Dieser Artikel soll erklären, was psychosomatische Beschwerden sind. Er soll mögliche Formen verschiedener Ursachen nennen und zeigen, was sie bedeuten können.
Ferner soll er aufzeigen, welche Möglichkeiten wir haben, diese Beschwerden zu lindern oder gar zu heilen.
Die weiter unten beschriebenen Überlegungen und Sichtweisen, der Umgang mit psychosomatischen Beschwerden und mögliche Herangehensweisen, mögen zum Teil überraschend sein. Sie sind aber auf jeden Fall einer näheren Betrachtung und Überlegung Wert.
Was ist eigentlich psychosomatisch?
Allgemein formuliert liegen psychosomatische Störungen immer dann vor, wenn sich psychisch-seelischen Faktoren negativ auf den Körper oder körperliche Funktionen auswirken.
Im Gegensatz dazu gibt es auch Somatopsychische Störungen. Hier wirken sich körperliche Erkrankungen (zum Beispiel Krebs) negativ auf das psychische Gleichgewicht aus und verursachen psychische Störungen und Erkrankungen. Dies soll hier aber nicht näher betrachtet werden.
Psychosomatische Beschwerden können somatoform oder körperlich sein.
Somatoforme Störungen können einzelne oder mehrere körperliche Symptome sein, die nicht medizinisch erklärbar sind. Das heißt, es bestehen tatsächliche oder lediglich wahrgenommene bzw. fehlinterpretierte körperliche Symptome ohne erkennbare körperliche Ursachen.
Betroffene haben oft einen langen und frustrierenden Weg mit vielen Besuchen bei Allgemein- und Fachärzten hinter sich. Das Ergebnis aller Untersuchungen bestätigt immer wieder nur, dass sie körperlich eigentlich gesund sind.
Auch manifestierte und diagnostizierte körperliche Erkrankungen können psychosomatisch sein, wenn psychische Faktoren als Auslöser wahrscheinlich sind.
Auch hier haben Betroffene oft einen langen Leidensweg hinter sich, da eingeleitete medikamentöse oder physikalische Therapien keinen nachhaltigen Erfolg bringen, solange die psychisch-seelischen Faktoren nicht erkannt, betrachtet und bestenfalls gelöst sind.
Auslöser und Ursachen von psychosomatischen Beschwerden
Auslöser und Ursachen von psychosomatischen Störungen sind häufig seelisch-psychische Faktoren wie zum Beispiel anhaltender Stress, dauerhafte Belastungen, traumatische Erlebnisse, belastende Lebensereignisse, schwierige Lebenssituationen, familiäre Probleme, Konflikte am Arbeitsplatz oder Zustände allgemeiner Überforderung. Auch psychische Erkrankungen, wie nicht erkannte depressive Episoden oder Angst- und Panikstörungen können die Ursache sein.
Der Organismus gerät so zunehmend in ein seelisch-psychisches Ungleichgewicht, das sich im Fall von psychosomatischen Erkrankungen nicht auf rein psychischer Ebene auswirkt, sondern körperliche Beschwerden zur Folge hat.
Typische psychosomatische Beschwerden können zum Beispiel sein:
- Störungen des Verdauungsapparates
- Kreislaufbeschwerden
- Herzrasen, Herzstolpern
- Müdigkeit, Erschöpfung
- Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
- Schlafstörungen
- Schwindel
- Ohrgeräusche
- Rückenbeschwerden
- Verspannungen
- Sexualstörungen
- Lungenerkrankungen
Die wichtigsten Formen somatoformer Störungen gemäß der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10 Kapitel V (F))
- Somatisierungsstörung Typisch sind bei dieser Störung verschiedene, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, die oft seit einem längeren Zeitraum bestehen. Die Symptome können sich auf jeden Körperteil oder jedes Körpersystem beziehen. Häufig betroffen sind der Verdauungsapparat und die Haut. Auch sexuelle und menstruelle Störungen sind häufig. Begleitumstände sind häufig lange und komplizierte Anamnesen, viele enttäuschende und negative Untersuchungen, ergebnislose Operationen sowie Medikamentenmissbrauch oder -abhängigkeit aufgrund zahlreicher Verschreibungen.
- Hypochondrische Störung Das Hauptmerkmal ist die beharrliche Beschäftigung mit der Möglichkeit und die Befürchtung an einer oder mehreren schweren Krankheiten zu leiden. Anhaltende körperliche Beschwerden oder als krank interpretierte normale und allgemeine körperliche Erscheinungsformen unterstreichen die Befürchtung, krank zu sein. Die Beschwerden oder die fehlinterpretierte Wahrnehmung beziehen sich meistens nur auf ein bis zwei Organe oder Organsysteme. Die Betroffenen leiden oft unter beträchtlicher Angst und depressiven Störungen.
- Somatoforme autonome Funktionsstörung Bei dieser Störung werden Beschwerden von Organen oder Organsystemen beschrieben, die ganz oder teilweise über das vegetative Nervensystem gesteuert werden. Hierzu zählen das kardiovaskuläre System (Herz/Kreislauf), das respiratorische System (Atmungsorgane) und das gastrointestinale System (Verdauungstrakt). Symptome wie Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, aber auch Gefühle wie Brennen, Enge oder Schwere sind typisch.
- Anhaltende somatoforme Schmerzstörung Das vorherrschende Symptom ist ein andauernder, schwerer Schmerz, der physiologisch nicht oder nicht vollständig erklärt werden kann und in Verbindung mit emotionalen Konflikten und psychosozialen Problemen auftritt. Betroffene sind meistens nicht bereit, eine psychische Ursache ihrer Beschwerden zu akzeptieren.
Körperliche Störungen und Erkrankungen aufgrund psychischer Faktoren gemäß der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10 Kapitel V (F))
Wie bereits beschrieben liegen bei den somatoformen Störungen keine körperlichen Störungen vor, sondern es bestehen lediglich körperliche Symptome oder Beschwerden, die körperlich nicht begründet werden können.
In einer anderen Kategorie der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10 Kapitel V (F)) werden manifestierte körperliche Störungen und Erkrankungen beschrieben, die auf psychisch-seelische Faktoren zurückzuführen sind oder zurückzuführen sein können.
Diese sind zum Beispiel:
- Essstörungen (Anorexie, Bulimie etc.)
- nichtorganische Schlafstörungen (Schlaflosigkeit, Alpträume etc.)
- nichtorganische sexuelle Funktionsstörungen
- psychologische Faktoren bei diagnostizierten Krankheiten
Hier werden psychische und Verhaltenseinflüsse betrachtet, die wahrscheinlich eine wesentliche Rolle einer körperlichen Störung oder Erkrankung spielen. Die psychischen Faktoren oder Verhaltensweisen sind meist langanhaltend. Die hier gemeinten psychischen Faktoren sind alte Bekannte, wie zum Beispiel anhaltender Stress, emotionale Konflikte oder belastende Lebenssituationen.
Beispiele für typische körperliche Erkrankungen, denen auch psychologische Faktoren zugrunde liegen können sind: Asthma, Hauterkrankungen und Magen- und Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa.
Bei körperlichen Beschwerden oder Erkrankungen immer zuerst zum Arzt!
Egal, ob Sie eher die Schulmedizin oder die Alternativmedizin favorisieren, egal ob psychische Faktoren Ihrer körperlichen Beschwerden denkbar sind oder nicht, egal ob Sie an die Möglichkeit psychischer Faktoren von körperlichen Erkrankungen glauben oder nicht – bei körperlichen Beschwerden und Erkrankungen ist es wichtig und erforderlich, immer zuerst den Arzt oder Heilpraktiker des Vertrauens zu konsultieren!
Je nach Ihrer persönlichen Einstellung und der gestellten Diagnose stehen dann oft viele verschiedene Herangehensweisen und Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Psychosomatische Beschwerden müssen auch auf psychischer Ebene behandelt werden
Sobald feststeht oder die Vermutung nahe liegt, dass es bei den Beschwerden oder der Erkrankung seelisch-psychische Faktoren zugrunde liegen oder beteiligt sind, es sich also um psychosomatische Beschwerden handelt, ist es erforderlich die Behandlung psychologisch oder psychotherapeutisch durchzuführen oder zu begleiten.
Nach meiner Praxiserfahrung steigt das Bewusstsein für psychische Faktoren stetig – sowohl bei Medizinern und somatisch arbeitenden Therapeuten, als auch bei den Patienten. Immer mehr Menschen öffnen sich ganzheitlichen Sichtweisen und neuen alternativ- oder komplementärmedizinischen Lösungswegen.
Komplementärmedizin - nicht entweder-oder, sondern sowohl-als-auch
Ganzheitliche Sichtweisen und die Kombination der Vorzügen und Stärken beider Welten, der Schulmedizin und der Alternativ- oder Naturmedizin, bieten einen reichen Schatz an Möglichkeiten und nachhaltigen Lösungswegen.
Warum sollen wir uns für entweder-oder entscheiden, wenn wir das Beste von Beidem haben können. So kann es zum Beispiel sinnvoll sein, psychosomatische körperliche Beschwerden auf der Symptomebene mit allopathischen oder naturmedizinischen Arzneimitteln zu behandeln, um akute Beschwerden und Symptome zu erleichtern und parallel dazu auf die Suche nach Ursachen und Lösungswegen auf psychologischer und psychotherapeutischer Ebene zu gehen.
Herangehensweise – Wege und Möglichkeiten
Der menschliche Organismus (Körper, Geist und Seele) ist ein großes Mysterium mit unendlicher Tiefe und Weisheit. Aus Sicht der humanistischen Psychologie hat dieser Organismus (also wir) alles, was nötig ist, um in Balance zu kommen und zu sein. Allerdings gibt es in unserer heutigen Welt, im Zusammenhang mit unserer Lebensweise und den steigenden und komplexer werdenden Anforderungen das Alltags viele Faktoren, die dieses Gleichgewicht stören können.
Die Aufgabe der Medizin und der Therapiemethoden (Therapie kommt aus dem Griechischen und heißt „dienen“) ist oder sollte es sein, diesen wunderbaren Organismus dabei zu unterstützen, seine eigene Balance wieder zu erlangen und in Balance zu bleiben.
Das Symptom hilft, den Weg zu finden
In der ganzheitlichen Sichtweise unseres Organismus erscheint es wenig sinnvoll, ein vorhandenes Symptom zu erkennen und dann auszuschalten ohne nach dem Grund zu suchen, warum es da war. Zumal Symptome oft von alleine vergehen, nachdem die Ursache gefunden und aufgelöst wurde.
Am Beispiel der aufleuchtenden Öllampe eines Kraftfahrzeugs ist die Absurdität dieser Vorgehensweise leicht zu verdeutlichen. Niemand würde jemals auf die Idee kommen, diese Warnlampe einfach herauszunehmen oder das Kabel der Stromzufuhr für dieses Lämpchen zu unterbrechen. Das Symptom – das leuchtende Lämpchen – wäre bei dieser Vorgehensweise jedoch auch eindeutig verschwunden – allerdings mit fatalen Folgen. Selbstverständlich werden wir - die Botschaft des Symptoms verstanden - die Ursache beheben und Öl nachfüllen. Wie durch ein Wunder verschwindet dadurch das Symptom – das Warnlämpchen erlischt.
Da unser Organismus wesentlich komplexer ist als ein Kraftfahrzeug oder jede andere Maschine ist es auch schwieriger, die Botschaft des Symptoms zu verstehen. Kaum ein Symptom hat eine eindeutige Ursache und kaum eine Ursache bildet eindeutige Symptome aus. Bezeichnend dafür ist, dass in der Beschreibung der Ätiologie (der Ursachen) vieler Erkrankungen häufig das Wort „multifaktoriell“ zu finden ist. Dies gilt insbesondere für den Bereich der der Psyche oder Seele zuzuschreiben ist, demzufolge ebenso für die psychosomatischen Beschwerden. Leider oder glücklicher Weise – wie man es nimmt - ist unser Organismus hier nicht so konsequent, wie eine Maschine, denn er funktioniert trotz etlicher ausgeknipster Symptome erstaunlich lange weiter.
Dennoch ist der vielleicht längere, schwierigere und anstrengendere Weg mit großer Wahrscheinlichkeit der nachhaltige und zielführende Weg.
Die ganzheitliche und umfassende Beschäftigung mit dem Symptom gibt oft eine Fülle an Hinweisen und Einblicken, die den Weg zum Symptom weisen.
In der (psycho)therapeutischen Praxis geschieht das durch die Anamnese, das Gespräch, durch Exploration, Untersuchung und Beobachtung. Das Ziel ist, die Symptom- und Krankheitsgeschichte zu verstehen und diese Puzzleteile zu einem Bild zusammenzufügen. Dieses Bild soll es ermöglichen, den Patienten in seiner Gesamtheit zu sehen und dadurch mögliche Ursachen zu erkennen.
Wie weiter oben beschrieben können seelisch-psychische Faktoren wie zum Beispiel anhaltender Stress, dauerhafte Belastungen, traumatische Erlebnisse, belastende Lebensereignisse, schwierige Lebenssituationen, familiäre Probleme, Konflikte am Arbeitsplatz oder Zustände allgemeiner Überforderung Ursachen und Auslöser von psychischen und psychosomatischen Störungen sein.
Umgang mit Ursachen
Sind die Ursachen identifiziert oder gibt es zumindest „Verdächtige“ ist der nächste Schritt, diese Ursachen aufzulösen oder dafür zu sorgen, dass sie vergehen können. Dies kann je nach Ursache auf mehrere Arten und Weisen geschehen. Nachfolgend möchte ich einige nennen:
- Auflösung und Verarbeitung von Traumata und Belastungen mit traumatherapeutischen Methoden wie z. B. Somatic Experiencing (SE), Eye Movement Desensitization and Reprozessing (EMDR), Brainspotting, Traumafokus
- Verarbeitung und Therapie von Bindungsstörungen und Integration abgespaltener Persönlichkeitsanteile mit Methoden wie Ego-State-Therapie oder Innerer-Kind-Arbeit
- Identifikation und Transformation von hemmenden Glaubenssätzen und Überzeugungssystemen und negativen Kognitionen
- Systemische Sichtweisen und Ansätze
- Lehre von Annahme und Akzeptanz, dessen was ist
- Ökologie des Denkens – Bewusstsein über das Denken und Umgang mit dem Denken
- Achtsamkeitstraining
- Entspannungsmethoden wie z. B. Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
Fazit oder viele Wege führen nach Rom
Selbstverständlich gibt es sehr viele zielführende Wege und Möglichkeiten im Umgang mit psychosomatischen Beschwerden. Wichtig ist es, sich des – wie und wo auch immer – bestehenden Ungleichgewichts bewusst zu werden und nach Lösungen und Wegen zu suchen, um Balance und Wohlbefinden zu erlangen.
Die Bereitschaft hinzusehen, zu erkennen und erkannte Probleme anzugehen oder Sichtweisen dazu zu verändern muss allerdings vorausgesetzt werden.
Viel hilft dabei nicht unbedingt viel und sich selbst unter übermäßigen Druck zu setzen auch nicht. Das heißt: Geduld ist angesagt.
Kleine Veränderungen und eine schrittweise, maßvolle Vorgehensweise, die Bestandteil des Alltags werden, sind meistens leichter durchzuführen und erfolgversprechender, als zu große und ehrgeizige Maßnahmen, die nach einiger Zeit wieder im Sande verlaufen.
Jede Veränderung, die mit Wachstum und Entwicklung zu tun hat, ist ein langsam verlaufender Prozess, der eben die Zeit braucht, die er braucht. Durststrecken, Rückschläge und dergleichen gehören dazu. Der Lohn der Mühen ist Gesundheit und Wohlbefinden.
Bitte bedenken Sie immer und vergessen Sie nie, dass Sie selbst auf jeden Fall der Experte / die Expertin Nummer 1 für sich selbst sind. Niemand weiß besser über Sie Bescheid, als Sie selbst. Ärzte, Therapeuten, Coaches, Lehrer, Autoren, Begleiter etc. haben zwar jeweils in ihrem Fachgebiet eine höhere Wissens- und/oder Methodenkompetenz, dennoch bleiben Sie immer DER Experte/DIE Expertin für sich selbst.
In der Zusammenführung dieser Kompetenzen entsteht der Weg und ist die Lösung zu finden - sei es durch das Lesen eines Buches, das Konsultieren eines Therapeuten oder durch den Besuch eines Seminars.
Bitte bedenken Sie stets: Wir selbst haben die (Ver)Antwort(ung) für uns. Wenn wir unsere Verantwortung für uns übernehmen und uns gegebenenfalls mit der Hilfe anderer darum kümmern, bekommen wir Antworten die uns helfen, unseren Weg zu gehen.
Es geht darum, auszuprobieren, zu suchen und zu finden. Dass es auf diesem Weg auch Nebelbänke, schattige Täler, regnerische Tage und Rückschläge gibt, gehört leider zum Spiel. Allerdings macht uns gerade Dies erfahrener und kompetent, diesen Weg zu gehen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und auch Freude auf Ihrem ganz persönlichen Weg, hin zu Balance und Wohlbefinden.
Autor: Axel Raunjak
Thema: Psychosomatische Beschwerden loswerden
Webseite: http://www.innenordnung.de
Autorenprofil Axel Raunjak:
Axel Raunjak ist Heilpraktiker für Psychotherapie mit freier Praxis für heilkundliche Psychotherapie in Friedberg bei Augsburg.