Dummerweise verliert man auch Dinge, die man als Hänschen gelernt hat, auch als Hans nicht.
Meine Schwester sagte einmal zu mir, als ich nicht einschlafen konnte, manchmal habe man einfach nur Durst und könne deshalb nicht schlafen. Ich trinke bis heute einen Schluck vor dem Einschlafen.
Sicher fallen uns viele Dinge aus der Kindheit ein, die uns bis heute begleiten. Doch sind alle davon gut? Mein Vater empfand es als Beleidigung, wenn ich etwas auf dem Teller zurückließ. Der Teller musste leergegessen werden, klar für ein Kind der Nachkriegszeit. Und auch für ein Kind im Überfluss finde ich es noch heute eine furchtbare Unart, sich beispielsweise beim Buffet den Teller so voll zu laden, dass ohnehin die Hälfte davon weggeschmissen wird. Aber weiter zu essen, obwohl man satt ist, führt vermutlich eher zu Übergewicht. Ich erinnere mich auch gerne an den Satz, essen sei eine Notdurft. Mein Vater kam, aß und stand auf. Zu Hause genauso wie im Restaurant. Auch ich kann noch heute an Essen nichts finden und erledige Nahrungsaufnahme ähnlich wie Körperpflege. Eine Tatsache, die mein Mann, dessen Eltern gerne kochen und kulinarischen Genüssen frönen, überhaupt nicht verstehen kann.
Genauso erinnere ich mich an eine schlanke Mutter, die stets versuchte, abzunehmen. Und was vermittelte es mir?
Auch die Einstellung zur Arbeit meiner Eltern begleitet mich noch heute. Natürlich halte auch ich Arbeit für etwas Selbstverständliches, das nun mal zu einem Leben dazugehört. Aber zu leben, um zu arbeiten, ist da sicherlich nicht die richtige Reihenfolge, da darf auch durchaus eine Grenze gesetzt und Wert auf Freizeit gelegt werden. Ein Aspekt, der mir noch heute schwer fällt.
Doch erinnere ich mich auch gerne daran, dass ich alles schaffen kann...
So erwartete man von Kindern automatisch Respekt vor Älteren. Doch muss man sich Respekt nicht erarbeiten? Sollten sie nicht besser lernen, Respekt vor Menschen zu haben, die ihn auch verdienen und das nicht nur, weil sie einfach ein paar Jahre länger auf dieser Welt wandeln?
Wir finden sicherlich alle in unserer Kindheit Dogmen, die uns immer eingetrichtert wurden, heute so aber längst nicht mehr gelten oder eben für unser spezielles Leben nicht richtig sind, unser Denken aber immer noch beeinflussen und auch belasten.
So geben viele vielleicht eine Strafe bei einer 5 in Mathe, weil sie sie vermutlich selbst in ihrer Kindheit erfahren haben, andere halten es vielleicht für unbedingt nötig, dass das Kind ein Instrument lernt oder einen Sport ausübt an dem es eigentlich keinen Spaß hat. Eines Tages wirst du mir dafür dankbar sein, wie oft haben wir diesen Satz gehört. Können wir unsere Kinder vielleicht vor diesen Sätzen bewahren?
Mit dem Kind spielst du bitte nicht, die Eltern passen nicht in unser Bild. Triff dich nicht mit dem Mitschüler aus diesem Wohngebiet, da kann ja nur schlechter Einfluss herkommen. Eine alleinerziehende Mutter kaum älter als ihr Kind, das kann nicht gut sein.
Putzen Sie vielleicht auch heute noch fanatisch, wenn Gäste kommen oder schmeißen lieber alles in eine Schublade, Hauptsache, der äußere Schein wird gewahrt? Schließlich sagte Mama vielleicht schon: Was sollen die Leute nur denken?
Steh nicht im Weg, störe andere nicht... ich werde oft dafür belächelt, am besten unsichtbar sein zu wollen.
Ich bin froh, heute über viele dieser Sätze kritisch nachdenken und für mich entscheiden zu können, ob ich ihnen weiterhin folgen möchte.
Ersparen wir unseren Kindern das doch und entwickeln lieber gemeinsam sinnvolle Richtlinien, die durchaus auch veränderbar sein dürfen.
Autor: Anke Wachtendorf - Schülercoach, Lern- und Erziehungsberatung, Verlagsautorin
Thema: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr
Webseite: http://www.schuelercoaching-wachtendorf.de
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