Fallstudie: „Borderline-Störung“

Klientin: Vanessa, 22 Jahre

borderline-psychische-krankheit

Anamnese

Vanessa lebt bei ihrer Oma. Sie möchte demnächst eine eigene Wohnung haben, weil sie im Grunde keine Privatsphäre hat. Seit einigen Monaten hat sie einen festen Freund. Vanessa arbeitet als Physiotherapeutin.

Ihren Vater kennt sie nicht, er leidet an paranoider Schizophrenie. Bis zum Jugendalter war Vanessa bei ihrer Mutter aufgewachsen, die an einer Borderline-Störung und Stimmungsschwankungen leidet.´Als die Klientin 16 war, wurde sie vom Jugendamt von der Mutter weggenommen (wegen Drogenabhängigkeit der Mutter) und bei ihrer Oma untergebracht.

Vanessa hat seit ihrer Jugend Angst, nicht wertgeschätzt zu werden. Sie hat kein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Die Klientin hat Angst, dass sie kein selbständiges Leben führen kann. Bei Streit sucht sie die Schuld immer bei sich selbst. Dann bestraft sie sich durch Verletzungen. Sie ritzt an den Armen (2-3 mal die Woche). Jetzt geht das nicht mehr, da Vanessa mit Patienten arbeitet. Es müssen andere Körperteile herhalten, sie schlägt sich an den Kopf. Die Klientin verletzt sich, seitdem sie 16 ist. Vanessa grübelt viel und hat negative Gedanken. Es besteht keine Suizidalität.

Wenn sie Streit mit ihrer Mutter hatte, war die Mutter nachts in ihr Zimmer gekommen und hatte sie geweckt. Hatte sie als Kind Geschenke für die Mutter gebastelt, wurden diese von der Mutter zerrissen. Vanessa erzählt, dass sie von ihrer Mutter geliebt wurde. Sie erkennt aber den offenen Widerspruch zu dieser Aussage und dem Verhalten der Mutter. Seit 2 Jahren hat Vanessa keinen Kontakt mehr zu ihr. Auf Mails der Mutter antwortet sie nicht. Damit kann sie gut leben.

Bis vor ca. 6 Monaten war Vanessa mit einem Ägypter liiert. Diese Beziehung war - wegen der kulturellen Unterschiede - sehr konfliktreich. Ihr Freund tat sich sehr schwer mit ihrer religiösen Nichtgläubigkeit und ihrem im Prinzip offenen Wesen. Trotzdem hatten sie einen gemeinsamen Urlaub gebucht.. Ihr Freund war aber auf dem Flughafen nicht erschienen, sie flog allein. Seitdem besteht kein Kontakt mehr.   

Im 90-minütigen anamnestischen Vorgespräch wirkt Vanessa klar und strukturiert. Im Gespräch bestehen  keine Hinweise auf eine Depressivität.  

Verdachtsdiagnose (ICD10)
Borderline-Störung F 60.31
Mittelgradige Depression F 32.1

Was ist ein Anker ?
Im täglichen Leben haben wir es häufig mit natürlichen Ankern zu tun. Ein Anker löst ein bestimmtes Verhalten, eine Erinnerung oder ein Gefühl aus. Die rote Ampel ist ein Anker. Der Autofahrer bremst. Ein bestimmtes Musikstück kann ein Anker sein. Es löst Gefühle oder Erinnerungen an eine bestimmte Situation aus.

Therapie

1. Sitzung Im künftigen therapeutischen Prozess werden belastende Bilder über Interventionen in Trance verändert. Die Arbeit mit belastenden Bildern aus der eigenen erlebten Geschichte (psychogene Entwicklung) kann immer dazu führen, dass die Klientin wieder emotional aufgewühlt wird. Das lasse ich als Vertreter der humanistischen Psychotherapie nur bis zu einem gewissen Grad zu. „Einmal leiden heißt: genug gelitten“ ist ein von mir bestehender elementarer Grundsatz. Bei Vanessa wird in Trance eine von ihr selbst gewählte Situation der Ruhe und Entspannung verankert (indem sie z.B. ihr Handgelenk umfasst). Diesen Anker kann sie jederzeit selbst nutzen. In dem Moment, wo die Klientin sich in dem selbst gewählten Bild der Ruhe und Entspannung befindet, verankere ich diesen Zustand durch eine Berührung an ihrem Fußknöchel. Auf diese Weise kann ich sie bei der Arbeit mit belastenden Bildern bei Bedarf sofort in einen Ruhe- und Entspannungszustand versetzen. Seit dem Vorgespräch ist eine Woche vergangen. Vanessa hatte sich in diesem Zeitraum nicht mehr verletzt, obwohl sie viel Streit mit ihrem Freund hatte. Sie arbeitet intensiv an sich und versucht, zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Die Kommunikation mit ihrem Freund muss besser werden. Ich bitte Vanessa darum, sich nicht mehr selbst zu verletzten und ihren Körper zu achten. Es ist der Körper in dem sie wohnt.

2. Sitzung Die erste Therapiesitzung hatte sie sehr beschäftigt. Sie hatte sich danach auch wieder selbst verletzt. Der Ruheanker wirkt noch nicht.  In der Beziehung zu ihrem Freund tut sich etwas. Sie reden mehr. Vanessa  fällt noch eine belastende Situationen aus ihrer Geschichte ein: Sie soll helfen, die Schlafcouch ihrer Mutter im Wohnzimmer aufzubauen. Sie nörgelt: „Nein“. Daraufhin schlägt die Mutter ihr ins Gesicht. Wir sprechen über Anforderungen an gute Kommunikation. Ein belastendes Bild wird gelöscht. Es ist die Situation, wo die Mutter nachts in ihr Zimmer kommt und sie weckt. Dieses Bild hält die Klientin in ihrer Erinnerung fest. Es bekommt einen Rahmen in einer Farbe, die die Klientin nicht mag (braun). Dann hängt Vanessa das Bild gedanklich an eine Wand in ihrem Zimmer auf und lässt es zusammen schrumpfen. Es schrumpft so weit zusammen, bis sie an der Wand nur noch einen braunen Punkt sieht. Den Punkt lässt sie verschwinden.    

3. Sitzung
Vanessa geht es gut. Sie hat sich nicht selbst verletzt. Sie grübelt weniger. Der Ruheanker wirkt. Wenn die Klientin sich an die Bildbearbeitung erinnert, bestehen keine belastenden Gefühle mehr. Die Klientin hat einen Mietvertrag unterschrieben und zieht demnächst um. Darauf freut sie sich. Vanessa hat keine Angst mehr, allein zu leben. Sie streitet weniger mit ihrem Freund, sie diskutieren. Folgendes Bild wird gelöscht: Vanessa sitzt im Wohnzimmer bei ihrer Oma, hat ihr Handy in der Hand und weint. Ihr Freund (Ägypter) hatte gerade angerufen und mitgeteilt, dass er nicht mit in den Urlaub kommt.    

4. Sitzung Die Gefühle zu ihrem Ex-Freund (Ägypter) sind weniger negativ. Aber Vanessa hatte wieder Streit mit ihrem jetzigen Freund und sieht für die Zukunft schwarz. Ihr Freund ist nicht konfliktfähig, die emotionale Nähe fehlt. „Es wäre besser, wenn ich mich trennen würde“ sagt Vanessa. Das bearbeitete Bild mit der Schlafcouch löst keine negativen Gefühle mehr aus, wenn sie daran denkt. Ihr Selbstbewusstsein könnte besser sein, sagt sie. Verletzt hat Vanessa sich nicht mehr. Wir löschen ein belastendes Bild: die Klientin ist 10 Jahre alt. Sie hatte für ihre Mama einen Adventskalender gebastelt. Bei einem Streit zerreißt die Mutter den Adventskalender. Ein schönes Erlebnis, auf das Vanessa ein bisschen stolz ist, holen wir wieder hervor und vergrößern es: Nach dem Streit mit ihrem Freund (Ägypter) war sie allein nach Gran Canaria gereist und war sicher mit dem Mietauto an den Strand gefahren. 

5. Sitzung Es geht ihr sehr gut. Vanessa hat sich von ihrem Freund getrennt. Ihr Ex (Ägypter) hat sich wieder gemeldet. Darüber hatte sie sich gefreut, aber die Kontaktfrage lässt sie noch offen. Vanessa hatte sich nicht mehr verletzt und denkt auch nicht mehr daran. Ihre Prägung zu negativem Denken ist besser geworden, sie erlebt positive Gefühle stärker. Die Klientin nutzt die von mir vermittelte Technik der abendlichen Zusammen-fassung der positiven Erlebnisse des Tages. Das hilft ihr sehr. Die Gefühle zu den gelöschten Bildern sind neutral. Vanessa ist selbstbewusster geworden. Unabhängig davon bearbeiten wir eine Erinnerung, die ihr Selbstbewusstsein stärkt. Sie steht vor dem Spiegel und macht eine Übung mit den Hanteln. Dabei bewundert sie ihre positiv entwickelte Schultermuskulatur. Dieses gedankliche Bild hängt sie mit einem Rahmen in ihrer Lieblingsfarbe an die Wand. Sie gestaltet das Bild. Vanessa lässt es so groß werden, wie sie möchte. Sie gibt dem Bild Licht und Farbe.


6. Sitzung (Therapieende) Vanessa geht es gut. Sie hat Geschenke von Patienten bekommen und sich darüber sehr gefreut. Sie ist wesentlich selbstbewusster als zu Beginn der Therapie und „gesettled“ wie sie sagt. Sie hat ihren Ex-Freund (Ägypter) getroffen. Die Situation ist bereinigt und Vanessa ist erleichtert. Auch ihre Oma hat bemerkt, dass sie sich verändert hat. Vanessa hat sich nicht mehr verletzt und verschwendet auch keinen Gedanken daran. Jetzt freut sie sich auf den Umzug in die eigene Wohnung.     

Fazit

Der Klientin geht es nach wie vor gut. Sie hat ein starkes Selbstbewusstsein sowie Konfliktlösungsstrategien entwickelt. Von besonderer Bedeutung war für Vanessa die Entwicklung eines Bewusstseins zu guter, wertschätzender und klarer Kommunikation. Der Erfolg dieser Therapie ist auch Vanessas Offenheit und Bereitschaft, intensiv an sich zu arbeiten, zu verdanken. Im Vordergrund stand eine Stärkung des Selbstbewusstsein und die Löschung von belastenden Erinnerungen (Bildern). Letztendlich hatte die Klientin in ihrer Kindheit und Jugend (Prägephasen) viele „Ich bin nicht o.k.-Erlebnisse“ , die eine ausgewogene „Ich-Entwicklung“, insbesondere die Bildung eines starken Selbstbewusstseins überhaupt nicht zuließen. 

Psychopathologische Ergänzung

Die Borderline-Störung ist eine Unterform der „Emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung“. Die Störung weist eine Komorbidität zu anderen psychischen Störungen auf. Ursachen sind traumatische Erfahrungen in Prägephasen (Kindheit und Jugend). Ebenso gelten fehlendes oder falsches Interaktionsverhalten innerhalb der Ursprungsfamilie als auch fehlende oder falsche Kommunikation als auslösende Faktoren. Bei Vanessa kann Vererbung ein weiterer Faktor sein.

Autor: Rainer Wieckhorst, Heilpraktiker für Psychotherapie
Thema: Fallstudie: "Borderline-Störung"
Webseite: http://www.balance-concept.de

Autorenprofil Rainer Wieckhorst, Heilpraktiker für Psychotherapie:

rainer wieckhorst

Rainer Wieckhorst
Heilpraktiker für Psychotherapie mit Praxis in Reinbek
Therapiepraxis Balance-Concept
Kommunikationsexperte, Publizist

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