[Kolumne] Verschenkt eigentlich noch jemand Holzspielzeug, oder gibt's da 'ne App?
Als ich klein war, freute ich mich über eine neue Puppe, etwas zum Malen und ein Gesellschaftsspiel, natürlich gab es den obligatorischen Schlafanzug und ein paar Süßigkeiten, mit Glück gab es dann noch einen Tieratlas von der Oma. Setzen Sie das mal einem heutigen Kind vor, dann ist aber was los. Da höre ich von Zweitklässlern, dass sie jetzt endlich ihr erstes neues iPhone bekommen haben, und ich rede hier nicht von einem Vorjahresmodell.
Als Ungetaufte und Ungläubige feiere ich natürlich auch nicht den christlichen Charakter des Festes und begrüße Jesus Christus auf dieser Welt. Und nein, ich war Weihnachten auch nie in der Kirche. Doch als in einem christlichen Land Lebende verstehe ich mich schon als Christin, schließlich nehme ich ja auch jeden Feiertag mit. Sich dann zu besinnen, dass es nicht nur darum geht, Großkonzernen den Umsatz des Jahres zu bescheren und Kinder dazu zu bringen, sich mit Mitschülern zu vergleichen und dann eben besser oder schlechter zu fühlen, ist sicher nicht falsch. Immer mehr, immer größer, immer teurer... und Hauptsache mit einem Akku. Das schockt mich doch jedes Jahr wieder, wenn ich im Januar meine Schüler frage, was sie zu Weihnachten bekommen haben. Und was habt ihr mit der Familie gemacht? Ich habe viele Filme geschaut, Konsole gespielt und musste meine Oma besuchen. Und das ist Weihnachten? Mir ist auch klar, das es nicht leicht ist, einen Teenager davon zu überzeugen, dass Zeit mit der Familie im gemütlichen Kreis wertvoller ist, als zwei Staffeln von Squid Game an einem Stück zu schauen.
Und ja, Coronazeiten machen es uns sicherlich nicht leicht. Da freut man sich, wenn man mit Geschenken ein bisschen was wiedergutmachen kann. Aber befriedigt man damit nicht vor allem sein schlechtes Gewissen? Zeit, die man nicht miteinander verbracht hat, Gespräche, die man nicht geführt hat? Wenn ich mich an schöne Dinge in meiner Kindheit erinnere, dann waren das nicht die modernste Barbie oder mein Lern-Computer, sondern ein echtes Gespräch mit meiner Mutter, über meinen ersten Freund, meinen Körper oder Ängste. Das ist es, was bleibt.
Autor: Anke Wachtendorf - Schülercoach, Lern- und Erziehungsberatung, Verlagsautorin
Thema: Weihnachten versus Weihnachtswahnsinn
Webseite: http://www.schuelercoaching-wachtendorf.de