Viele Menschen beklagen ihr Leben lang ihre „Schwächen“ und versuchen diese zu beseitigen. Das gelingt ihnen meistens nicht. Viel sinnvoller ist es, unsere persönlichen Stärken zunächst einmal zu erkennen, um sie dann in unserem Berufs- und Privatleben anwenden zu können.
Woran liegt es, dass wir uns viel intensiver auf unsere eigenen Schwächen konzentrieren, als unsere persönlichen Stärken zu erkennen und diese auszubauen?
Es beginnt zunächst mit uns selbst. Vieles, was wir gut machen, erachten wir als selbstverständlich. So erfüllt es zum Beispiel manch guten Texter nicht mit Stolz, dass seine persönliche Stärke darin liegt, gute Texte schreiben zu können. Das ist schließlich sein Job. Und viele exzellente Zuhörer sind keineswegs stolz darauf, dass sie gut zuhören können. Entweder, weil ihnen diese Fähigkeit nicht bewusst ist oder weil sie dieses Können als selbstverständlich erachten.
Anders verhält es sich mit den Denk- und Verhaltensmustern, an denen wir uns regelmäßig stoßen. Sei es, weil wir ein anderes Wunschbild von uns haben oder weil sie uns im Alltag tatsächlich häufig Probleme bereiten. Mit diesen unerwünschten Denk- und Verhaltensmustern beschäftigen sich viele Menschen tagaus, tagein. Diese „Schwächen“ versuchen sie abzubauen, statt ihre persönlichen Stärken zu erkennen und diese auszubauen.
Das ist jedoch fatal, denn: Wer in seine Schwächen investiert, bleibt im Durchschnitt stecken. Er verinnerlicht das Mangeldenken für sein Leben und wird weder besonders erfolgreich noch mit sich zufrieden sein. Das zeigte auch eine umfangreiche Studie von Joe Folkman, bei der 24.657 Führungskräfte involviert waren. Es spielte keine Rolle, wie viel Zeit und Energie die Führungskräfte investierten, um an ihren Schwächen zu arbeiten. Das Ergebnis war immer nur Mittelmaß. Nie führte das Korrigieren von Schwächen zu sehr guten, geschweige denn zu herausragenden Leistungen. Folkmans Forschungen zeigten zudem, dass diejenigen, die ihre persönlichen Stärken erkennen und an diesen arbeiteten, etwa doppelt so effektiv waren wie diejenigen, die an ihren Schwächen arbeiteten.
Und was noch schlimmer ist: Setzen wir unsere Energie für das Verbessern unserer Schwächen ein, dann haben unsere verborgenen Talente und persönlichen Stärken nie die Chance, zu wachsen.
Unser größter Feind sind unsere negativen Gedanken
Eine wichtige Voraussetzung für das Erkennen persönlicher Stärken ist das Anerkennen! Bei der Unfähigkeit, persönliche Stärken anzuerkennen, verhält es sich ähnlich wie bei einer Reihe Dominosteine, wo der erste umfallende Stein eine Kettenreaktion auslöst und alle weiteren Steine mit sich reißt. Ein negativer Gedanke, dass wir eine bestimmte Sache nicht können, hat enorme Auswirkungen auf unser Verhalten und damit letztlich auf die Ergebnisse, die aus diesem Verhalten resultieren.
Das Tragische daran: Wenn die sich selbst erfüllende Prophezeiung erst einmal in Gang gebracht wurde, ist sie kaum noch zu stoppen. Ein einziger negativer Gedanke führt zu unsicherem Verhalten, das wiederum zu schwachen Ergebnissen führt. Die schwachen Ergebnisse erhärten wiederum unsere negativen Gedanken. Je mehr schlechte Erfahrungen wir machen, umso stärker der negative Gedanke. Mit jedem Mal wächst unsere Gewissheit: „Ich kann es einfach nicht.“
Den Fokus auf Ihre persönlichen Stärken richten
Wer seine Stärken erkennt, ist wesentlich motivierter und erzielt bessere Ergebnisse im Job. Doch wie kann man seine persönlichen Stärken erkennen? Die folgende Übung zeigt Ihnen, wo Ihre Stärken liegen.
Übung
10 Fragen, mit denen Sie Ihre persönlichen Stärken erkennen
1. Was geht Ihnen leicht von der Hand?
Welche Aufgaben/Aktivitäten erledigen Sie sozusagen spielerisch, ohne groß darüber nachzudenken?
2. Was motiviert Sie und gibt Ihnen Energie?
Welche Aufgaben ziehen Sie fast „magisch“ an? Was machen Sie mit Freude? Was würden Sie gerne häufiger tun?
3. Wo erzielen Sie gute Ergebnisse?
Bei welchen Tätigkeiten erzielen Sie überraschend gute Resultate – manchmal scheinbar ohne Anstrengung?
4. Wann fühlen Sie sich „echt“?
Bei welchen Aktivitäten haben Sie das Gefühl, authentisch und ganz Sie selbst zu sein?
5. Was lernen Sie schnell?
Welche Sachverhalte/Themen verstehen Sie sehr schnell, und was lernten Sie schon immer ohne große Anstrengung?
6. Worauf konzentrieren Sie sich besonders?
Welche Themen/Entwicklungen verfolgen Sie aufmerksam? Was finden Sie spannend?
7. Was konnten Sie schon als Kind sehr gut?
Was haben Sie schon in Ihrer Kindheit gern oder oft getan? An welche Erlebnisse von früher erinnern Sie sich besonders gern?
8. Wann ist Begeisterung in Ihrer Stimme?
Wofür können Sie sich begeistern? Wann ist Ihre Stimme voller Energie und Leidenschaft?
9. Wann verwenden Sie solche Worte wie „super“ und „toll“?
In welchen Situationen, bei welchen Ereignissen verwenden Sie Formulierungen wie „Am liebsten …“ oder „Es wäre toll, wenn …“.
10. Welche Aufgaben erledigen Sie sofort?
Welche Aufgaben tragen Sie oft nicht in Ihren Terminkalender ein, weil Sie diese sofort erledigen? Bei welchen Tätigkeiten vergessen Sie häufig die Zeit?
Auch Schwächen sind oft persönliche Stärken
Bei einem genauen Betrachten der so genannten Schwächen zeigt sich oft: die vermeintlichen Schwächen sind meistens übertrieben ausgeprägte Stärken. So arbeitet zum Beispiel eine Person, die zur Pedanterie neigt, stets sehr ordentlich und gewissenhaft. Das heißt: Sie arbeitet strukturiert und prüft regelmäßig, ob sie keine Fehler gemacht hat. Diese Eigenschaften benötigen sicher nicht nur Controller und Programmierer. Zur Schwäche wird so ein Verhalten erst, wenn der betreffende Mitarbeiter Aufgaben wahrnimmt, bei der dieses Verhalten den Erfolg eher verhindert als fördert, oder wenn er zum Beispiel jeden Arbeitsschritt aus Angst, einen Fehler zu machen, so oft kontrolliert, dass die Arbeit liegen bleibt.
Die persönlichen Stärken erkennen eröffnet neue Perspektiven
Diese Zusammenhänge sind vielen Menschen nicht bewusst. Wenn sie im Arbeitsalltag häufig mit denselben Schwierigkeiten kämpfen, verdichtet sich bei ihnen schnell das Gefühl: Ich habe hier eine Schwäche. Dieses Gefühl wird mit der Zeit zuweilen so stark, dass sie ihre persönlichen Stärken aus dem Blick verlieren. Entsprechend unsicher werden sie.
Dann ist meist ein neutraler Gesprächspartner hilfreich, der ihnen wieder die Augen öffnet für die Stärken, die sich hinter ihren „Schwächen“ verbergen. Häufig genügen dann schon kleine Verhaltenskorrekturen, um wieder in die Erfolgsspur zu gelangen.
Und die „echten“ Schwächen?
Wie verhält es sich aber mit Fähigkeiten, wo wir das Gefühl haben, dass uns in keiner Situation die Dinge leicht von der Hand gehen? Was können wir tun, wenn es sich um „echte“ Schwächen handelt, wo kleine Verhaltenskorrekturen nicht ausreichen? Wie gehen wir damit um? Dürfen wir diese Schwächen ignorieren? Nein! Wir dürfen sie nicht ignorieren, wenn wir merken, dass eine Schwäche unsere Leistung oder Weiterentwicklung beeinträchtigt – oder die Leistung und Weiterentwicklung von Mitarbeitern oder Kollegen. Ja! Wir dürfen unsere Schwächen dann ignorieren, wenn sie keine wesentlichen negativen Auswirkungen haben. Dann ist es sinnvoller, sich auf seine Stärken zu konzentrieren, sie weiter auszubauen und Aufgaben zu übernehmen, bei denen wir diese gezielt einsetzen können.
Autor: Frank Rebmann
Thema: Persönliche Stärken erkennen
Webseite: http://www.staerkentrainer.de
Autorenprofil Frank Rebmann:
Frank Rebmann, Stuttgart, arbeitet als (Führungskräfte-)Trainer, Berater und Coach für Unternehmen. Er ist Experte für das Themenfeld „Ermitteln und Entwickeln der Stärken von Führungskräften und ihren Mitarbeitern“. Der zertifizierte Master Trainer und systemische Coach verfügt über 16 Jahre Erfahrung als Führungskraft und 20 Jahre Erfahrung als Verkäufer in Industrie- und Handelsunternehmen. Er hat über 8.000 Führungskräfte und Mitarbeiter trainiert, 1.000 Lehrkräfte geschult und 250 Trainer und Coaches ausgebildet.
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