Was tun wenn der Kopf nicht aufhört zu denken?

Die Gedanken im Kopf - sie kommen ungelegen, lassen sich kaum vertreiben und haben zudem oft noch eine Menge Begleiter im Schlepptau – ungebetene Gäste, die sich hinter unserer Stirn einschleichen.

gedankensturm-kopf

Buddha nannte das Phänomen „Affengeist“, womit er es bereits vor ungefähr 2.500 Jahren prägnant charakterisierte. Bis heute macht jeder von uns seine Erfahrungen mit der zuweilen wild und unermüdlich tobenden Meute ziellos quirlender Gedanken, die wir in den allermeisten Fällen möglichst rasch wieder loswerden wollen.

Auf die Frage, was dahinter steckt, finden sich jede Menge Antworten. Vollkommen erklären können sie das Thema jedoch nicht, dazu ist es zu komplex. Entwirren wir das Knäuel der Komplexität ein Stück weit, können wir uns einige der darin wirkenden Aspekte anschauen und in unserem Sinne anwenden.

Zunächst wollen wir die physische Wirkung der Sprünge und Eskapaden in unserem Kopf näher ergründen. Das Wissen um den unmittelbaren Zusammenhang von Gedanken und damit verbundenen Emotionen mit den Vorgängen in unserem Körper weist uns hier den Weg. Deshalb machen wir ein kleines Gedankenexperiment, um ihm zu folgen und denken uns für eine Weile in einen verschneiten Winterwald. Wir stellen uns die über und über von glitzerndem Schnee bedeckten Bäume vor, durch die hindurch wir den blauen Himmel sehen können, an dem ein paar Wolkenfetzen vom eisigen Wind getrieben werden. Das Stürmen des Windes faucht in den Ästen und weht uns immer mehr Flocken und Eiskristalle ins Gesicht. Die nackten Hände suchen in den Jackentaschen nach Wärme und durch den nicht ganz geschlossenen Kragen hat der frostige Wind nun noch ein Bröckchen Schnee in den Halsausschnitt befördert, das gerade auf der Haut zu schmelzen beginnt. Wie geht es den Füßen in den durchweichten Sneakers?

Ein wenig Kälte, vielleicht eine Gänsehaut, wenn nicht sogar Frösteln, haben wir durch die Gedanken und deren Abbilder in unserem Körper erzeugt. Ebenso wie diese bewusst gelenkten bewirken auch all die anderen, meist kaum wahrgenommen Gedanken, unvermeidlich Reaktionen im Körper. Nur wenn sich das der aktuellen Situation angemessen und sinnvoll auswirkt, nutzt es uns. Anderenfalls verursacht es bestenfalls keinen Schaden. Das liegt daran, dass sich der Körper mit Hilfe seiner Sinneswahrnehmungen an die jeweiligen äußeren Umstände anzupassen sucht. Je besser diese Anpassung gelingt, umso effektiver interagiert er mit seiner Umwelt und umso erfolgreicher ist sein Handeln.

Da uns unser Affengeist in aller Regel weg von der aktuellen Situation und an einen Ort bringt, wo er uns mit ganz anderen Eindrücken versorgt, passt sich unser Körper unter diesem Einfluss also zum großen Teil an etwas an, das gerade gar nicht geschieht. Im Hintergrund übernimmt eine Art Autopilot das Steuer und lässt im Rahmen unserer Gewohnheiten erlernte Verhaltensmuster ablaufen. Das bemerken wir, wenn überhaupt, nur marginal. So kennt wohl jeder von uns den Moment, in dem er sich fragt, warum er gerade wieder genau das getan hat, was er sich ganz entschieden abgewöhnen wollte. Sei es das schon wieder ausgesprochene „Ja“, statt des gemeinten „Nein“, sei es die verzehrte Schokoladentafel, von der man doch nur ein einziges Stückchen probieren wollte, oder der verlegte Kellerschlüssel, der ans Schlüsselbrett gehört hätte. All diese nicht ganz optimalen Handlungen lenkte der Autopilot, dem wir das Ruder überlassen hatten, weil uns der Affengeist derweil anderweitig beschäftigte. Es leuchtet ein, dass wir an dieser Stelle gehörig davon profitieren würden, wenn es gelänge, die wilde Bande aus unserem Kopf zu verjagen.

Doch so weit geht man meist der Sache gar nicht auf den Grund, denn die unaufhörliche Flut der Gedanken verhindert den klaren Kopf, wenn man ihn für wichtige Entscheidungen braucht, sie macht nervös, lässt einen nicht einschlafen, raubt die Ruhe. Was läge also näher, als sich dagegen zu wehren?

Genau da liegt der Hase, oder treffender, der Affe, im Pfeffer. Ich könnte es mir sparen, diesen Artikel zu schreiben, wenn der Kampf gegen die Gedankenflut leicht zu gewinnen wäre und bin sogar der Meinung, dass ein Sieg hier unmöglich ist. Wenn wir nämlich gegen etwas kämpfen, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf unseren Gegner aus. In diesem Fall, in dem es der Gegner aber gerade auf unsere Aufmerksamkeit abgesehen hat, verstärken wir seinen Einfluss mit unserer Gegenwehr immer mehr, statt ihn in die Flucht zu schlagen.

Da die meisten Menschen automatisch mit Widerstand reagieren, wenn sie sich etwas Unerwünschtem gegenüber sehen, wenden sie dieses Verhalten unwillkürlich auch auf unerwünschte Gedanken an, was, wie wir nun wissen, in aller Regel scheitert. Nun wird der Widerstand verstärkt und das Problem dadurch weiter verschärft, bis man sich schließlich an die Gegenwart der wilden Affen ebenso gewöhnt hat, wie an die eigene Ohnmacht, sie zu vertreiben. Kein Wunder, dass Ablenkung für viele das einzige Mittel zu sein scheint, sich wenigstens zeitweise Erlösung zu verschaffen. Leider oft nur bis zur nächsten schlaflosen Nacht.

Dabei ist Ablenkung, bewusst eingesetzt, ein durchaus zielführender Weg. Kehren wir zurück zu unserem winterlichen Gedankenspaziergang, erkennen wir, wie absichtlich erzeugte Bilder und Vorstellungen unsere Aufmerksamkeit derart ausfüllen können, dass wilde Affen keinen Platz mehr darin finden. Eine bedacht ausgewählte angenehme Vorstellung, wie beispielsweise ein sommerwarmer Sonnenuntergang am Meer oder ein blütenduftender Spaziergang, der wir gezielt unsere gesamte Aufmerksamkeit zuwenden, schafft rasch Ruhe. Das Wohlgefühl, das damit verbunden ist, können wir als erwünschte Nebenwirkung gut verkraften. Zugegeben, alltagstauglich ist diese Methode nicht, aber zum Einschlafen oder Ausruhen in einer Verschnaufpause absolut empfehlenswert. Zudem unterbricht sie den aussichtslosen Kampf mit den Störenfrieden und verschafft die eindrucksvolle Erfahrung, ihnen eben nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein. Und das ohne Arzt oder Apotheker, kalorienfrei und kostenlos!

Das Prinzip, das hier wirkt, können wir jedoch auch in all jenen Situationen anwenden, in denen uns Zeit und Gelegenheit fehlen, die Ablenkung in unseren angenehmen Vorstellungen zu suchen. Wir haben gerade festgestellt, dass wir in unserer bewusst gelenkten und dominierten Aufmerksamkeit den unerwünschten Gedankentiraden buchstäblich den Raum entziehen, in dem sie sich ungehindert auszubreiten suchen. Wir brauchen nicht zu kämpfen, sondern nehmen stattdessen schlicht unseren eigenen Geist wieder vollständig in Besitz. Das befördert ihn unweigerlich zurück ins Hier und Jetzt und folglich auch in Konsens mit dem Körper. Die Auswirkungen sind allseits positiv.

Die Theorie ist simpel, nicht wahr? Aber wie gelingt es in der Praxis?

Nur allzu oft registrieren die meisten von uns das Chaos im Kopf erst dann, wenn es sich bereits deutlich bemerkbar macht. In der Regel hat währenddessen der Autopilot alles auf seine Art im Griff und man überlässt ihm einfach eine Weile das Ruder und schwimmt im Strudel der Gedanken, bis man zufällig mehr oder weniger sanft an dessen Oberfläche gespült wird. Deshalb empfehle ich, nicht erst auf diesen Moment der Erkenntnis zu warten. Wenn wir routinemäßig immer wieder bewusst über unsere Aufmerksamkeit verfügen, gewöhnen wir uns zusehends an diesen Zustand und verweisen jedes Mal unsere unerwünschten Gäste kurzerhand nach draußen, wenn wir in ihm ankommen.

Für den Anfang kann es hilfreich sein, im Alltag regelmäßig nachzusehen, worauf die eigene Wahrnehmung in diesem Moment gerade zielt. Oft wird man feststellen, dass dieses Ziel nicht in der aktuellen Situation zu finden ist, sondern sich die Aufmerksamkeit in Gedankenbilder, aber auch Melodien oder die Vorstellung von Bewegungen verirrt hat, die nichts mit der Gegenwart zu tun haben. In dem Fall lenkt man sie, etwa so, wie man mit einer Kamera sein Motiv fixiert oder ein Scheinwerfer auf der Bühne dem Solisten folgt, auf ein Objekt des augenblicklichen Geschehens. Zunächst ist es praktisch, dafür etwas auszuwählen, das sich bewegt oder verändert, denn die Aufmerksamkeit hält sich daran leichter und länger fest. Dadurch wird man immer vertrauter mit diesem lebendigen und achtsamen Zustand und kann ihn schließlich jederzeit mühelos erzeugen.

Zu guter Letzt möchte ich dem bewussten Geist noch etwas zu bedenken geben – die aus meiner Sicht gegensätzlichen Arten von Gedanken. Wenn wir uns etwas zu einem bestimmten Thema überlegen, lenken wir bewusst den Gedankenfluss in Richtung einer Lösung, Verbesserung oder kreativen Wachstums. Jederzeit können wir uns daraus lösen und uns mühelos anderen Dingen zuwenden. Das Nachdenken dagegen beansprucht uns damit, meist in gedanklicher Dauerschleife, Themen die wir gerade nicht beeinflussen oder lösen können, von allen Seiten zu beleuchten und zu bewerten. Im Nachhinein finden wir zumeist Argumente, um dieses sinnlose Unterfangen, aus dem wir uns nicht befreien konnten, zu rechtfertigen.

Wir haben die Wahl, in genau diesem Moment.

Autor: Sabine Schmidt-Weidner
Thema: Was tun wenn der Kopf nicht aufhört zu denken?
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