Es tut mir leid. Bitte verzeihe mir. Ich liebe dich. Ich danke dir. – Diese vier Sätze bilden das zentrale Gerüst des hawaiianischen Rituals des Ho'oponopono.
Wie sie helfen können, unser Bild von uns selbst, von anderen Menschen und der Welt im allgemeinen zu transformieren, wird im ersten Teil dieses Artikel beschrieben. Auf unser westliches Denken wirken diese Sätze teils schwer verständlich, teils lösen sie Widerspruch aus. Deshalb beschreibe ich im zweiten Teil Hintergrund und Wirkweise dieser Kraftsätze aus psychologischer Sicht.
Teil 1: Was ist Ho'oponopono?
Kurz gesagt ist Ho'oponopono ein Weg, die eigene Psyche von toxischen Gedanken- und Gefühlsmustern zu reinigen. Ho'oponopono lehrt, die Verantwortung für unsere negativen Gedanken und Glaubenssätze zu übernehmen. Dazu gehört es, sich auch unbewussten Problemen zu stellen, statt sie nach außen zu projizieren und an andere weiterzugeben. So kommt man allmählich wieder in Kontakt mit der eigenen Tiefe und dem natürlichen Frieden dort.
Wir sind es gewöhnt, überall in der Welt Probleme, zumindest Optimierungsbedarf zu sehen. In der hawaiianischen Philosophie des Ho'oponopono wird diese Sichtweise umgedreht: das Problem ist nicht da draußen, sondern in mir. Alle Probleme, die ich in meiner Umwelt wahrnehme, werden als Refektionen meines Unbewussten angesehen. Diese Auffassung widerstrebt unserer logischen Sichtweise, doch lassen wir sie für den Moment erstmal stehen und gehen die vier Schritte des Ho'oponopono durch:
Es tut mir leid
Vielen Menschen fällt dieser Satz schwer. Zu oft sind sie in ihrer Kindheit beschuldigt worden und mussten sich entschuldigen für Dinge, für die sie nicht verantwortlich waren. Im Gegensatz dazu wird im Ho'oponopono dieser Satz ausgesprochen, wenn man wahrnimmt, dass man sich wieder in alten dysfuntionalen Gedanken- und Glaubensmustern bewegt. Diese beginnen meist mit „immer“ oder „nie“, z.B. Immer muss ich die ganze Arbeit machen. oder Nie werde ich gelobt.
Mit dem Aufrufen dieser echoartigen inneren Mustern schneiden wir uns ab von den 1000 mal 1000 Möglichkeiten des gegenwärtigen Moments. Wir suhlen uns im Alten und reduzieren die Wirklichkeit auf die eine Annahme, die vielleicht einer längst vergangenen Verletzung entstammt, aber längst nicht mehr zutrifft. Massiv prägen diese alte Muster unsere Erfahrung der Gegenwart. Entsprechend beschränkt verhalten wir uns und erzeugen die alte Resonanz.
Ist das nicht traurig? Wir leiden unter den alten Prägungen, unter den traumatischen Erfahrungen, die wir erlitten haben und die immer noch in uns lebendig sind, als wären sie gestern passiert. Und oftmals leiden unsere Partner, unsere Kinder und Freunde mit uns.
Unsere Psyche ist so beschaffen, dass immer wieder alte Erfahrungen getriggert werden, negative eher als positive. Genau wie ein Urlaubsfoto eine Wohlgefühl triggern kann, wird mit den alten Erfahrungen der alte Schmerz getriggert. Dazu kommt der Schmerz, wenn man wahrnimmt, wie sehr man vom Fluss des Lebens abgetrennt ist. Viele gehen dann joggen oder greifen zur Zigarette oder reagieren sich an andere Menschen ab.
Wenn das Leben stockt, wenn wir glauben, ein Problem zu haben, nicht gewohnt zu reagieren, sondern zu sagen, es tut mir leid, öffnet eine Tür.
Bitte verzeih' mir
Vergeben war noch nie ein leichtes Ziel. Fast jeder kennt Menschen, die lieber den Kontakt zu anderen abbrechen, als etwas zu verzeihen. Vielen sind auch die unverzeihlich Vorwürfe sich selbst gegenüber vertraut: Hätte ich doch damals... Das werde ich mir nie verzeihen... oder Hätte ich doch XY vor einem Unfall bewahren können... So oder ähnlich lauten die Selbstvorwürfe, die wie eine Kettensäge in unserem psychischen System rattern. Im Grunde handelt es sich hier um einen magischen Versuch, die Vergangenheit zu ändern, der niemandem nützt, aber eine selbstschädigende Wirkung hat.
Weil es oft so schwer ist, sich selbst zu verzeihen, richtet sich die Bitte um Vergebung im Ho'oponopono an das Universum allgemein. Spirituelle Menschen wissen, dass die höhere Welt bereit ist, sofort und bedingungslos zu verzeihen. Das dürfen wir in Anspruch nehmen, denn meisten folgen wir doch nur autonomen Reaktionmustern unseres Unterbewusstseins, wovon später noch die Rede sein wird. Allein zu beobachten, dass man wieder automatisch reagiert hat, ist doch ein Schritt in Richtung liebevolleres Verhalten. Mehr noch: Das Erkennen von destruktiven Gedanken- und Gefühlsmustern und das liebevolle Bereinigen dieser ist erwachsenes Verantwortung übernehmen für die eigene Persönlichkeitsentwicklung.
Selbstvorwürfe und sich selbst etwas verbieten zu wollen, manifestieren eher eine Spirale aus Fehlverhalten, Selbstbestrafung, sich schlecht fühlen und trotziger Reaktion. Hier zuzugeben, dass man auch nur ein Mensch ist, der nicht alles im Griff hat, der manchmal nach alten erlernten Mustern handelt, dass man den biologischen Prinzipien seines Gehirns unterworfen ist, ist ein Akt der Selbstliebe. Wie belastend ist das Gefühl der Schuld! Wie befreiend ist das Gefühl der Vergebung!
Ich liebe dich
Alle Menschen sehnen sich nach Liebe. Wir wollen geliebt werden. Dann fühlen wir uns angenommen, gesehen und gehört, beschenkt, nah und sicher und frei von Bewertungen und Vorurteilen. Wir wollen auch lieben, aber wir sind beschädigt in unserer Liebesfähigkeit. Das Herz wieder zu öffnen, bedeutet Schmerz. Ein offenes Herz hat Angst vor Schmerz und Angst, nicht Hass, ist das Gegenteil von Liebe. Also wird es darum gehen, einen Weg zu finden, behutsam wieder mehr Liebe zuzulassen.
Liebe ist kein persönliches Gut, sie ist die größte Kraft im Universum, die alles geschaffen hat und alles heilen kann. Man kann sie nicht besitzen oder sicher stellen. Sie fließt durch uns hindurch. Leider waren die meisten von uns gezwungen, eine Mauer um ihre Herzen aufzubauen, um traumatische Erfahrungen zu überleben. Jetzt geht es darum, diese Steine wieder abzutragen und Platz zu schaffen für die Essenz der Urquelle.
Dieser kleine Satz „Ich liebe dich“ lässt die Mauer allmählich bröckeln. Das „dich“ in diesem Satz geht über ein Gegenüber hinaus: es meint das eigene Unbewusste, welches den ganzen Tag für uns sorgt, es meint das Universum in seiner unergründlichen Weisheit, es meint den Funken der Liebe in anderen Lebewesen.
Vielen Menschen ist der unbewusste Glaubenssatz „Jetzt will ich auch nicht mehr.“ zu einer Gewohnheit geworden. Die Einladung lautet, diese Gewohnheit durch eine neue zu ersetzen und die Wirkung es öfermal geflüsterten „Ich liebe dich.“ zu erforschen. Diese neue Gewohnheit führt zu Frieden und Fülle. Sie schafft eine Win-Win-Situation, weil die Liebe wieder fließen kann und weil wir unseren Platz im Wandel des Universums wieder einnehmen.
Ich danke dir
Wenn Liebe die höchste Schwingung im Universum ist, dann ist Dankbarkeit die zweithöchste. Dankbarkeit ist die Kraft, die uns innerhalb von wenigen Augenblicken vom Mangelgefühl in die Fülle führen kann. Wer dankbar ist, gibt zu, dass er etwas bekommen hat. Mit dem Danke schafft er einen Ausgleich für das Empfangene.
Viele Menschen haben das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt, dass sie mehr leisten müssten, dass sie unzureichend sind usw. Solche Gefühle sind oft die Nachhall-Erinnerung an eine Kindheit, in der es an Liebe gefehlt hat. Eine weitere Folge ist der innere Kritiker, der gebetsmühlenartig Sätze wiederholt wie „Es reicht nicht!“, „Streng' dich an!“ oder „Mach uns keine Schande!“ Liebevoll ist diese automatiserte psychische Dauerschleife nicht.
Das Wort danke hilft, diese autoaggressiven Programme Schritt für Schritt zu löschen. Das Danke im Ho'oponopono steht für den Abschluss des Reinigungsprozesses. Es ist auch ein Danke an das Problem oder den „Arschengel“, die mir geholfen haben, mich selbst besser zu erkennen. Dank dieser Erkenntnis konnte ich heraustreten aus vielleicht engstirnigen Gedanken und dem Gefühl des Abgetrenntseins. Ich kann mich wieder verbunden fühlen mit etwas, was weit über mich hinausreicht. Danke.
Teil 2: Der psychologische Hintergrund des Ho'oponopono
Als ich in den 90ern Psycholgie zu studieren begann, herrschte die Vorstellung, dass wir etwa 20 Prozent der Wirklichkeit erfassen und 80 Prozent unbewusst bleiben. Mitte der 2000er Jahre hatte sich diese Zahl gründlich verschoben: nun ging man davon aus, dass das menschliche Bewusstsein weniger als 1 Prozent der Realität registriert, cirka 0,25 % um genau zu sein. Inzwischen wissen wir, dass unser Bewusstsein eine durchschnittliche Kapazität von 15 Bits pro Sekunde hat, während sich ungefähr 15.000.000 Bits Informationseinheiten in der selben Zeit ereignen.
Leben im Hier und Jetzt oder aus der Erinnerung?
15 zu 15.000.000 – damit unsere Gehirne nicht pausenlos einen Information-Overflow erleben, filtern sie radikal fast alles weg. „Das Bewusstsein ist ein PR-Gag des Unbewussten“, formulierte ein amerikanischer Gehirnforscher. Schon Sokrates, der antike griechische Philosoph, hatte erkannt : „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
Trotzdem lieben wir es zu sagen: „Is' so!“, „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.“ oder „XY sagt es doch auch.“ Wir wollen unser Leben im Griff haben, Sicherheit und Orientierung erfahren. Unser Hippocampus im Mittelhirn vergleicht alles, was wir erleben, mit unseren Gedächtnisinhalten. Und tatsächlich entdecken wir fast immer Parallelen zwischen dem Gegenwärtigen und den Erinnerungen, die uns sagen, jetzt ist es so wie gestern, wie vor einem, so wie vor 10, 20 oder 30 Jahren war. Statt die Wirklichkeit in ihrer Komplexität wahrzunehmen, schiebt unser Gehirn vertraute Erinnerungsbilder ein und orientiert sich daran.
Dieser Prozess geschieht autonom und unbewusst. Auf diese Art und Weise hat unser Gehirn unser Überleben seit Jahrmillionen gesichert, so unter dem Motto: an dieser Stelle im Wald bist du schon mal einem Bären begegnet; sei vorsichtig, wahrscheinlich ist er wieder da!
Man könnte schmunzeln über ein Gehirn, welches überall Bären und andere Gefahren sieht, wo keine sind; doch die Sache ist zu ernst: statt die Fülle und die Perfektion des Lebens zu genießen, engt unser automatisches Gehirn die 1000 mal 1000 Möglichkeiten des Augenblicks oft auf eine einzige ein: es ist problematisch. Dann geraten wir in einen Strudel aus Gedanken und Gefühlen, die sich darauf fokussieren, dieses vermeintliche Problem zu lösen. Schon sind wir im Überlebensmodus, abgeschnitten vom puren Sein.
Die meisten Menchen, die in meine Praxis kommen, klagen über ein unablässiges negativ getöntes Gedankenkaroussell, verbunden mit dem Gefühl, dass etwas mit ihnen nicht zu stimmen scheint. Vieles erscheint ihnen als problematisch: Wenn doch die Bundesregierung endlich... Wenn doch mein Partner, Kollege, Nachbar wenigstens... Oft richtet sich die Problemorientierung auch gegen sie selbst: Wenn ich doch weniger Schokolade und mehr Sport...
Doch liegen die Probleme weniger in der beklagten Tatsache, sondern meistens in der Projektion. Unangenehme, ungelöste Nachhall-Erinnerungen, die aus traumatischen Erfahrungen stammen, werden auf einen Sachverhalt im Außen projiziert. „Was ich ich mir nicht leiden kann, häng' ich einem anderen an“, so beschrieb Friedemann Schulz von Thun das Wesen der Projektion.
So übernehmen wir nicht wirklich Verantwortung für unsere verdrängten Verletzungen, für unsere Schatten. JW von Goethe hat es einmal so ausgedrückt: „Alle Menschen, groß und klein / Spinnen ein Gewebe fein...“ Heute würde man eher sagen, wir spinnen unsere Ich-Geschichten oder – psychologisch formuliert – wir verharren in der Opferhaltung. Oder werden zum selbstgerechten Täter. Oder zum allgemein beliebten Retter.
Wie oft habe ich selbst Opfer-Narrative, aber auch Rechthabe-, Besser-Wissen- und Ich-will-doch-nur-helfen-Geschichten erzählt! Ganz gleich ob sich diese Geschichten als Gedankenstrom oder diffuse Gefühlszustände abbilden, wir sind mit ihnen identifiziert. In ihnen kennen wir uns aus und wissen, dass wir wir sind. Wir halten sie für die Wahrheit, dabei sind sie die Brille, durch die wir uns selbst, andere Menschen und die Welt sehen und aus dieser Sichtweise folgen die Taten. So erzeugen unsere Wirklichkeit.
Diese alten Gechichten lassen uns kämpfen, leiden, resignieren, verbittern, verurteilen, einsam und manchmal sogar krank werden. Jedes vermeintliche Problem aktiviert diese Geschichten, die um die ehemalige traumatische Urszene ranken, ohne sie zu lösen. Unsere „eigentlichen“, unsere uns eigenen Probleme sind nicht im außen zu lösen. Selbstannahme gelingt leicht, wo wir Erfolg haben und strahlen. Gerade unsere Probleme laden uns ein, unsere Selbstliebe zu vertiefen. Ho'oponopono ist ein Weg dahin. Er führt über Reue, Vergebung zur Wandlung. Er führt zu uns selbst.
Autor: Peter Klapprot, Heilpraktiker (Psychotherapie)
Thema: Ho'oponopono – Der Frieden beginnt in mir!
Webseite: https://www.psychotherapie-ruhr.de
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