„Du musst nur ruhig bleiben, der Hund spürt sonst deine Angst“
Solche und ähnliche Ratschläge muss ich mir anhören, wenn ich erzähle, dass ich vor Hunden Angst habe.
Meine Klientin saß mir gegenüber, das Gesicht gerötet, die Augen weit aufgerissen. Vor einigen Jahren wurde sie beim Joggen völlig grundlos von einem Hund gebissen. Neben dem Schmerz war es diese unfassbar überraschende und unglaubliche Situation, die sie aus ihrer Mitte warf. Fortan glichen ihre Joggingrunden einem Spießrutenlauf, um keinem Hund zu begegnen.
„Dabei hätte ich immer schon gerne einen Hund gehabt, aber nun traue ich mir das schon gar nicht mehr zu.“
Die Angst vor Hunden kann durch viele Faktoren ausgelöst werden
Von einem Hund angefallen und verletzt zu werden, ist sicherlich die traumatischste Art, aber oft reichen schon kleinere Zwischenfälle oder ein Erlebnis als (Klein)Kind, welche als Trauma abgespeichert werden. Es gibt aber auch völlig unbegründete Ängste vor Hunden, deren Ursprung nicht zu finden ist. Doch ganz egal, wie die Angst vor Hunden entstanden ist, der Wunsch eines jeden Menschen, der darunter leidet, ist es, sich von ihr zu befreien, um ein stressfreieres Leben führen zu können, denn in unserer Gesellschaft hat der Hund einen großen Stellenwert.
Wenn ein Mensch, der Angst vor Hunden hat, auf einen Hundebesitzer trifft, der seinen Vierbeiner perfekt abrufen kann, so verringert sich das Stresslevel für alle Beteiligten auf ein Minimum. Leider ist das eher selten der Fall; die Hundetrainer und Hunde-Coaches haben Hochsaison, und trotzdem sehen wir immer wieder schlecht oder gar nicht erzogene Hunde. Ein Horror für jeden Menschen, der Angst vor ihnen hat. So kam auch meine Klientin mit dem tief verwurzelten Wunsch zu mir, wieder in Ruhe und stressfrei joggen gehen zu.
Ich biete Hypnose an. Unter Anderem zum Auflösen von Ängsten und Panikattacken. Wie geht das? Geht das überhaupt? Ist Hypnose nicht Humbug oder reißerische Show?
Noch immer wird Hypnose oft mit Misstrauen betrachtet, und leider haben die Show-Hypnotiseure, bei deren Auftritten Menschen zum Gackern gebracht werden oder andere Dinge tun, die sie lächerlich erscheinen lassen, nicht gerade dabei geholfen, die Hypnose als probates Hilfsmittel zu sehen.
Als Vorreiter der heute eingesetzten „indirekten Hypnose“ gilt der Amerikaner Milton Erickson (05.12.1901 – 25.03.1980).
Schon früh als „entwicklungsgestört“ eingestuft, weil Legastheniker, erkrankte er mit 18 Jahren schwer an Polio (Kinderlähmung), lag 3 Tage im Koma und war danach vollkommen gelähmt. In dieser kompletten Immobilität konzentrierte er sich auf die Wahrnehmung durch Beobachtung und tauchte tief ein in die verbale und non-verbale Kommunikation mit anderen Menschen.
Sein unglaublicher Wille brachte ihn dazu, nach 2 Jahren zunächst mit Krücken, dann ohne Gehhilfen zu laufen. Nur ein Hinken des rechten Beins blieb.
Fortan widmete er sich der Psychologie, der Medizin und der Erforschung der Hypnose. Er veröffentlichte viele wissenschaftliche Artikel und erlangte den Ruf als Meister der Hypnose. Leider war sein weiteres Leben durch Krankheiten geprägt.
Hypnose hat eine ganze einfache Erklärung:
Unser Denken wird durch einen bewussten und durch einen unbewussten Teil gesteuert. Das Bewusste regelt den Alltag und macht, dass wir in unserer Welt „funktionieren“. Es ist unsere innere Ordnung. Wenn diese innere Ordnung gestört ist durch Ängste, Zwänge, Süchte usw., dann kann das Bewusste uns nicht helfen bei der Bewältigung. Ganz im Gegenteil: der betroffene Mensch ist sich seiner Sucht, seiner Angst voll bewusst, und gleichzeitig bewusst darüber, dass er diesen Zustand alleine nicht auflösen kann.
Viele von uns werden das kennen, wenn man versucht, „die paar Kilos, die stören“ loszuwerden. Kaum will man sich zusammenreißen, fällt es einem noch schwerer, auf Genussmittel zu verzichten. Bei Ängsten funktioniert unser Gehirn ganz genauso.
In neurobiologischen Untersuchungen hat man festgestellt, dass ein Mensch in Hypnose einen hirnphysiologisch anderen Zustand einnimmt. MRT-Aufnahmen können das belegen. In diesem Zustand tritt das Bewusste in den Hintergrund, unsere Alltagsvernunft wird quasi deaktiviert, so dass die hypnotisierte Person nicht mehr in Alltagskategorien (richtig/falsch, schwarz/weiß, muss ich/muss ich nicht...) denkt. Sie gibt die Kontrolle ab.
Allerdings nicht an den Hypnotiseur, was viele Hypnose-Skeptiker befürchten, sondern die Kontrolle sich selbst, dem eigenen Bewussten gegenüber. Der Alltag ist quasi ausgeschaltet, so dass die Worte des Hypnotiseurs in tiefer liegende Bereiche gelangen. Hier kann das Problem, welches uns auf rationaler Ebene einschränkt, auf einer emotional unbewussten Ebene angesprochen und mit positiven Ankern versehen werden.
Der therapeutische Nutzen liegt darin, in einer alternativen Wirklichkeit (Trance) Dinge auszuprobieren, die im realen Leben nicht umgesetzt werden können. Wir „üben“ also die Wirklichkeit, die wir für uns gerne haben möchten (in unserem Fall ein Leben ohne Angst vor Hunden).
Rationale Widerstände („wie soll das denn gehen“) werden ausgeblendet, so dass die Verankerung positiver Hilfsmittel bei der Überwindung der Angst geschehen kann.
Die passive Haltung der hypnotisierten Person, während der Hypnotiseur redet, schaltet die umliegenden Reize aus und führt zu einem Fokus auf das zu Erlernende. Wir kennen diesen Zustand von Kindern, wenn sie spielend lernen. Alles um sie herum scheint nicht mehr zu existieren.
Und wie bei Kindern ist dieser Tunnelblick eine effektive Methode, etwas zu erlernen, denn keine umliegenden Reize können ablenken.
Doch wie läuft eine Hypnose-Sitzung konkret ab?
Jeder Hypnosesitzung voran geht ein Vorgespräch.
Neben einem ersten Kennenlernen werden hier die Fakten gesammelt, also wie es zu der Angst gekommen ist, welche Situation sie ausgelöst hat (sofern es eine konkrete Situation gegeben hat), was bisher unternommen wurde, um die Angst zu überwinden (eventueller Einsatz von Psychopharmaka, psychotherapeutische Therapien o.ä.) und welche Ansprüche der Klient an die Hypnose hat.
Dieser rationale Teil gibt der zu hypnotisierenden Person das Gefühl, ernst genommen zu werden und sachlich über das Problem reden zu können. Oft kommen hier schon Aspekte zum Vorschein, die die Person bisher so noch gar nicht wahrgenommen hatte.
In einem zweiten Teil sucht man gemeinsam positive Ressourcen oder Erlebnisse, zum Beispiel einen schönen Urlaub. Die Person wird daraufhin in eine Trance versetzt, in welcher sie dieses angenehme Erlebnis durch die Worte des Hypnotiseurs noch einmal erlebt. Dabei helfen Wiederholungen, das Erlebnis noch plastischer und tiefer zu verankern.
Dann holt der Hypnotiseur die Person aus der Trance zurück.
Das dritte Element ist die „Fast Phobia Cure“ (schnelle Phobie Technik).
Wie in einem Kinosaal, in dem ein Schwarzweißfilm gezeigt wird, wird unsere Klientin bis kurz vor die brenzlige Situation (Begegnung mit einem Hund) geführt. Der Film wird dann „vorgespult“, bis die Situation vorbei ist, sie wird zur Akteurin in dem Film, der nun farbig erscheint, und mit Hilfe der vorab erarbeiteten positiven Anker und Ressourcen wieder zurück auf Anfang gespult.
Da dieser Prozess sehr abstrakt ist und viel Vorstellungskraft erfordert, was für einige Menschen ungewohnt ist, muss er mehrmals wiederholt werden.
Der Hypnotiseur holt die Person erneut aus der Trance, um sie gleich darauf wieder zu hypnotisieren.
In diesem vierten Teil, der so genannten „Future Pace“ (Schritt in die Zukunft), werden die positiven Ressourcen und Anker durch mehrfaches Wiederholen mit der angstauslösenden Situation verbunden, so dass die Klientin in ihrem Unbewussten übt und lernt, wie sie mit der Begegnung eines Hundes entschärfen kann.
Nach Beendigung dieser letzten Trance wird die Sitzung beendet.
Eine zweite Sitzung nach 1 bis 2 Woche ist erforderlich, um die Entwicklungen zu analysieren und um die Fast Phobia Cure mit anschließender Future Pace zu wiederholen.
Wie bei einmal gelernten Vokabeln tut es unserem Bewusstsein gut, das Erlernte zu wiederholen, um es zu festigen.
Autor: Melina Jörgens, Heilpraktikerin
Thema: Angst vor Hunden
Webseite: https://heilpraktikerin-in-wuppertal.de
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