JA und NEIN

Welche Geschichten können sich hinter diesen beiden Worten JA und NEIN verbergen?

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Viele kennen die Alltagssituationen, in denen eine Bitte ausgesprochen wird, und bevor man sich versieht, hat man wieder mit einem Ja geantwortet und das, obwohl man sich so fest vorgenommen hatte, Nein zu sagen. Ein Ärger über sich selbst entwickelt sich und manchmal ergibt man sich der Situation oder resigniert. Sprüche wie „ich bin halt so“, „ich bin immer der Dumme“ oder „es war schon immer so“ und andere werden dann geäußert. Es wird keine Möglichkeit einer Änderung gesehen und sogar oft für unmöglich gehalten.

Wo haben wir das JA zu uns selbst verloren? Wir sagen JA zu anderen und Nein zu uns. Dieser Umgang mit einem Ja zu den anderen und dem Nein zu sich selbst hat eine Geschichte.

Was bedeutet ein Ja? Was bedeutet ein Nein? Welche Bedürfnisse verstecken sich dahinter? Es lohnt sich darüber zu sinnieren, was es für einen selbst für eine Bedeutung haben könnte.

Definition Ja

Wir interpretieren ein Ja als eine Erlaubnis und Zustimmung. Auch wird es oft als eine Art Aufforderung zu Höchstleistungen empfunden in dem Sinne „Ja, du schaffst das!“ Mit einem Ja ist noch vielmehr verbunden – das Ja sowohl zu einem Gegenüber als auch das Ja zu einem selbst. Dieses grundlose Ja, ohne Wenn und Aber, ist für uns essentiell. Es geht weit über ein Willkommen sein hinaus. Als Kind benötigen wir es von unseren Eltern, allen voran von der Mutter. Als Erwachsene haben wir es uns selbst zu geben um die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben zu legen. Es gibt uns die Freiheit, unser Potential zu leben.

Definition Nein

Ein Nein setzt uns immer Grenzen und kann unseren Energiefluss stoppen. Die Grenze, nicht etwas Verbotenes oder Gefährliches zu tun oder auch Neues auszuprobieren. Bekommen wir auf eine Anfrage oder eine Bitte ein Nein, so wird dies oft persönlich genommen, wie eine Ablehnung der eigenen Person.  Es kann dazu führen, dass durch das Nein die Person sich ausgeschlossen fühlt, nicht mehr dazugehörig. Andererseits fällt es manchmal schwer, selbst ein Nein zu geben, weil bestimmte Reaktionen befürchtet werden oder sich Sorgen um den beruflichen Erfolg oder das Wohlbefinden anderer Menschen gemacht werden, zu denen man in enger Beziehung steht. Wir können ein Nein auch ganz anders interpretieren – mein Gegenüber hat eine andere Bedürfnislage als ich.

Wie können das Ja und Nein sich auf die Entwicklung des Kindes auswirken?

In unserer frühen Entwicklung, spätestens ab dem Moment, wenn wir uns eigenständig im Raum bewegen können, bekommen wir oft ein Nein zu hören. Dem kleinen Menschenkind werden fortwährend Grenzen und Einschränkungen gesetzt. Es kann nicht verstehen, warum, schon gar nicht, dass es zu dessen eigenem Schutz ist. Es wird diese Neins auf seine/ihre Art und Weise interpretieren.

kind maedchen hinter einem zaun

Je nachdem, wie das Kind diese Situationen, Grenzen erlebt und welche unbewussten Entscheidungen gefällt werden, hat es eine grundsätzliche Auswirkung bis ins Erwachsenenalter. Hierhin gehören Aussagen wie „du warst schon als Kind so“ usw.

Eine der größten Herausforderungen in einer Elternschaft besteht darin, die Liebe für sein Kind trotz eines Neins oder scharfer Worte weiter zu transportieren und dass dies von dem Kind auch wahrgenommen und gefühlt wird, damit das grundsätzliche Ja zu dem Kind davon unberührt bleibt und damit die Unverbrüchlichkeit des Miteinanders. Kinder testen ihre Grenzen aus, was sie nicht nur dürfen, sondern auch müssen. Allerdings bringt dies Eltern oft an ihre Grenzen.

Interaktionen zwischen Kind und Eltern

Kinder reagieren äußerst sensibel auf ihre Umwelt. Sie sind die reinsten Seismographen für ihre Umwelt, registrieren den Zustand ihres Umfeldes wie auch Spannungen, für nicht kommunizierte Ereignisse etc. Vollkommen unbeeindruckt davon, ob „man das macht oder nicht“, stellen sie im Verlauf ihrer Entwicklung Fragen über Fragen nach dem Warum und berühren damit auch oft Tabus oder Familiengeheimnisse. Die mehr oder weniger genervten Eltern vermeiden die Antworten, und die Kinder werden mit einem „was du immer hast“ oder mit einem irgendwie gearteten Nein abgespeist. Laut den Eltern haben sie eine falsche Wahrnehmung.

Kinder sind natürlich gerne hartnäckig und irgendwann geben sie auf und sind verwirrt, fühlen sich nicht verstanden oder zurückgesetzt. Sie spüren sehr genau, was los ist. Zum einen können sie es nicht in Worte fassen und zum anderen geht es möglicherweise um ein Tabuthema, etwas, worüber die Familie schweigt. Dies führt zu einer Verwirrung.

Als Kinder haben wir alle Entscheidungen gefällt, wie wir mit Situationen umgehen, in denen es keine klaren Antworten gibt, nicht nur über uns, sondern auch wie wir die Welt und die anderen erleben und mit welcher Strategie wir überleben. Grob vereinfacht lassen sich vier Hauptkategorien unterscheiden:

  • Ich vertraue meinen Gefühlen und Wahrnehmungen und glaube den Erwachsenen (Autoritäten) nicht.

  • Ich fühle richtig und folge trotzdem dem Wort der Erwachsenen und glaube das.

  • Ich höre auf zu fühlen und scanne unentwegt die Umwelt. Ich höre sozusagen die Flöhe husten, manchmal schon bevor die es wissen.

  • Ich bin vollkommen verwirrt. 

Die beiden mittleren Entscheidungen sind die verbreitesten. Natürlich gibt es auch Mischformen und unterschiedliche Verhaltensstrategien in unterschiedlichen Situationen.

Wenn wir dem Wort folgen

Bei der zweiten Variante wird es im späteren Leben oft so beschrieben „er/sie hat das doch gesagt“ und das Entsetzen darüber, dass das Wort nicht eingehalten wurde. Sie fühlen sich immer wieder überrascht und können es nicht verstehen. Es besteht ein innerer Konflikt, denn auf einer tieferen Ebene wird wahrgenommen, dass es nicht sein kann, und doch wird dem Wort gefolgt. Sie können sich nicht vorstellen, dass andere ganz anders funktionieren, eine andere Wirklichkeit leben. Die Idee, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, gilt es dann noch zu entdecken.

Von der Außenwelt wird es oft als Naivität oder Dummheit der Betroffenen umschrieben, sie sind halt zu vertrauensselig. Dies ist zu kurz gegriffen, um den inneren permanenten Konflikt zu umschreiben, in dem sich die Betroffenen befinden. Sie versuchen, sich mit dieser gewählten Strategie in einer Welt zurechtzufinden, in der das Wort nicht immer gilt. In ihrer Wirklichkeit gilt das Wort, es hat einen hohen Stellenwert und sie haben eine hohe Verlässlichkeit in Bezug auf ein gegebenes Wort, was durchaus von der Umwelt geschätzt wird. Diese Strategie hat wie jede andere auch, sowohl positive Aspekte als auch negative.

Es geht auch hier um das Hinzufügen von neuen Sichtweisen und Möglichkeiten und um einen Perspektivenwechsel.

Wenn wir die Umwelt permanent scannen

Die dritte Möglichkeit, ständig die Umwelt zu scannen, ist ebenfalls oft anzutreffen. Manche können sich sehr genau an die Situation erinnern, in der sie sich entschieden haben, nicht mehr zu fühlen. Fortwährend wird die Umgebung gescannt, ob von irgendwoher Stress oder Konflikte aufkommen könnten.

mann lupe schwarz weiss

Sie erhoffen sich durch diese Art der Kontrolle ihr Bedürfnis nach Sicherheit zu erfüllen oder auch um sich vorab wappnen zu können, um eine nicht vermeidbare Stresssituation besser händeln zu können. Allerdings führt diese Strategie zu einer anhaltenden inneren Anspannung. Sie leben in einer dauerhaften Habachtstellung und sind oft auf dem Sprung. Selbstverständlich hat auch diese Möglichkeit Vorteile wie zum Beispiel, dass sie Systeme hervorragend analysieren können.

Die ewigen Erfüller von Erwartungen – Jasager

Jeder Mensch reagiert auf Anfragen und Bitten anders. Manche sagen immer ja und fühlen sich dadurch, obwohl sie gerne helfen und unterstützen, schnell überfordert und nicht frei in ihren Entscheidungen.  Im Rahmen ihrer Überlebensstrategie wird zu allem Ja gesagt und damit Nein zu sich selbst. Sie machen sich dadurch unentbehrlich und sichern sich einen Platz und die Zugehörigkeit zum System. Ein sicherer Platz ist halt nicht verhandelbar.

Eine mögliche Überlebensstrategie, die das auslöst, könnte sein, dass entschieden wurde „Ich muss dazu gehören und das gelingt mir nur, indem ich mich unentbehrlich mache“. Nach außen hin können diese Menschen als „Macher“ erscheinen. Sie übernehmen Verantwortung für das System, sei es privat oder beruflich, und entscheiden hervorragend für das System und nicht für das eigene Herz. Sie können dadurch allerdings im Laufe der Zeit in einen zunehmenden Mangel geraten, fühlen sich nicht gesehen und wertgeschätzt. Auch erschöpfen sie sich sehr, da sie dazu neigen, über ihre Grenzen zu gehen. Unzufriedenheit kann entstehen, und das Ganze kann möglicherweise in einem Burnout enden.

Aussagen wie „keiner hört mich“, „keiner sieht mich und was ich leiste“ werden oft geäußert. Sie tun alles um einen sicheren Platz im System zu haben. Die einfache Lösung sich selbst das Ja zu geben und nicht auf das Ja von Anderen zu warten, hört sich einfach an und ist eine enorme Herausforderung für Betroffene mit dieser Überlebensstrategie.

Eine häufige Empfehlung ist das Neinsagen zu lernen. Dies ist leichter gesagt als getan.

Welche Konsequenzen hat es für uns?

Aus meiner Sicht ist es unerlässlich, das Ja zu sich selbst in den Vordergrund zu stellen, denn dann kann das Nein an richtiger Stelle von selbst kommen. Durch den Fokus auf das Nein-Sagen werden Stopps gesetzt und eine zunehmende Einengung findet statt. Durch das Ja zu uns selbst eröffnen wir uns einen größeren Raum, die Tür zu mehr Möglichkeiten wird geöffnet.

Ist das Ja zu sich selbst vorhanden, kommt das Nein an richtiger Stelle von selbst. Diese Bejahung von sich selbst, von Situationen und Ereignissen ist eine 100%iges Anerkennen und Akzeptieren von dem, was in dem Moment ist. Die Bejahung ist die unerlässliche Voraussetzung, um Gegebenheiten wirklich loslassen zu können. Es gibt Dinge, die wir nicht ändern können. Sie sind so, wie sie sind.

Es geht nicht um das generelle Nein-Sagen und das Verwehren jeder Anfrage oder Bitte, sondern darum in jeder Situation neu zu entscheiden: Mal kann es ein Ja sein, mal ein Nein. Wichtig ist es, sich selbst die Freiheit zu geben, in jedem Moment neu zu entscheiden und nicht stereotyp zu reagieren.

Autor: Dr. rer. nat. Marlies Koel
Thema: JA und NEIN
Webseite: https://www.awareness-adventure.com
Naturheilpraxis: https://www.marlies-koel.de

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