Unkraut, die vergessene Kraft aus Kräutern

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Sie im Garten mit „Unkraut-Ex“ da eigentlich vernichten?

wiese-himmel-unkraut

Warum eigentlich „Unkraut“? Ist es vielleicht besser als sein Ruf, und wenn ja, warum?

Ein paar Gedanken vorweg:

Schätzungsweise 380.000 bis 500.000 Pflanzenarten gibt es weltweit. Davon sind uns nur 5 – 10% überhaupt bekannt. 1/5 davon (also 19.000 – 25.000 Arten) sind vom Aussterben bedroht. Ca. 6.000 Pflanzenarten von uns als Nahrungsquelle kultiviert. Weniger als 200 davon (also ca. 2/3 der Welternährung) wird von nur 6 Pflanzenarten bestritten. Weizen, Mais, Reis, Kartoffeln stellen 60% der Ernteerzeugnisse für die moderne Ernährung. Mit den oben gennannten 5 – 10% uns bekannten Pflanzenarten stellen wir 95 % unserer wichtigsten Arzneimittel her.

Welche Gedanken fallen Ihnen bei dem Wort „Unkraut“ ein?

Wächst in Massen, schlecht zu entfernen, wächst immer wieder nach, muss bekämpft werden, nimmt anderen Pflanzen Licht und Nahrung, …. Diese Liste könnte noch weiter fortgeführt werden.

Doch was ist Unkraut überhaupt?

Haben wir vergessen oder verlernt, dass die Menschen immer schon Pflanzen gesammelt haben, um sie zu verzehren, um sie für Rituale zu verwenden oder um sie zu verehren, lange bevor es gezüchtete Pflanzenarten gab? Haben wir vergessen, dass früher aus Pflanzen Farbstoffe gewonnen wurden für unsere bunte Kleidung, für bunte Wohnaccessoires, für Haarfarbe, Kosmetik, Malerei, dass manche Pflanzen Grundstoffe für Arzneimittel liefern? Häufig sind das genau diejenigen Pflanzen, die relativ unbeeinflusst von menschlichem Zutun wachsen.

Was ist also Unkraut, was ist Heilpflanze und was nicht?

Als Unkraut zählen wir zum Beispiel Brennnessel, Vogelmiere, Klee, Giersch und Löwenzahn.

brennessel klein

Unkraut sind Wildpflanzen, die ihren Lebensraum in der Wildnis beziehungsweise Natur haben und sich ohne menschliche Hilfe am Leben erhalten. Sie sind also nicht vom Menschen genetisch verändert. Meist werden diejenigen Pflanzen, die keinen bestimmten Nutzen für den Menschen haben als Wild- oder Unkraut bezeichnet.

Anerkannte Heilpflanzen sind zum Beispiel Arnika, Kamille und Salbei.

salbei klein

Heilpflanzen sind Pflanzen, die ebenfalls häufig wild wachsen, aufgrund ihrer Inhaltsstoffe aber zur Vorbeugung und Linderung von Krankheiten in der Heilkunde verwendet werden. Nach dem derzeit geltenden Deutschen Arzneibuch (DAB) beziehungsweise den Europäischen Arzneibüchern gelten etwa 80 Arten als offizinelle Heilpflanzen. Häufig ist eine Mischung aus verschiedenen Wirkstoffanteilen für den Heilungserfolg verantwortlich und zum Teil ist dieses Zusammenspiel immer noch nicht vollständig erforscht.

Zwischenergebnis hier: Auch unter den „Unkräutern“ gibt es eine ganze Reihe von Pflanzen, die heilkräftige Wirkung haben. Anerkannte Heilpflanzen werden gezielt angebaut und verarbeitet. Als ein giftiges Beispiel sei hier der Fingerhut genannt, der wirksame Herzglycoside enthält. Bekanntlich macht ja die Dosis das Gift.

Warum ist Unkraut gesund?

„Unkraut“ ist so zuzusagen naturbelassen. Es wächst ohne Zutun des Menschen und ohne, dass er es in irgendeiner Form verändert hätte.

Es sind beispielsweise Inhaltsstoffe wie Flavonoide, die die Pflanze bildet, um sich selbst vor übermäßiger UV-Strahlung und Fressfeinden zu schützen, die diese Pflanzen auch für uns Menschen interessant machen.  Flavonoide hemmen das Wachstum von Bakterien, Vieren und Pilzen und sind für viele Insekten giftig. Auf den menschlichen Körper haben Flavonoide eine vielfältige Wirkung und werden deshalb für die Behandlung von einer Vielzahl von Beschwerden eingesetzt. So wirkt beispielsweise das in Buchweizen enthaltene Rutin gefäßverstärkend, Isoflavone, die zum Beispiel in Kleearten vorkommen wirken schwach östrogenhaltig.

Wildpflanzen haben nachweislich beispielsweise einen zum Teil wesentlich höheren Vitamin C-Gehalt als Obst und Gemüse, das in Märkten und Geschäften angeboten wird. Die folgende Tabelle spricht für sich:

Vitamin C-Gehalt mg pro 100 g

  • Zitrone: 53
  • Orange: 50
  • Kiwi: 100
  • Grapefruit: 40
  • Banane:10
  • Brennnessel: 333
  • Giersch: 201
  • Petersilie: 166
  • Sauerampfer: 117
  • Löwenzahn, Vogelmiere: 115
  • Gänseblümchen: 87

Kann man Unkraut einfach aufessen?

Diese Frage lässt sich bereits vorab sowohl mit „ja“ als auch mit „nein“ beantworten. Folgen wir dem allgemeinen Trend, der Wildkräuter so zusagen wieder salonfähig macht, wollen wir uns vitaminreich mit heimischen Pflanzen versorgen und suchen wir nach besonderen – vielleicht auch für uns völlig neuen Geschmackserlebnissen, lässt sich diese Frage eindeutig mit „ja“ beantworten.

Außerdem müssen wir daran denken, dass Wildkräuter nicht unserem modernen „Geschmack“ angepasst wurden. Einige schmecken eher herb oder sogar sehr bitter.

Kann man Unkraut einfach sammeln oder bewusst im Blumenkasten/Gartenbeet kultivieren?

Mit dem aufkommenden Ernährungs-Trend, der bereits die Spitzengastronomie erreicht hat, gibt es eine Vielzahl an Rezepten mit Wildpflanzen. Sollte deswegen aber eine regelrechte Jagd auf die Wildkräuter ausbrechen, ist hier ein entschiedenes „nein“ der richtige Weg. Wildkräuter sammelt man in einem Körbchen, Knospen im Fingerhut, sagt ein Sprichwort. Wildkräuter können unseren Speiseplan ergänzen und bereichern, höchstwahrscheinlich aber nicht ganze Mahlzeiten ersetzen.

Auch wenn es von manchen Pflanzen zahlreiche Vertreter gibt, sollten diese etwas Besonderes auf dem Speiseplan bleiben und nicht „ausgeräubert“ werden. Die Pflanze braucht ihre Wurzel, Blüten, Blätter und Samen, um selber zu leben und Nachkommen hervorzubringen. Eine besondere Achtsamkeit und Respekt sollten also selbstverständlich sein.

Vor allem sollte man aber nur sammeln, was man 100 prozentig kennt und 100 prozentig sicher unterscheiden kann. So liest man auch dieses Jahr wieder von Vergiftungen nach dem Sammeln und Genuss von Bärlauch, weil es verschiedene Pflanzen gibt, die diesem sehr ähneln und zudem auch ähnliche Standortvorlieben haben, aber für uns Menschen giftig sind.

Es empfiehlt sich, an Kräuterwanderungen von zertifizierten Fachkundigen teilzunehmen, um die Pflanzen und ihre Erkennungsmerkmale für sich kennenzulernen und Unterscheidungsmerkmale, die manchmal im kleinsten Detail liegen, zu wissen. Auch dann sind immer noch viel Übung und ein genaues Auge erforderlich, um manche Pflanzen sicher und eindeutig zu identifizieren.

Auch ist es sehr ratsam, zunächst mit ein paar wenigen Pflanzen zu beginnen, die leicht und sicher erkannt werden können und erst nach und nach sein Wissen weiter aufzubauen, bevor neue Pflanzen dazu genommen werden.

Es spricht nichts dagegen, sich Wildpflanzen in Kübeln oder Balkonkästen draußen zu halten. Einige Wildpflanzen, zum Beispiel die Vogelmiere, eignen sich dafür sogar besonders gut. Aber auch hier ist darauf zu achten, dass es auch wirklich die Pflanze ist, die man meint.

Wann sammeln?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst fragen, welche Pflanzenteile gesammelt werden sollen. Es können Blätter, Blüten oder Wurzeln je nach Pflanzenart gesammelt werden. Grundsätzlich beginnt die Sammelzeit im Frühjahr, sobald die Blätter erscheinen, geht den Sommer über, während die Blüten gesammelt werden können, im Herbst, wenn Früchte und Beeren gesammelt werden und endet mit dem Ernten mancher Pflanzenwurzeln spätestens am 01. November, um den Pflanzen die Winterruhe zu gönnen.

Besonders mit der Ernte von Wurzeln greift man tief in den Lebenszyklus der Pflanze ein, da man ihr einen Teil der Speicherorgane und ihre wichtigste Ernährungsmöglichkeit nimmt. Grundsätzlich sammelt man an einem sonnigen Tag am späten Vormittag, da zu dieser Tageszeit der Wirkstoffgehalt häufig am höchsten ist.

Es ist darauf zu achten, Pflanzen nicht an Straßenrändern oder Feldrändern zu sammeln, weil sich hier unerwünschte Schad- oder Düngerückstände angereichert haben könnten. Auch sollten nicht alle gefundenen Pflanzenteile abgepflückt und eingesammelt werden, denn sie dienen Tieren ebenfalls als wichtige, häufig sogar einzige Nahrungsquelle.

Findet man eine kleine Ansammlung derselben gesuchten Pflanze vor, wie zum Beispiel beim Bärlauch, sollte man nicht großflächig Händevoll davon herausreißen, sondern besser sorgsam und achtsam Blatt für Blatt mit Findernägeln oder Messer abkneifen oder -scheiden. Dies verhindert zum einen, dass gegebenenfalls doch ein giftiges Maiglöckchen- oder Herbstzeitlosenblatt in das Sammelkörbchen wandert. Zum anderen ist es auch viel schonender für die Pflanze, denn beim großflächigen Abreißen können unter Umständen die Zwiebeln mit herausgezogen oder die Pflanze zu stark verletzt werden. Beides macht ein Weiterwachsen oder einen Neuaustrieb unmöglich. Weitere Sammelregeln können in geführten Kräuterwanderungen erlernt werden.

Gesammelt – und dann?

Sind die oberirdischen Pflanzenteile sicher erkannt und eingesammelt, sollten sie luftig in einem Körbchen oder Beutel nachhause transportiert werden.

Will man die Pflanzen zum Beispiel für Tee trocken, sollten diese so bald wie möglich an einem luftigen, schattigen Platz zum Trocken auf einem Gitter ausgelegt oder, je nach Pflanzenart, als Strauß aufgehängt werden. Trocken sind sie erst, wenn die Blätter beim Berühren „rascheln“.

Sollen die Pflanzen für Speisen verwendet werden, können sie sogleich weiterverarbeitet werden. Blätter können vor der Weiterverarbeitung gewaschen werden. Blüten werden nicht gewaschen, weil damit der Pollen ebenfalls „abgewaschen“ würde.

Fazit

Während Löwenzahn, Gänseblümchen und Brennnessel noch sicher erkannt werden, ist es offensichtlich gar nicht mehr so einfach,“ einfach loszulegen“, denn zur Unterscheidung fehlen häufig fundierte Kenntnisse.

klee klein

Zum Sammeln fehlen die Kenntnisse von Standorten, und somit den Bedürfnissen der jeweiligen Pflanzen. Zum Verarbeiten fällt uns zumeist nicht sofort ein Rezept ein, und an manchen Geschmack müssen wir uns erst wieder gewöhnen. Das zeichnet ein aktuelles Bild von unserem Umgang mit Wildpflanzen und Sie würden staunen, was ein Wildkräuterkundiger Ihnen über das Unkraut in Ihrem Rasen oder in den Fugen Ihrer Garageneinfahrt alles erzählen kann. Mit den entsprechenden Kenntnissen, sehen Sie „Unkraut“ in einem ganz anderen Licht, versprochen.

Autor: Ina Grundmann, Dipl. Kräuter- und Knospenpädagogin
Thema: Unkraut, die vergessene Kraft aus Kräutern
Webseite: http://www.unkrautliebe.com

#Homöopathie, #Naturheilkunde, #Pflanzen und Kräuter

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