denen sie für ein paar Stunden oder auch einen Tag unter einem bestimmten Vorwand in Klausur gehen. Ein gutes Mittel im Stressmanagement!

  • Suchen wir Kontakt zu Frollegen, die auf unserer Seite stehen und uns schützen. Vielleicht lassen sich gemeinsame Vereinbarungen schließen.

  • Aber oft sind alle diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt, die Situation bleibt unverändert oder verschärft sich sogar. Und die Konfrontation, das klare Wort muss manchmal sein. Es kann zuweilen hilfreich sein, den anderen in die Schranken zu weisen, um zu verdeutlichen, wie weit er/ sie gehen kann. Denn niemand hat das Recht, auf uns herumzutrampeln. Zeigen wir besser Entschlossenheit, eigenen Stolz. Daher müssen wir uns manchmal deutlich positionieren, ein klares Nein sagen.

  • Aber auch dann sollten wir nicht zurückschlagen, sondern zunächst Zeit gewinnen und nachfragen: „Wovon verstehe ich Ihrer Meinung nach nichts?“ „Wie meinen Sie das?“

  • Und vermeiden wir Angriffe. Bleiben wir bei sachlichen Aussagen zum Thema. Vielleicht fassen wir den Stand des gegenwärtigen Gesprächs noch einmal zusammen, bevor wir zur nächsten Aussage übergehen.

  • Und scheuen wir uns nicht davor, uns zu entschuldigen, wenn wir selbst einen Fehler gemacht, uns unfein benommen haben. Das zeigt Stärke.

  • Und wenn gar nichts mehr hilft, lassen wir unsere Gefühle zu, vermeiden aber Angriffe, Wutausbrüche, Schuldzuweisungen. Wir könnten sie später bereuen. Brechen wir stattdessen das Gespräch ab, vielleicht mit einem erhellenden Unterton.

  • Als letzte Möglichkeit bleibt der Gang zum Betriebs- oder Personalrat, zum Vorgesetzten, vielleicht die Bitte die Abteilung oder den Arbeitsbereich zu wechseln. Manchmal hilft ein moderiertes Gespräch, ein Coaching.

Und als allerletzte Möglichkeit kann in Erwägung gezogen werden, ganz auszusteigen, sich auf eine andere Stelle zu bewerben. Nicht selten wird dies verbunden mit ganz neuen Perspektiven im beruflichen oder privaten Bereich. Dies alles sind allerletzte Schritte und wir sollten sie auch als allerletzte Option ins Auge fassen – wenn alle anderen Lösungsmöglichkeiten nicht in Frage kommen.

Im Zentrum aller Fragen steht aber die eigene Lebensperspektive, das Streben nach guten Zielen und eigener Sinnerfüllung. Möge es Ihnen gelingen, nicht zu schnell aufzugeben und aus Gegnern immer wieder Frenemies und Frollegen zu machen.

Autor: Hans-Norbert Hoppe
Thema: Wie gehe ich mit einem schwierigen Kollegen um?
Webseite: http://www.logotherapie-hoppe.de

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