Sie stehen vor einer wichtigen mündlichen Prüfung und bereits lediglich bei dem Gedanken daran, bricht Ihnen regelrecht der Schweiß aus?
Ihr Herz beginnt wie wild zu klopfen? Und alle möglichen Katastrophenfantasien schwirren durch Ihren Kopf? Da sind Sie in bester Gesellschaft! Diese Form des Leistungs- und Bewertungsstresses ist so alt wie die Menschheit selbst und lässt viele Menschen vor einer Prüfung durch eine harte Zeit gehen. Daher möchte ich Ihnen hier bewährte Strategien an die Hand geben, um Ihre Ängste vor einer mündlichen Prüfung in den Griff zu bekommen oder sogar ganz zum Verschwinden zu bringen.
Die Angst, bewertet zu werden
Tatsächlich fällt es vielen Menschen nicht leicht, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Ist diese Aufmerksamkeit gepaart mit dem Druck, eine gute Leistung zu erbringen, kann uns dies schon ganz schön aus der Bahn bringen. Studierende, die kurz vor einer Prüfung befragt wurden, gaben zu 40% an, dass sie unter Prüfungsangst litten. Dies waren also knapp die Hälfte aller Studierenden. Daran sieht man, dass Angst vor mündlichen Prüfungen ein weit verbreitetes Phänomen ist. Sich in einer Prüfungssituation zu befinden, bedeutet, dass wir für andere sichtbar werden und wir und unsere Leistungen von anderen bewertet werden.
Doch so ein Lampenfieber löst nicht nur Angst und Stress aus. In einem gewissen Maße sorgt Prüfungsangst dafür, dass unsere kognitive Leistungsfähigkeit gesteigert wird. Um eine optimale körperliche und geistige Leistungerbringen zu können, benötigen wir ein gewisses Anspannungsniveau, dass durch das Lampenfieber erreicht wird. Allerdings begeben wir uns in einen Teufelskreis, wenn Gefühle, die durch eine innere Bewertung der Situation oder eigene Körpersensationen entstehen, das Anspannungsniveau steigern.
Auslöser für Prüfungsangst
Ein wichtiger Auslöser könnte sein, dass ich inhaltlich nicht auf das Prüfungsthema vorbereitet bin. Ist dies der Fall, kann ich meine Ängste durch keine Methode der Welt reduzieren. Maximal ließe sich die Angst für kurze Zeit vermindern, aber an einer guten Prüfungsvorbereitung kommen Sie dennoch nicht vorbei, wenn Sie die mündliche Prüfung bestehen möchten.
Ein weiterer Auslöser könnte die fehlende Übung sein. Schließlich kommt es (vielleicht zum Glück…) nicht so oft vor, dass wir mündliche Prüfungen bewältigen müssen. Durch die fehlende Übung können wir aber auch nicht so leicht realistisch unsere eigenen Fähigkeiten und Reaktionen in einer mündlichen Prüfung einschätzen. So machen wir uns vielleicht leicht Sorgen, was die Prüfer:innen fragen könnten, aber auch, ob uns eine passende Antwort einfällt oder befürchten, dass jeglicher Inhalt in unserem Kopf wie leergefegt wäre.
Daher kann es sehr hilfreich sein, mit jemandem Vertrauten solche Prüfungen im Vorfeld zu simulieren. Es gibt sogar Menschen, die noch nie durch eine Prüfung gefallen sind, sondern diese ganz im Gegenteil meistens mit Bravour bestanden haben und doch jedes Mal von Neuem wieder große Angst vor den mündlichen Prüfungen haben. Meistens liegt dies an schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit. Nicht selten haben diese mit beschämenden Erfahrungen in der Schulzeit zu tun.
Wenn das menschliche Gehirn eine sehr belastende Situation abgespeichert hat, reichen manchmal (unbewusste) Bruchstücke der Ausgangssituation, um starke körperliche Abwehrreaktionen hervorzurufen. Solche Trigger sind dem Bewusstsein meistens nicht zugänglich.
Manche Auslöser hängen auch mit unseren familiären Erfahrungen zusammen, wo wir viel von unserem Sozialverhalten lernen. So kann es sein, dass wir Selbstsabotage-Muster entwickelt haben, die aufgrund oft gehörter, aber unbewusster Glaubensmuster zu Leistung und Erfolg beeinflusst wurden.
Manchmal begeben wir uns in Prüfungssituationen in eine Art Problem-Trance. Wir haben dann das Gefühl, neben uns zu stehen.
Den Stress-Kreislauf durchbrechen
Es gibt verschiedene einfache Selbsthilfetechniken, um diesen Leistungs- und Bewertungsstress zu reduzieren. Die Atmung ist die einfachste Technik, um zu einer Beruhigung des Nervensystems beizutragen. Entgegen der landläufigen Meinung ist es besonders wichtig, auf die Ausatmung zu achten, denn die Einatmung kommt von ganz allein. Achten Sie daher in der mündlichen Prüfung beim Reden auf Ihre Ausatmung. Atmen Sie zunächst zu zwei Dritteln aus und sprechen Sie dann schnell los, um nicht in den üblichen Angstreflex zu verfallen.
Es gibt verschiedene Atem-Übungen, um die Angst zu reduzieren. An dieser Stelle möchte ich Ihnen eine Übung vorstellen, die dabei hilft, starken Stress und Panik zu reduzieren. Nehmen Sie einen langsamen, tiefen Atemzug durch die Nase. Halten Sie anschließend den Atem für 10 Sekunden an, während Sie alle Muskeln Ihres Körpers fest anspannen, ohne sich zu verkrampfen. Nun atmen Sie langsam durch die Nase wieder aus, während Sie alle Muskeln wieder entspannen. Diese Übung kann so oft wie möglich wiederholt werden.
Verankern stärkender Ressourcen
In herausfordernden Prüfungssituationen ist es sehr hilfreich, bestimmte empowernde Gefühlszustände zu nutzen. So kann eine innere Haltung von Neugier und Interesse uns helfen, uns auf eine mündliche Prüfung vorzubereiten. Diese Ressource stärkt uns gegen die oft unbewusste Überzeugung, bestimmt durch die Prüfung durchzufallen.
Auch mentale Ressourcen können uns dabei helfen, eine andere innere Haltung zur Prüfungssituation zu entwickeln. Zum Beispiel ein Gefühl von Zuversicht: „Ich schaffe das!“ Oder auch Selbstvertrauen und Mut.
Neben diesen Gefühlszuständen gehören auch Persönlichkeitseigenschaften sowie all die Fähigkeiten und all das Wissen, das Sie in Ihrem bisherigen Leben gesammelt haben, zu Ihren Ressourcen, so z. B. Allgemein- und Spezialwissen, Humor, Disziplin, Zielstrebigkeit.
Äußere Ressourcen können dabei ebenfalls äußerst hilfreich sein. Überlegen Sie, wer Sie in dieser herausfordernden Prüfungssituation unterstützen könnte. Wer verkörpert vielleicht auch hilfreiche Eigenschaften, die Sie für die Prüfung gebrauchen könnten? Sie können sich diese Person vorstellen und sie imaginativ mit zur Prüfung nehmen, um sich zu stärken.
Sich unsere Ressourcen bewusst zu machen, senkt unseren Stresspegel fast ganz automatisch. Für unser Gehirn macht es keinen Unterschied, ob wir uns Dinge nur vorstellen oder sie wirklich erleben. Daher können wir unsere Imaginationsfähigkeit nutzen, um unser Nervensystem zu beruhigen und unsere Ressourcen zu verankern.
So installieren Sie Ressourcen
Entscheiden Sie sich für ein Gefühl, einen inneren Zustand, das oder der Ihnen in der vor Ihnen liegenden Prüfungs-Situation helfen würde, wenn sie es oder ihn in der Situation empfinden könnten (z. B. Selbstvertrauen, Souveränität, Erfolgszuversicht).
Erinnern Sie sich dann an drei Situationen, in denen Sie ähnliche Gefühle empfunden haben. Diese müssen nichts mit Prüfungen zu tun haben. Aus diesen drei Situationen suchen Sie sich nun die passende heraus, von der Sie das Gefühl haben, dass sie am besten dazu geeignet ist, Sie zu stärken. Nun empfinden Sie diese Gefühle aus dieser Situation noch einmal nach, als würden Sie sie noch einmal erleben.
Innerlich beantworten Sie die folgenden Fragen:
- Was sehe ich in der Situation?
- Was höre ich in der Situation?
- Was fühle ich in der Situation?
- An welcher Stelle meines Körpers fühle ich es jetzt und hier?
Sorgen Sie dafür, dass sich dieses Gefühl immer mehr in Ihrem Körper ausbreitet.
Nun setzen Sie einen Anker. Dazu können Sie einen kleinen Gegenstand, den sie immer dabei haben können, in die Hand nehmen oder aber dieses Gefühl mit einer bestimmten Geste verankern. Zum Beispiel könnte es sich anbieten, die Fingerkuppen von Daumen und Zeigefinger der nicht dominanten Hand sich berühren zu lassen. Sie könnten auch ein bestimmtes Wort oder einen kurzen Satz denken, um dieses Gefühl zu verankern. Dieses könnten Sie sich bei Bedarf jederzeit ins Gedächtnis rufen.
Üben Sie nun mehrmals am Tag mit diesem Anker, damit Ihre Ressource in herausfordernden Situationen leicht abrufbar ist.
Stellen Sie sich nun die Prüfungssituation genau vor. Gehen Sie dabei in Ihr Ressourcen-Gefühl. Was verändert sich nun in der mündlichen Prüfung? Falls es erforderlich ist, nutzen Sie den gleichen Anker für verschiedene Gefühlszustände, die Sie in dieser Prüfungs-Situation benötigen, um sich gestärkt zu fühlen.
Katastrophenfantasien keine Chance geben!
Menschen mit Prüfungsangst neigen dazu, sich allerlei Katastrophenfantasien hinzugeben. Ist zum Beispiel für eine bestimmte mündliche Prüfung eine hohe Durchfallquote bekannt, sind wir gleich überzeugt davon, dass wir ja nur durchfallen können – auch wenn dies gar keine logische Verknüpfung ist.
Dies hängt damit zusammen, dass wir alles, was wir erleben, auf der Grundlage unserer bisherigen Erfahrungen interpretieren und bewerten. Daraus entstehen Gedanken und Glaubensmuster, die weder rational noch logisch mit dem Erlebten verknüpft sind. Besonders bei angst- und sorgenbehafteten Themen entsteht so schnell ein Kreislauf aus beängstigenden Gedanken und negativen Gefühlen.
Diese Bewertungen sind weder rational noch hilfreich, wenn Sie sich auf eine wichtige mündliche Prüfung vorbereiten wollen. Oft stellen sie sich unserem Gehirn als Bilder oder als kurz aufflackernde Ideen dar. Sammeln Sie diese Gedanken und überprüfen Sie sie danach, ob sie realistisch und unterstützend sind. Machen Sie sich jeden Gedanken bewusst und erforschen Sie die dahinterliegenden destruktiven Glaubensmuster. Wenn Sie die unbewussten Bewertungen erkennen, die Sie vorgenommen haben, werden sich auch die darauffolgenden Gefühle verändern.
Die Stopp-Technik nutzen
Negative Gedanken-Spiralen haben die unangenehme Eigenschaft, unangenehme Gefühle zu produzieren. Um sich aus dieser negativen Trance herauszuholen, können Sie die Stopp-Technik anwenden.
Immer, wenn so ein destruktiver Gedanken auftaucht, sagen Sie entweder laut „Stopp!“ oder Sie denken es zumindest innerlich. Sie können dieses Stopp-Signal damit unterstützen, dass Sie sich ein großes rotes Stopp-Schild bildlich vor Ihrem inneren Auge vorstellen. Wenn Sie alleine sind, können Sie auch mit den Fingern schnippen, eine Faust ballen oder mit der flachen Hand leicht auf den Tisch klopfen, um dem Stopp-Signal noch mehr Wirkung zu verleihen. Wiederholen Sie diese Schritte so lange, bis der Gedanken tatsächlich unterbrochen wird.
Atmen Sie anschließend tief in den Bauch ein und langsam wieder aus. Zählen Sie beim Einatmen 1–2–3 und beim Ausatmen 1–2–3–4–5–6. Nun fokussieren Sie auf ein schönes inneres Bild, dass Sie sich möglichst schon vorher ausgesucht haben. Das könnte zum Beispiel eine innere Vorstellung davon sein, wie Sie am Strand während eines Sonnenuntergangs entlanglaufen oder was auch immer Sie als angenehm empfinden.
All diese Techniken können Ihnen dabei helfen, ganz ohne Prüfungsangst in die nächste mündliche Prüfung zu gehen und diese mit Bravour zu bestehen.
Autor: Marion Kellner, Heilpraktikerin
Thema: Prüfungsangst mündliche Prüfung
Webseite: https://www.marion-kellner.de
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