Was können wir unter „platonischer Liebe“ verstehen?

Es gibt in den menschlichen Sprachen Begriffe, die sich nicht genau umreißen lassen.

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Liebe ist so ein Begriff. Jeder versteht diesen Begriff - etwas anders. Manche Paarbeziehung ist schon über diese Tatsache gestolpert oder an ihr gescheitert. Und Plato(n)? Ein Mensch aus Fleisch und Blut, der hat Gedanken geformt und weitergegeben und diese Gedanken sollten ganz verschiedene Wege gehen, sie veränderten sich von Weitergabe zu Weitergabe. Plato blieb nicht mehr der, der er war, weil er eben in Vieler Munde war.

Und nun versteht jeder Seins auf dem Hintergrund dessen, was er schon erlebt und an Deutungen des Erlebten schon gehört hat. Wenn nun das Wort „Liebe“ im Gespräch auftaucht, versteht es bestimmt nicht jeder auf die genau dieselbe Weise. Wenn wir uns nun über Liebe verständigen, sollten wir dabei wissen, dass wir gerade wieder etwas dazulernen können. Das, was umständehalber in uns selbst bislang unterbelichtet geblieben ist.

Wer war dieser Platon, der vor rund 2400 Jahren im demokratiegefestigten Stadtstaat Athen lebte und dessen Namen immer noch nicht verklungen ist? Sein Beruf Philosoph, d. h. „Weisheitspfleger“, war eines freien Mannes würdig. Der Philosoph war sozusagen freigestellt für die Arbeit an sich selbst zum Wohle der Gemeinschaft. Man brauchte und achtete solche Spezialisten des (zwischen)menschlichen Knowhow. Die gewöhnlichen Arbeiten verrichteten andere für ihn. Namentlich Frauen und Sklaven.  Klar, dass er mit seiner „höheren“ Bestimmung auch seine Mühen hatte. Er musste sein Leben in seiner reichlich vorhandenen „Freizeit“ gewissermaßen durchkonstruieren. Er musste für alles Rede und Antwort stehen können. So redete und schrieb er auch über die Liebe, den „Eros“. Wir sollten wissen, dass die gleichgeschlechtliche Liebe in seinem Umfeld als normal empfunden wurde.Was wir nun heute unter Platonischer Liebe verstehen ist nicht dasselbe, wie die von ihm beschriebene Liebe.

In seinem Werk „Symposion“, (altgriechisch: „Umtrunk“) lässt er verschiedene Größen seiner Zeit der Reihe nach zu Wort kommen und zwar zum Thema „EROS“. Da bemerken wir die demokratische Kultur. Platon schreibt nicht eine Abhandlung darüber, wie die Liebe zu verstehen und zu praktizieren sei, sondern er lässt unterschiedliche Stimmen in lockerer Runde zu Wort kommen und der Leser soll sich da hindurcharbeiten mit dem Erfolg, dass er seiner eigenen Wahrheit wieder etwas näherkommt. ;Was Platon unter den angenommenen Teilnehmern des Umtrunks seinen verehrten Lehrer Sokrates aussprechen lässt, das hat für Platon allerdings besonderen Wert. Während nun die homosexuelle Liebe in diesem Kreise geradezu als Idealfall erscheint, lässt Platon seinen Lehrer Sokrates von seinem Gespräch mit einer Frau berichten. Ihr, der Diotima schreibt dieser in Sachen Eros die höchste Autorität zu. Die Liebe, so Frau Diotima, ist „Suche“. Heute würden wir vielleicht sagen: Entwicklung.„Der Liebende ist nicht Besitzer und doch lebt er im Überfluss“. Wir verstehen: Widersprüche sind Triebkräfte der Entwicklung. „Er ist arm und reich zugleich, wissend und nicht wissend, habend und nicht besitzend“. Er ist immer auf dem Weg und nie am Ziel. Der Weg ist das Ziel. Und ein Höhepunkt der Liebe ist nach  Platon die Zeugung. Zwei Menschen verlieren sich hinein in etwas, was größer ist, als sie selbst. Und aus diesem gemeinsamen Loslassen, der gemeinsamen Bedürftigkeit entsteht ein neuer Mensch und mit ihm beginnt alles von neuem. Das ist die tiefste Wahrheit und das ist die Überwindung des Todes (bei Platon die „Unsterblichkeit der Götter“). Platon sieht den Eros als Möglichkeit des Menschen über sich selbst hinauszuwachsen.Für den Liebenden ist es nicht mehr wichtig, an welcher Stelle des Weges er sich befindet, sondern es wird wichtig, dass er immer wieder zu neuen Ufern aufbricht.

Es ist klar, dass es, so verstanden, sehr verschiedene Farben und Formen von Liebe ihre Richtigkeit haben. Wichtig ist nur, dass es weiter geht, dass nicht eine Erfahrung festgehalten wird, als wäre sie ein Besitz mit einem Anspruch. Das brächte die Liebe in das Dunstfeld von Abhängigkeit. Was aber wichtig ist, dass die beiden ihre Beziehung auf gleicher Augenhöhe in gegenseitiger Wertschätzung gestalten, dass sie gegenseitig ihre Grenzen akzeptieren und dass sie sich nicht durch Erwartungen unter Druck setzen.;So gesehen ist keine der verschiedenen Formen der Liebe ausgesprochen unplatonisch. ;Denn wann immer ein Mensch zu lieben versucht, hat er nach Platon die Chance durch (selbstverständliche) Krisen hindurch zu größerer und schönerer Liebe aufzubrechen.  Aufbruch in Neuland hat jedoch auch etwas mit Gefahr und Verzicht, mit Loslassen des Vertrauten zu tun. Mir stellt sich hier die Frage, ob Liebe nicht immer mit dem Loslassen verbunden ist. Leser und Leserin mögen sich selbst eine Meinung bilden, zu einer vorläufigen Erkenntnis kommen. Es ist denkbar, dass wir auf Manches zu verzichten bereit sind für etwas Größeres, auch wenn dieses Größere uns ohne Garantie versprochen wird.

Aber gerade auf sexuelle Berührung mit einem geliebten Menschen verzichten? Vielleicht will das nicht in den Kopf.  Wenn aber für mich und mein Gegenüber aus irgendeinem Grund die sexuelle Berührung kein geeigneter Kommunikationsweg zwischen uns beiden ist? Und wir dies auch noch rechtzeitig bemerken? Und der Gründe für diesen Verzicht kann es viele geben! (Andere Verpflichtungen zum Beispiel oder innere Notwendigkeiten der Partner könnten dies sein.)Und wenn mir dann dieser Mensch mit seiner Liebenswürdigkeit dennoch immer wichtiger wird? Und wenn ich ihm immer wichtiger werde? Dann kann schon so viel Bewegung, so viel Farbe in unserer Beziehung sein, dass die Umgehung des Sexuellen einfach passt. Das kann dann möglicherweise so bleiben, muss es aber nicht!;Liebe ist nämlich auch Aufbruch ins Unbekannte und in ihrem Innersten Raum ist sie wohl nicht so planbar. ;Die sexuelle Liebe kann ja doch noch kommen, wenn sie sich später in großer Achtung der Partner voreinander als geeigneter Kommunikationsweg erweist.;Im Fall des Bleibens, wenn die sexuelle Berührung umgangen wird aus Achtung vor der Persönlichkeit des Anderen nennen wir das „platonische“ Liebe. Plato hat sie nicht erfunden, aber er ruft und aus der Ferne der Vorzeit zu, dass wir so oder so in der Liebe und durch die Liebe über uns selbst hinauswachsen können.

Autor: Dipl.-Theol. Gerhart Streicher
Thema: Platonische Beziehung
Webseite: https://www.beziehungswerkstatt-jena.de

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