Buddha sagte angeblich zu seinen Lebzeiten zu seinen Schülern „die Welt ist ein Leidensplanet“. Trifft das wirklich zu heutzutage, wie war es gemeint, woran leiden wir eigentlich tatsächlich? Diesen Fragen gehe ich in dem Artikel nach und ich stelle ein paar ungewöhnliche Perspektiven zur Verfügung die Leid in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Eines jedoch gleich vorweg - wir leiden freiwillig.
Gewöhnlich meinen wir an schlimmen Ereignisse die uns oder unsere Liebsten betreffen zu leiden, oder an Situationen in der Welt, die wir nicht ändern können, aber wir meinen auch an uns selber zu leiden, daran, dass wir nicht so sind wie wir sein möchten.
Nun, dies sind alles Möglichkeiten die Leid auslösen können, aber ob wir tatsächlich daran leiden oder nicht, ist von keinem äußeren Faktor abhängig denn
Leiden besteht im Festhalten an dem Wunsch, etwas sollte anders sein als es gerade ist.
Leiden entsteht wenn wir nicht einverstanden sind und daran festhalten, es müsste jedoch anders sein, so, wie wir es für richtig halten.
Indem wir festhalten und uns dadurch gegen die Wirklichkeit stellen entsteht eine bestimmte Energie. Diese Energie erleben und spüren wir, sie ist das, was wir als Leid bezeichnen.
Bevor wir uns dem Leid näher widmen schauen wir uns jedoch erst an, wie wir gewöhnlich auf Situationen reagieren die uns nicht gefallen. Ich unterteile unsere Reaktionen in vier Modis:
Modus der Anpassung
Wenn wir eine Situation erleben mit der wir nicht einverstanden sind, reagieren wir mit dem Wunsch es möge anders sein.
Manches, das wir nicht wollen, lässt sich auch leicht ändern. Wir sagen einfach was uns nicht passt, das Umfeld akzeptiert es und ändert sich dementsprechend. Das ist der Idealfall, wir teilen unseren Wunsch mit und ihm wird stattgegeben, die Situation hat sich unserem Wunsch angepasst. Hier entsteht kein Leid, die Energie kann frei fließen.
Oder wir sind mit dem Wetter nicht einverstanden, es ändert sich innerhalb kurzer Zeit und wir freuen uns. Auch hier haben wir keinen Grund zu leiden denn die Situation hat sich unserem Wunsch angepasst, wir fühlen uns frei, Energie fließt ungehindert.
Gemäßigter Modus
Bei leichter Unzufriedenheit entsteht nur ein zarter Wunsch nach Veränderung der Situation. Wir versuchen die Situation eventuell zu verändern oder zu beeinflussen und wenn sie dennoch bleibt, dann leiden wir dementsprechend mäßig. Wir könnten leicht verärgert sein, etwas mürrisch, schlecht drauf,…
in diesem Fall erlebe wir die Energie als unangenehm, sie kann nicht mehr ungehindert fließen, etwas stört uns und wir sind unzufrieden.
Modus intensiv extrovertiert/introvertiert
Sind wir mit etwas massiv nicht einverstanden, reagieren wir heftig entweder mit Ablehnung, Widerstand, Wut, Hass, oder Trauer, Angst, Groll, Ohnmacht und ähnlichem. Wir wollen, dass es anders ist und verfallen einer starke emotionellen Reaktion.
Nun können wir entweder in den Kampfmodus gehen oder den Fluchtmodus wählen, je nach unserer Veranlagung. Wählen wir Kampf, werden wir angreifen, aufdrehen, uns stark dafür einsetzen die Situation so zu ändern, dass wir damit einverstanden sind – wir verhalten uns intensiv extrovertiert. Manches lässt sich auf diese Art und Weise ändern, dann kann Die Energie wieder frei fließen und wir sind zurück im Modus Anpassung.
Reagieren wir mit Flucht, ziehen wir uns zurück. Meist erleben wir uns dann als Opfer und leiden still, reagieren also intensiv introvertiert. Auch hier kann sich manches ändern. Entweder weil wir uns zurückgezogen haben, oder aus anderen äußeren Umständen. In beiden Fällen wird wieder der Modus Anpassung wirksam und wir fühlen uns erlöst.
Soweit kennen wir die Abläufe gewöhnlich. Daran ist nichts Neues und noch ist nicht ersichtlich wie Leid entsteht, es zeigt nur wie wir reagieren, wenn uns etwas nicht gefällt. Unser Reagieren müsste nicht zwingend zu Leid führen, das tut es aber in der Regel, weil uns die Bewusstheit fehlt wie aus den Reaktionen Leid entsteht.
Nun kann es aber in allen Fällen geschehen, dass sich die Situation nicht unserer Vorstellung entsprechend ändert.
Erinnern wir uns: Leid entsteht durch Festhalten an dem Wunsch, etwas sollte anders sein als es gerade ist.
Der entscheidende Teil dieses Satzes lautet Festhalten an dem Wunsch.
Lässt sich die Wirklichkeit nicht unserer Vorstellung entsprechend beeinflussen haben wir genau zwei Möglichkeiten uns zu verhalten:
A Wir lassen unsere Vorstellung los und Energie kann ungehindert fließen oder B wir halten an unserer Vorstellung fest und die Energie beginnt zu stocken. Energie will jedoch fließen, es ist ihre Natur zu strömen. Wird sie dabei behindert entstehen Blockaden die sich energetisch, emotionell, körperlich und geistig ausdrücken. Das erleben wir als sehr unangenehm und negativ, darunter leiden wir.
Wie sich Leid individuell ausdrückt kann sehr unterschiedlich sein. Manche werden störrisch, mürrisch, unpässlich, zickig, andere tendieren zu Depression, Rückzug, Opferhaltung. Der Körper kann mit Schmerzen aller Art reagieren, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, energetisch kann es sich darin zeigen, dass einfach nichts gelingt, vieles schief läuft, wir dazu neigen aufzugeben oder die Welt nicht verstehen.
Auch können wir unterschiedlich mit Leid umgehen, zum Beispiel indem wir das unerwünschte Gefühl des Leidens mittels Essen Trinken, Drogen oder Ablenkung kompensieren.
Oder wir steigern uns in eine einzige Tätigkeit hinein um Leid nicht zu spüren, werden Weltmeister, legen eine Spitzenkariere hin oder spezialisieren uns in Sanskrit.
Was allem Leid zugrunde liegt, ist die Nichtbereitschaft die momentane Wirklichkeit anzuerkennen.
Bei dieser Aussage greifen viele in die Argumentenkiste und behaupten ihre Position mit „ja aber“. „Ja, aber wir können doch nicht mit allem einverstanden sein, alles hinnehmen, das würde ja jedes Verbrechen rechtfertigen!“
Remember: Es geht um die Wurzel des Leides! Wenn jemand anderem Leid zufügt wird, werden wir versuchen das zu verhindern oder auch nicht und es wird gelingen oder auch nicht. Das ist menschlich, sozial und natürlich.
Leid entsteht nicht weil wir nicht einverstanden sind mit dem was geschieht und sogar etwas dagegen unternehmen, sondern Leid entsteht, wenn es trotz Versuch nicht zu ändern ist und wir jedoch gedanklich daran festhalten, dass es anders sein müsste.
Leid ist Festhalten an unserer Vorstellung trotz Unveränderbarkeit der Situation.
Wir sind nicht bereit loszulassen von unseren Werten darüber, wie die Welt sein sollte, was Gerechtigkeit ist, was ein anderer Mensch tun oder nicht tun sollte, wie wir sein oder nicht sein sollten.
Dabei gehen wir von unseren persönlichen Werten aus, die in unserer individuellen Vergangenheit entstanden sind. Diese Werte sind unsere persönliche Sichtweise. Darüber hinaus gibt es auch die Werte der Gesellschaft in der wir leben und die Zeit in der wir leben.
Werte sind nicht fixiert, sie können von Land zu Land variieren, ja sogar von Region zu Region und sie wandeln sich im Lauf der Zeit, innerhalb unseres Lebens aber auch über die Jahrhunderte. Aber das führt hier zu weit in das Thema Karma hinein wofür ich gerne auf einen gesonderten Artikel von mir hinweisen möchte der im Januar 21017 in der Zeitschrift „Sein“ erschienen ist:
https://www.yogarei.org/die-angebote/karma-und-reinkarnation/
Hart aber hilfreich
Es gibt kein Leid, es gibt nur ein persönliches leiden, weil es von dem individuellen Menschen abhängig ist, was er aus einer auslösenden Situation macht. Ob er eine innere Haltung einnimmt die ihn leiden lässt oder eine Einstellung wählt, die ihm Gelassenheit oder sogar Dankbarkeit spüren lässt ist allein seine Option. Neutrales Leid, Leid das unabhängig von einem Erlebenden wäre existiert nicht. Leid ist nichts bestimmtes, definierbares, leiden als gefühlter Vorgang wird individuell hervorgebracht.
Dasselbe gilt übrigens auch für Glück, Freude, Angst, … auch sie entstehen erst in Verbindung mit einem Menschen der aufgrund einer Situation ein Gefühl „seiner Wahl“ kreiert.
Es ist immer unsere Entscheidung wie wir uns fühlen.
Egal ob ein Mensch stirbt oder ein Haus niederbrennt, ein Mensch leidet darunter ein anderer ist froh darüber. Daran wird deutlich, dass es niemals die Situation ist, sondern immer die persönliche Reaktion darauf, die leidvolle oder freudvolle Gefühle erzeugt. Es gibt kein Beispiel wo das nicht so wäre, selbst der Tod der eigenen Kinder, brutale Verbrechen oder der Untergang der Menschheit unterliegen der persönlichen Interpretation und können zu unterschiedlichen Empfindungen führen, nichts ist an sich gut oder böse, richtig oder falsch. Auch wenn wir das nicht gerne hören ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, denn ansonsten sehen wir uns immer als Opfer und sind deshalb dazu verdammt zu leiden. So manifestieren wir Buddhas selsbsterfüllende Prophezeiung und machen die Erde zu einem Leidensplaneten.
Wenn wir jedoch ins Einverständnis mit dem Augenblick kommen, ohne ihm unserer Werte überzustülpen, ernten wir Gefühle wie Frieden, Glück, Dankbarkeit und wandeln Leid in Liebe um und aus diesem Gefühl heraus können wir effektiv und gelassen jeder Situation gegenüber treten. Mit Verständnis über die Prinzipien der Entstehung von Leid und der Bereitschaft uns im Loslassen unserer persönlichen Vorstellungen zu üben, können wir zu Einverständnis und tiefen Frieden gelangen. Mit dieser Energie tragen wir zum Erblühen der Erde bei und vielleicht heißt es dann eines Tages „die Welt ist ein Liebesplanet“.
Autor: Eknath Ananda Harald Hummer
Thema: Wurzel des Leidens
Webseite: https://www.yogarei.org
#Depressionen, #Krisen, #Probleme, #Trauer, #Trauma, #Unzufriedenheit